Ausschuss soll den Großeinsatz bei der Neonazi-Demo in Hamburg beleuchten. Grüne und Linke kritisieren das harte Vorgehen von Beamten.

Hamburg. Auf den Straßen von Wandsbek und Eilbek, dort, wo sich am Sonnabend unter dem Protest Tausender Antifaschisten 700 Neonazis versammelt hatten, zeugten gestern nur noch einige schwarze Flecken von den Geschehnissen - stumme Zeugen der vielen Brände, die Gegendemonstranten gelegt hatten. Weitere Spuren der Verwüstung, Steine, Wurfgeschosse, Glasscherben, hat die Stadtreinigung längst entfernt.

Die Aufarbeitung der Gewalt findet an anderer Stelle statt: Während Linke und Grüne den Polizeieinsatz als zu rabiat bezeichnen, fordern Teile der CDU und die Polizeigewerkschaft DPolG angesichts von 38 verletzten Beamten eine neue Diskussion über den Einsatz von Gummi- oder Holzgeschossen gegen gewalttätige Demonstranten. Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses soll die Arbeit der Polizei unter die Lupe genommen werden.

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"Die Diskussion über den Einsatz von Distanzwaffen mit Gummi- oder Holzmunition muss jetzt aufgenommen werden", sagt CDU-Innenexperte Karl-Heinz Warnholz (CDU). "Wenn linke Krawallmacher immer weiter aufrüsten, muss der Polizei ein Mittel an die Hand gegeben werden, Randalierer auf Distanz zu halten. Und zwar bevor Polizisten schwer verletzt oder Menschen mit scharfer Munition erschossen werden."

Auch der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt, hatte in der "Bild"-Zeitung eine entsprechende Aufrüstung der Polizei gefordert. Derzeit, so sagt der Gewerkschafter, fehle es den Polizisten an einer Waffe, die die Lücke zwischen Reizgas und scharfer Munition schließen könne. Gummigeschosse seien hier ein probates Mittel. Damit diese verwendet werden dürfen, müsste allerdings das Polizeigesetz geändert werden. In der Hamburger Innenbehörde hält man die Forderung nach einer Aufrüstung der Polizei hinter vorgehaltener Hand für einen "populistischen Schnellschuss". Sprecher Frank Reschreiter: "Bundesweit herrscht weitgehend Einigkeit, dass dies kein geeignetes Einsatzmittel für die Polizei ist." Aus der Distanz seien derartige Geschosse nicht wirksam, aus der Nähe allerdings höchst gefährlich.

Antje Möller, Innenexpertin der GAL, übt Kritik am Vorgehen der Polizei: Der Einsatz der Reiterstaffel gegen Demonstrierende sei falsch. Unverständlich sei, warum für den Marschweg der Nazis ein dicht bebautes Wohngebiet gewählt worden sei. Möller: "Das Vorgehen der Polizei bei der Räumung von friedlichen Blockaden auf der neuen Strecke war sehr robust und zum Teil unverhältnismäßig rabiat.

Auch die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, bezeichnete den Einsatz der Polizei als "sehr brutal." Laut Gegendemo-Anmelder Andreas Blechschmidt ist geplant, juristisch gegen die mehrstündige Polizeiaktion vorzugehen. Auf Kritik stieß vor allem das Vorgehen von Hundertschaften aus Thüringen. Anders als in Hamburg sonst üblich hätten die betreffenden Beamten mehrfach ohne Vorwarnung Personen geschubst und mit Gummiknüppeln traktiert. Selbst Kinder seien hart angegangen worden. Eine Frau wurde offenbar über einen Poller geschubst. Sie fiel mit dem Kopf auf den Asphalt. Einzelne Beamte sollen ihr danach noch weitere Schläge angedroht haben. Auch das Einkesseln mehrerer Hundert Demonstranten an der Wagnerstraße stieß auf Kritik.

Zu dem Einsatz waren Beamte aus mehreren Bundesländern nach Hamburg gekommen. Die jeweiligen Hundertschaftsführer waren im Vorfeld des Einsatzes über Gefahren und Notwendigkeiten informiert worden. Ihnen war auch aufgetragen worden, Zwangsmaßnahmen gegen Blockierer erst durchzusetzen, wenn sie auf dreimalige Aufforderung, freiwillig zu gehen, nicht reagierten.

Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch kann Kritik an der Einsatzführung nicht nachvollziehen: "Sämtliche in Hamburg eingesetzten Polizisten hatten Erfahrung in der Bewältigung solcher Einsatzlagen. Sie haben uns Hamburger in einem sehr schwierigen Einsatz unterstützt und umsichtig und angemessen gehandelt. Dabei war es gegenüber Gewalttätern erforderlich, konsequent vorzugehen, um Schlimmeres zu verhindern. Das ist auch Hamburger Einsatzlinie." Den Einsatz von Gummigeschossen hält Kopitzsch für falsch: "Die zur Verfügung stehenden Einsatzmittel waren ausreichend. Den Einsatz von Gummigeschossen halte ich bei diesen Einsatzlagen für zu gefährlich."