Seit Oktober gibt es in Hamburg die Initiative Joblinge, die schwer vermittelbare Jugendliche in eine Ausbildung bringen möchte. Partner sind Unternehmen der Stadt, auch der Abendblatt-Verein „Kinder helfen Kindern“ unterstützt zwei Stipendiaten.

Es war ihr absoluter Tiefpunkt. Die Realschule hatte sie beendet, ihre Ausbildung zwei Monate vor der Prüfung abgebrochen. Fast ein halbes Jahr saß Shari danach zu Hause rum, „wie ein Häufchen Elend“, sagt sie. Sie wartete auf eine Art Geistesblitz, der ihr eingab, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, welcher Beruf ihr wohl Spaß machen könnte. „Diese Entscheidung ist doch so wichtig“, sagt die 19-Jährige und lächelt.

Den Tiefpunkt hat sie zum Glück überwunden. Die hübsche junge Frau ist wie verwandelt – fröhlich, positiv und voller Lebensfreude. Denn seit acht Wochen macht sie mit bei der neuen Initiative Joblinge, einem sechsmonatigen Projekt, das vom Jobcenter team.arbeit. hamburg unterstützt wird. Gemeinsam mit 20 jungen Hamburgern zwischen 17 und 25 Jahren wird sie bei intensiver Betreuung durch Pädagogen, Coaches und Mentoren auf eine Ausbildung vorbereitet. Mehr als 70 Prozent der Teilnehmer haben einen Migrationshintergrund, viele gelten als schwer vermittelbar, einige kommen aus schwierigen sozialen Verhältnissen oder haben schwere Krisen durchgemacht. „Die größte Herausforderung war am Anfang, das Vertrauen der jungen Leute zu gewinnen und sie an einen strukturierten Alltag zu gewöhnen“, sagt Anja Meyfarth, Leiterin der Joblinge Hamburg. Es gibt die Initiative noch an elf weiteren Standorten. Die Boston Consulting Group hatte zusammen mit der Eberhard von Kuenheim Stiftung von BMW das bundesweite Projekt 2008 gestartet. Pro Jahr sollen insgesamt 80 junge Menschen in Hamburg mitmachen.

So hat Meyfarths Team die Jugendlichen in den ersten Wochen vor allem darin trainiert, wie man kreative Bewerbungen schreibt und sich bei Unternehmen vorstellt. Sie haben darüber gesprochen, wie man sich benimmt, welche Werte im Leben wichtig sind und was die Stärken und Schwächen der Einzelnen sind. Für Shari, deren Eltern ursprünglich aus Mexiko stammen, eine völlig neue Erfahrung. „Ich habe gelernt, dass mein Bild von mir ein völlig anderes ist als das, was andere in mir sehen. Ich fand mich schüchtern und unsicher, die anderen bezeichnen mich als offen und selbstbewusst.“

Patryk hat viel ausprobiert, jetzt weiß er endlich, was er künftig machen möchte

Unterstützt wird Joblinge durch momentan rund 30 Firmen der Stadt, die Stipendien für einzelne Jugendliche geben und ihnen Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. 60 Prozent der Maßnahmen bezahlt das Jobcenter. Auch der Abendblatt-Verein „Kinder helfen Kindern“ fördert mit 5000 Euro neben Shari einen weiteren jungen Menschen – Patryk. Im Unterschied zu Shari weiß der 21-Jährige genau, was er werden will: Maler und Lackierer. „Ich habe immer gerne gemalt, unsere Wohnung, die der Nachbarn und die meiner Eltern“, sagt Patryk, der 2005 aus Polen nach Hamburg gekommen war und einen Hauptschulabschluss hat.

Seit zwei Wochen macht er nun ein Praktikum bei der Partnerfirma Uhlmann und Below. Fiel es ihm während der Theoriephase noch schwer, immer pünktlich zu kommen, sei er jetzt immer um genau 7.30 Uhr im Malereibetrieb, erzählt er stolz. Auch Patryk hat nach der Schule zwei Jahre lang herumprobiert: Verkäufer, Koch, Lagerarbeiter, das war alles nichts für ihn. Dann wurde er mit 17 Jahren Vater, setzte erst mal drei Jahre aus und kümmerte sich um seine Tochter – seine Freundin machte in dieser Zeit eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin.

„Und nun bin ich dran“, sagt Patryk. Er ist sehr sympathisch, strahlt förmlich und betont immer wieder, wie froh und glücklich er über diese Chance sei. „Ich brauchte diesen Schubs, von alleine hätte ich es nicht gepackt, mich irgendwo zu bewerben“, sagt er. Ihm hat an dem Theorieteil gefallen, dass er gelernt habe, mit Lob und Kritik umzugehen. „Wenn man kritisiert wird, dann bedankt man sich und versucht es besser zu machen“, wiederholt er. Während Patryk auf einen Ausbildungsplatz bei der Malerfirma hofft, hat Shari sich noch lange nicht entschieden. Sie will die restliche Praxiszeit bis April dazu nutzen, so viele Schnupperpraktika wie möglich zu machen. Seit zwei Wochen macht die junge Frau eine Hospitation als Erzieherin, danach will sie noch in den Bereich Raumausstattung, in ein Autohaus, zum Juwelier und in eine Konditorei. „Ich habe solche Angst, einen Fehler zu machen“, sagt Shari. Bei Joblinge setzt sie keiner unter Druck. Im Gegenteil, ihre Mentorin, Leiterin einer Bankfiliale, trifft sich einmal wöchentlich mit der jungen Frau, bestärkt sie in ihren Zukunftswünschen oder ist einfach da, wenn Shari Fragen hat. Patryks Mentorin ist eine ehemalige Lehrerin. „Sie hilft mir in Mathe, das ist nicht so mein Ding. Aber ich muss ja berechnen können, wie viel Farbe ich für einen Raum brauche“, sagt der junge Mann.

Jeder Jobling bekommt einen Mentor als Berater zur Seite gestellt

„Jeder Jobling hat einen Mentor an der Seite, wir suchen sie danach aus, dass die beiden zusammenpassen“, sagt Standortleiterin Anja Meyfarth. Die 32-Jährige war früher Director of Sales bei den Marriott-Hotels in der Innenstadt. Doch dieser neue Job, die Verbindung zwischen sozialem Projekt und der Wirtschaft, habe sie mehr gereizt.

Auch wenn es manchmal ein Kampf sei, die Jugendlichen zu motivieren. Nicht alle seien so enthusiastisch dabei wie Patryk und Shari. „Manche haben einfach schon viel hinter sich und sehen nicht die Chance, die sich ihnen bietet“, sagt Meyfarth.

Aber ein reiner Kuschelkurs ist nicht angesagt: Wer unentschuldigt fehlt, wird abgemahnt, Anwesenheit ist Pflicht. In den ersten Projekttagen mussten die Joblinge bei einem gemeinnützigen Projekt mitmachen: Gehege bauen und sauber machen im Tierpark Schwarze Berge. „Da hat man schon gemerkt, wer engagiert dabei ist und wer nicht“, sagt Anja Meyfarth.

Shari motiviert, dass rund 70 Prozent der Joblinge in den etablierten Standorten in eine Ausbildung vermittelt werden konnten. Wo möchte sie in fünf Jahren stehen? „Da habe ich eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen“, sagt sie. Und ein Jahr später werde sie dann eine Mentorin bei Joblinge.

Es werden noch Firmen gesucht, die Joblinge unterstützen. Weitere Infos zum Projekt unter www.joblinge.de oder bei anja.meyfarth@joblinge.de