Der Feuerdorn wird von Botanikern vollkommen unterschätzt. Dabei sieht er schön aus, gibt Vögeln Nahrung und lässt sich in jede Form schneiden

Der Feuerdorn ist gärtnerisch offensichtlich eine Null. Was man daran erkennen kann, dass er in den wunderbaren Bildbänden über große Gärten praktisch nicht vorkommt. Höchstens als Randnotiz in Bildunterschriften. „Im Hintergrund sieht man noch eine Pyracantha-Hecke.“ Der Feuerdorn wird damit etwa so ernst genommen wie der späte Boris Jelzin. Für die Jüngeren: Der war der Vorgänger von Wladimir Putin und galt wie dieser als demokratische Hoffnung im postkommunistischen Russland. Am Ende seiner Amtszeit sagten die Leute nur: „War der mal wieder blau“, wenn der späte Boris als Polit-Proll mit der Vorliebe für Wodka betrunken durchs Fernsehbild torkelte. Am Ende seiner Amtszeit (1991–1999) galt er als traurige Gestalt.

Was ich vom Feuerdorn in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland wirklich nicht sagen kann. Im meinem Leben als Hobbygärtner hat er eine wichtige Rolle gespielt. Als Zier- und Formgehölz, als wichtiger Lebensraum und Futterquelle für Vögel und Insekten. Unterschätzt haben Pyracantha, wie der Feuerdorn auf Latein heißt, auch die Botaniker. Als er im 16. und 17. Jahrhundert aus dem Mittelmeerraum in den Norden Europas kam, hieß er zunächst Crataegus. Wegen seiner sparrigen Wuchsform, seiner Blüten und, je nach Art, roten bis orangefarbenen Früchte hielt man ihn für keine eigenständige Art, sondern eine Form von Weiß- oder Rotdorn, nur halt mit immergrünen Blättern. Immerhin gehören alle zur Familie der Rosengewächse.

„Was ist das denn?“, deutete meine Frau Anke entgeistert auf Sträucher, die direkt an der Mühle merkwürdig bizarr ihre fast drei Meter langen, kräftigen Zweige in die Höhe reckten. Vor allem an der Südwestseite hatte der Wind die dornenbewehrten Zweige an die Wände gedrückt und an dem Putz Scheuerspuren hinterlassen. Es sah ein wenig aus wie auf einer verschmierten Autoscheibe, wenn die Wischerblätter defekt sind und das Wischwasser ausgegangen ist.

„Oh“, sagte Anke noch, „wie romantisch“ – und deutete auf die Büschel von kleinen roten Früchten. Die sähen ja aus wie Äpfelchen. „Ja, sicher“, sagte ich, ein wenig zurückhaltend. Damals, im Herbst vor 19 Jahren. Die Mühle hatte ich schon gekauft, um mir meinen Traum vom Leben auf dem Lande zu erfüllen – und Anke gerade kennengelernt. Sollte ich ihr da gleich sagen, dass ich mir schon zwei Hemden an den Dornen zerrissen hatte? Und ich die Frage, muss das weg oder kann das bleiben, für mich längst beantwortet hatte?

Man ahnt es. Drei Sträucher durften weg, drei blieben. Ein Jahr später haben Anke und ich geheiratet.

Meine Liebe zum Feuerdorn, es handelte sich in diesem Fall um Pyracantha coccinea mit den typischen roten Früchten, war ungleich dornenreicher. Beim Versuch, die drei Büsche direkt an der Mühlenwand mithilfe meines Freundes Peter und seines Treckers aus dem Boden zu reißen, zerstörten wir erst einmal die Drainagerohre, in die das Regenwasser vom Mühlendach geleitet wird. Die Wurzeln hatten sich um die Rohre gewunden – und waren so stets gut mit Wasser versorgt. Die Sträucher habe ich nicht etwa entsorgt, sondern Triebe und Wurzeln gekappt und in eine Wildhecke gepflanzt. Sie sind sogar wieder angewachsen – was mehr für den Feuerdorn, weniger für meine damaligen gärtnerischen Kenntnisse spricht.

Die verbliebenen Sträucher habe ich nicht etwa „auf Stock gesetzt“, wie mir ein Gärtnermeister geraten hatte, sondern statt auf 20 Zentimeter auf knapp einen Meter Höhe eingekürzt. Einen radikalen Rückschnitt, am besten Ende Februar, hatte Anke als „zu grausam empfunden“. Ansonsten ist die beste Zeit für einen Formschnitt im Juli und August. Ich achte immer darauf, nicht zu viele Blüten wegzunehmen, damit den Vögeln im Winter nicht die Nahrung fehlt. Regelmäßiger, auch mehrfacher Schnitt im Jahr ist wichtig, damit das Gehölz nicht zu sparrig, sondern zu einer buschigen Form oder nahezu undurchdringlichen Hecke heranwächst.

Grundsätzlich kann man Pyracantha in jede Form schneiden, mithilfe von Spanndrähten Mauern begrünen und sogar die Triebe um Fenster herumleiten. Einen Feuerdorn habe ich durch stetiges Aufasten sogar zu einem immergrünen Baum mit einer leicht kugelförmigen Krone herangezüchtet. Der ist jetzt fast drei Meter hoch, und das Beschneiden wird immer mühsamer. Die beiden Feuerdorne links und rechts der Eingangstür waren als Kastenform schon fast drei Meter hoch geworden. Im ­Februar habe ich sie auf einen halben Meter zurückschnitten. Jetzt sind sie schon wieder grün, fast dicht und brauchen den ersten Formschnitt.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth