Beim Projekt Generationsbrücke besuchen Schüler der Grundschule Hoheluft regelmäßig alte Menschen im benachbarten Seniorenzentrum St. Markus. Ein Austausch, von dem beide Seiten sehr profitieren. Von Geneviève Wood

Das Loomband aus bunten Gummiringen trägt Curt Binne gut sichtbar am rechten Handgelenk. Denn heute kommt Matti zu Besuch, und der wird sich freuen, wenn er weiß, dass sein selbst gemachtes Armband bei Herrn Binne so gut ankommt. Herr Binne, Jahrgang 1924, und Matti, neun Jahre alt, sind ein Besuchs-Tandem. Matti geht in die vierte Klasse der Grundschule Hoheluft, und Opa Binne wohnt nur wenige Meter entfernt im benachbarten Seniorenzentrum St. Markus. Im Projekt Generationsbrücke besuchen acht Schüler als Paten alle zwei Wochen ihre „Opas“ und „Omas“, um eine Stunde lang gemeinsam zu singen, zu spielen und sich gegenseitig aus ihren Leben zu erzählen.

Mit Matti, sagt Curt Binne, könne er sich über alles unterhalten. Gerade tuscheln die beiden miteinander. Es geht um das Thema Pünktlichkeit. Als ehemaliger Feuerwehrmann musste Curt Binne pünktlich zum Dienst erscheinen, sagt er. „Ich konnte nicht einfach kommen, wann ich wollte. Ich musste ja meine Kollegen ablösen. Das ist nun mal so im Leben.“

Matti sitzt daneben und hört zu. Den Beruf, den man sich aussucht, habe man ein Leben lang. „Der soll auf jeden Fall Spaß machen“, rät der 90-Jährige. Curt Binne hat 40 Jahre lang als Feuerwehrmann in Hamburg gearbeitet. „Wir hatten ja immer Kinder zu Besuch auf der Wache.“ Er hat einen inzwischen 70 Jahre alten Sohn und einen 38-jährigen Enkel. Er mag Kinder. „Die muss man doch einfach mögen.“ Und Matti mag es, sich mit alten Menschen zu unterhalten, „weil ich das sonst nicht erlebe. Mich freut zu erfahren, wie es früher mal war. Und mein Großvater ist noch nicht so alt wie Herr Binne.“

Senioren und Schüler bilden ein Tandem. Erzieherin Regine Hameister hat ihren Schülern in dem Kurs, der im Rahmen der ganztägigen Bildung und Betreuung an der Grundschule nachmittags stattfindet, beigebracht, wie man alten Menschen begegnet. Es sei eine tolle Gelegenheit, einige Bewohner des benachbarten Seniorenzentrums kennenzulernen. „Ich bin ganz begeistert, wie die Kinder darauf anspringen“, sagt sie. Sehr höflich gehen Dritt- und Vierklässler Matti, Katja, Ida, Julia, Serafina und die anderen zu Beginn und am Ende der Treffen zu jedem Senioren und geben die Hand. Heute haben die Schüler Collagen vorbereitet zum Thema Wörter, die es früher gab und Wörter, die es erst heutzutage gibt. „Hanebüchen“ ist solch ein altes Wort oder „blümerant“ und „Dreikäsehoch“. Moderne Worte, wie „geil“ kennt Ilse Petzhold, 92, aber als sie jung war, sei das verpönt gewesen. Ziel der Generationsbrücke ist es, Alt und Jung zusammenzubringen. Kinder sollen alten Menschen Glücksmomente schenken, und im Gegenzug lernen die Kinder, sich auf völlig fremde Menschen einzulassen und tolerant zu sein.

Die erste Generationsbrücke entstand 2009 in Aachen. „In der heutigen Zeit ist der Kontakt zwischen Alt und Jung durch die zunehmende Mobilität nicht mehr so gegeben. Während vor 30 Jahren oftmals mehrere Generationen unter einem Dach lebten, wohnen sie heute in zum Teil weit voneinander entfernten Städten – auf Kosten des Kontaktes. Dem wirkt die Generationsbrücke entgegen“, sagt Projektkoordinator Hans Schleicher-Junk von der Generationsbrücke Deutschland. Das Konzept setzt auf aktive Beschäftigung miteinander. „Unser Ziel ist es, die Lebensfreude aller Beteiligten zu erhöhen.“ Beide Generationen profitierten davon: Für die alten und pflegebedürftigen Menschen bringen die Aktivitäten Abwechslung und Freude in den Heimalltag. Die Kinder wiederum erleben Wertschätzung, Herzenswärme und Zuneigung. Sie können von der Lebenserfahrung der alten Menschen profitieren und lernen frühzeitig Alterungsprozess, Pflegebedürftigkeit, Demenz und letztlich auch den Tod kennen.

An 29 Standorten in acht Bundesländern gibt es diese Begegnungen, rund 1500 Menschen haben bislang teilgenommen. In Hamburg treffen sich Grundschüler und Senioren seit dem vergangenen Schuljahr. Pflegedienstleiterin Ina Graveleit von St. Markus hat bislang gute Erfahrungen gemacht: „Wir haben viele Kinder, die ihre Paten auch nach Abschluss des Kurses weiterhin besuchen.“ So wie Matti und Ida, die ihre Paten manchmal nachmittags besuchen. Die Kinder bringen Blumen mit, von den Senioren gibt es Süßigkeiten. „Ich wollte immer schon gern mit alten Leuten zusammen sein und dachte daran, Freude in das Leben der Senioren zu bringen“, sagt Ida. Aber nicht immer sind alle fröhlich. Auch der Tod gehört dazu. Im vergangenen Durchgang ist eine alte Dame verstorben. Die Kinder waren auf dem Friedhof und haben Abschied genommen. Für die alten Menschen sind solche Treffen auch anstrengend, sagt Ina Graveleit. Einige Senioren seien dement und haben die Begegnung vielleicht am nächsten Tag wieder vergessen. Was zählt, ist der Moment.

Infos: www.generationsbruecke-deutschland.de