Schlechtes Image und viele Vorurteile - dabei bietet der Stadtteil im Bezirk Wandsbek niedrige Mieten, hohe Sicherheit und viel Grün.

Steilshoop

Keine Frage, Steilshoop hat ein Problem: ein Imageproblem. Wer Steilshoop sagt, meint eigentlich die Großwohnsiedlung Neu-Steilshoop. Und da liegen zwischen Außensicht und Innenwahrnehmung Welten. Für die einen, die den Stadtteil mit seinem Beton-Lindwurm (14 Geschosse!) lediglich vom oberflächlichen Blick aus dem Autofenster oder aus den Medien kennen, regieren dort vor allem Chaos und Kriminalität. Doch wer selbst in Steilshoop wohnt, hat meist eine andere Einschätzung vom Leben hier.

So besagt die offizielle Kriminalitätsstatistik, dass man von den Fallzahlen her für Straftaten im Allgemeinen und Diebstahlsdelikte im Besonderen je 1000 Einwohner im Quartier zwischen Steilshooper Allee und Borchertring sicherer als etwa im noblen Stadtteil Rotherbaum wohnt.

Das war einmal anders. Anfang der 90er-Jahre rotteten sich Jugendbanden zusammen, es flogen sogar selbst gebastelte Sprengsätze vor der Schule in die Luft. Von Langeweile geplagte Jugendliche sollen sich als Bombenbauer versucht und das Ganze minutiös gefilmt haben. Medien sprachen gar vom "Kinderkrieg in Steilshoop". Der Verdacht, dass TV-Sender die jungen Täter mit einem Taschengeld zu der Tat und entsprechenden Interviews anstifteten, wurde nie wirklich ausgeräumt.

Töchter & Söhne

Kurz & knapp

Zahlen & Fakten

Ohne fremdes Zutun brachte es Thessa in die Schlagzeilen: Sie lud im Juni 2011 ungewollt öffentlich über Facebook zu ihrem 16. Geburtstag ein. Mehr als 1500 Mitglieder der Netzgemeinde - die wenigsten aus dem Quartier selbst - kamen in den Otto-Burrmeister-Ring. Dem "Blankenese von Steilshoop", wie die im Grünen liegende Eigenheimsiedlung am Bramfelder See genannt wird, bescherte sie ein nie da gewesenes Polizei- und Medienaufgebot.

Jeder Vierte lebt von Hartz IV

Steilshoop ist ein junger Stadtteil. Die Großsiedlung selbst feierte 2009 erst 40. Geburtstag. Jeder Fünfte der mehr als 19 000 Bewohner ist unter 18 Jahre alt. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen liegt mit fast 20 Prozent über dem Durchschnitt der Stadt. Etwa zwei Drittel von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Die Arbeitsgemeinschaft Deutsch-Ausländische Zusammenarbeit (AGDAZ), die ihre Begegnungsstätte am Bildungszentrum an der Fehlinghöhe hat, bringt Migranten aus mehr als 50 Nationen zusammen. So bunt gemischt die Herkunft in den Wohnblocks auch ist: Der Wohlstand ist links und rechts der sogenannten Mittelachse nicht zu Hause. Fast jeder vierte erwachsene Steilshooper empfängt Hartz IV.

Dabei war es von Oberbaudirektor Werner Hebebrand anders gedacht, als er 1960 seinen Aufbauplan für die Hansestadt der Bürgerschaft vorstellte, dessen Bestandteil die "Satellitenstadt Neu-Steilshoop" war. Einige Kilometer entfernt von der Bürostadt City Nord sollte Wohnraum für das noch immer vom Krieg geschundene Hamburg entstehen. Bauherren, Architekten, Sozialraumplaner und Behörden haben sich viele Gedanken gemacht, wie man hier ein intaktes Gemeinwesen schaffen könne. Noch im selben Jahr wurde ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnisse in den Bebauungsentwurf von 1965 einflossen. Es sollte trotzdem noch vier Jahre dauern, bis der Grundstein am 14. Juli 1969 gelegt werden konnte. Zwar wurde nicht auf der grünen Wiese, aber auf dem Gelände ehemaliger Schrebergärten gebaut.

Anwohner investieren in ihr Quartier

"Urbanität durch Dichte" war der Leitsatz der Stadtplaner in den 70er-Jahren, mit dem sie auch in Steilshoop zur Tat schritten: Die Häuserblocks bilden 22 Ringe mit grünen Innenhöfen. Jeder von ihnen ist größer als der Rathausmarkt. Mit den Spielplätzen in den Innenhöfen und den verkehrsberuhigten Straßenringen (alle nach bildenden Künstlern benannt) wurden damals städtebauliche Maßstäbe gesetzt. Noch heute hat man dort den Eindruck, in einem Dorf zu wohnen. Ruhe und Erholung lassen sich rundherum leicht finden. Etwa beim Spaziergang am idyllischen Bramfelder See, durch die Schrebergärten entlang des Grenzbachs Seebek, auf dem nahen Ohlsdorfer Friedhof mit seinen Parkanlagen sowie am Grootmoorteich und Appelhoffweiher.

Zukunftsweisend, was in der Großwohnsiedlung demnächst passieren soll: Die rund 50 Eigentümer organisieren sich gerade zu dem ersten Hamburger Housing Improvement District (HID), um ihr Quartier in privater Initiative mit eigenem Geld voranzubringen. Vorbild ist das Business Improvement District (BID), das auch zur Neugestaltung des Neuen Walls formiert wurde.

Name & Geschichte

Der Stadtteil-Pate: Volker Sarbach

Bereits in einem anderen Punkt war Steilshoop schon einmal der Zeit voraus: In Block VI am Gropiusring wurde über zehn Jahre das Wohnmodell Steilshoop gelebt. Es wollte erstmalig im geförderten Wohnungsbau der traditionellen Form des Zusammenlebens in der Familie ein gemeinschaftsorientiertes Wohnen entgegensetzen. Die Idee des Architekten war, die WG-Bewohner schon an der Planung zu beteiligen. Das Resultat: Gemeinschaftsräume, Küchen für mehrere, eine Dachterrasse für alle, ein Kindergarten im Keller. 210 Menschen aus unterschiedlichen Schichten lebten von August 1973 an unter dem vom sozialen Wohnungsbau finanzierten und deshalb relativ preiswerten Dach. 1984 scheiterte das Projekt unter anderem wegen immenser Mietschulden.

Mangelhafte Anbindung

Günstige Immobilienpreise und eine gewisse "Volksnähe" waren Anfang der 1990er-Jahre der Grund, dass das polnische Generalkonsulat sich in der Gründgensstraße 20 einmietete, als es in der Residenz in der Maria-Louisen-Straße in Winterhude zu eng wurde. Die Mieten sind in Alt- wie Neu-Steilshoop für heutige Verhältnisse günstig, nicht zuletzt wegen der dezentralen Lage. Denn die Verkehrsanbindung lässt zu wünschen übrig. Es gibt weder einen S- noch einen U-Bahn-Anschluss. Und zuletzt platzten mit dem Aus für die Stadtbahn auch die Hoffnungen auf eine entsprechende Anbindung. Nur Busse fahren die angrenzenden Stadtteile an. Und um in die Innenstadt zu kommen, muss man umsteigen, man ist dann etwa eine Dreiviertelstunde unterwegs. Am Eichenlohweg kann man seinen Einkauf erledigen, wenn auch in weniger Geschäften als früher. Der Steilshooper kauft im City-Center Steilshoop, zumindest solange noch Geschäfte drin sind, denn die Hälfte des Centers steht leer. Viele fahren auch mit dem Auto ins Quarree nach Wandsbek oder zur nahen Hamburger Straße. Steilshoop ist kein großer Wirtschaftsstandort. Hier gibt es nur einige mittelständische Betriebe.

Größter Arbeitgeber ist im benachbarten Bramfeld Otto mit einigen Tausend Beschäftigten. Ausgehfreudige werden nicht so recht zufriedengestellt. Es gibt zwar einige Restaurants wie den Italiener oder Griechen um die Ecke, aber das ist es dann schon. Auch kulturell gibt es wenig Auswahl. Immerhin: Der Bramfelder Kulturladen Brakula bietet Theater, Konzerte und Kabarett.

In der nächsten Folge am 9.6.: Uhlenhorst