Das JuMBO-Theaterprojekt des Vereins Mook wat e.V. holt Langzeitarbeitslose auf die Bühne und versucht, über die Theaterarbeit das Selbstwertgefühl und die individuellen Talente der Teilnehmer zu stärken.

Zwölf Menschen stehen in einem Wartesaal. Sie wissen nicht, warum sie hier sind. Sie wissen nicht, wohin die Reise geht. Jeder bringt seine Geschichte mit. Da ist Semi, der Drogendealer. Eigentlich ein armes Würstchen, den die Not und Armut aus seinem Heimatdorf in Anatolien nach Deutschland getrieben hat. Er muss Geld für die Familie beschaffen, also verkauft er Drogen. Da ist Frau Dr. Boisen, die Ärztin, deren Tochter sich mit eben jenen Drogen das ganze Leben verpfuscht hat. Da ist der Pfarrer, dessen Bruder gestorben ist, weil er nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten hat. Die Ärztin hatte die Transplantationsliste manipuliert, um Geld zu verdienen für die Therapie ihrer drogenabhängigen Tochter. Jetzt stehen sie sich gegenüber zum Showdown. Ein letztes Zusammentreffen auf dem Vorhof zur Hölle. Jeder mit seiner Geschichte. „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, so könnte man das Thema des Theaterstückes „Der Richter – eine fast göttliche Komödie“ zusammenfassen, das Jens R. und Kai M.-L. geschrieben haben. Die beiden nehmen am Projekt „JuMBO“ (Jugend und Migration – Beruf und Orientierung) des Vereins Mook wat e.V. teil. Sie sind langzeitarbeitslos, leben von Hartz IV. Jetzt sollen sie fit gemacht werden in ihrem Selbstwertgefühl. Sie sollen erfahren, dass sie etwas können. Sich etwas zutrauen können. Um dann, später, vielleicht, doch noch zurückkehren zu können in einen Beruf. Aber zunächst einmal geht es um Motivation und Stabilisierung.

Es kommen viele in das Gebäude am Hasenberge direkt neben dem Freibad Ohlsdorf. Menschen ohne Ausbildung ebenso wie jene mit Doktortitel und langjähriger Berufserfahrung. Was die meisten verbindet, ist, dass ihnen irgendwann das Leben aus den Händen geglitten ist. Und sie nicht mehr so funktioniert haben, wie es sich in dieser Gesellschaft gehört. Viele von ihnen sind psychisch erkrankt, kommen mit ihrem Umfeld nicht zurecht. Jetzt sollen sie im Rahmen der Arbeitsgelegenheit (AGH) eine Beschäftigung finden, die sie motiviert, in ihnen neue Kräfte mobilisiert. „Wir versuchen, das Bestmögliche aus den Teilnehmern herauszuholen und sie so stark wie möglich zu machen. Nicht selten entdecken unsere Teilnehmer durch Theaterarbeit ihre versteckten Potenziale und trauen sich mehr zu“, sagt Projektleiterin Katharina Ercan. Im Idealfall werden sie in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, aber es geht in der AGH vor allem darum, dass sich die Teilnehmer ausprobieren, Erfahrungen sammeln und durch erfahrene Pädagogen und Anleiter in ihrer gesamten Persönlichkeit gestärkt werden.

Zwei Jahre dürfen die Teilnehmer bleiben. Bis zu 30 Stunden in der Woche sind sie im Einsatz. Es gibt zwei bis drei Aufführungen im Jahr, gemeinsam werden Filme gedreht. Es werden Stücke geschrieben und in der JuMBO Textilwerkstatt Kostüme genäht.

Für ihr Engagement gibt es 1,60 Euro pro Stunde. In Vollzeit sind das etwa 200 Euro im Monat zusätzlich zur Hartz-IV-Vergütung. Finanziert wird das Projekt von Team-Arbeit Hamburg. Auch die Kulturbehörde hat die Aufführungen in der Vergangenheit unterstützt.

Ayhan Barkin ist einer der Teilnehmer. In „Der Richter“ spielt er den Drogendealer Semi. Barkin ist 39 Jahre alt, kommt aus der Türkei. In seiner Heimat hat er das Fachgymnasium beendet, wollte studieren. 1996 ging er nach Deutschland, heiratete, gründete eine Familie. Für ein Studium blieb keine Zeit. Barkin musste Geld verdienen. Er bewarb sich als Reinigungskraft am Flughafen und bekam eine Festanstellung. Vor sechs Jahren ging sein Arbeitgeber pleite. Seitdem ist der Vater von drei Kindern auf Arbeitssuche. Jetzt steht er bei Mook wat auf der Bühne. Und er macht seine Arbeit gut. So gut, dass selbst Regisseur Evgeni Mestetschkin begeistert ist. Ayhan Barkin hat noch ein paar Wochen, dann sind die zwei Jahre der AGH um. Für ihn ist klar, dass er weitermachen will. Draußen, auf dem Arbeitsmarkt. „Wenn es in Deutschland nicht klappt, versuche ich in der Türkei als Schauspieler Fuß zu fassen“, sagt er.

Auch Florian gehört zum Projekt. Er ist 31 Jahre alt, ein dünner Kerl mit dunklen Haaren und ausdrucksstarken Augen. Er bringt Erfahrungen mit, hat in der Vergangenheit kleinere Film- und Theaterrollen gespielt. Zuletzt hatte er ein Engagement im Hamburg Dungeon. Auf zwei Jahre befristet. Die stete Unsicherheit, wie es weitergehen sollte, hielt er nicht aus. Florian wurde krank. Die Ärzte diagnostizierten einen Burn-out. Das liegt zwei Jahre zurück. Seitdem kommt er nicht mehr so recht auf die Beine. Jetzt lebt er von Hartz IV. Aber er möchte auf jeden Fall zurück in seinen Beruf. Als die Arge ihm im vergangenen Jahr das Projekt JuMBO ans Herz legte, griff er sofort zu. Seitdem ist er hier. „Die Theaterarbeit bringt Kontinuität in mein Leben“, sagt er. „Ich werde herausgefordert. Und als Schauspieler lernt man bekanntlich nie aus.“ In ein paar Monaten ist auch für ihn bei Mook wat Schluss. Er wird sich eine neue Herausforderung suchen müssen. „Es muss ja nicht gleich die große Hollywood-Rolle sein“, scherzt er. Ein Engagement hat er bereits in der Tasche. Im Dezember wird er am Theater an der Marschnerstraße im Weihnachtsmärchen spielen. Seine Rolle ist das Rentier, das die Geschichte der Schneekönigin erzählen wird.

Regisseur Evgeni Mestetschkin ist gleichzeitig auch „Therapeut“ in der Gruppe. „Jeder hier bringt sein Päckchen mit“, sagt er. Seine Aufgabe sei es, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich die Teilnehmer gegenseitig vertrauen. „Sie sollen sich öffnen, neu entdecken, ihre Kreativität spüren und auf diesem Weg erkennen, dass sie keine Versager sind.“ Mestetschkin weiß, dass es in seinem Projekt weniger darum geht, dass die Teilnehmer auf der großen Bühne landen. „Sondern vielmehr darum, dass sie sich mit sich selbst beschäftigen und den Wert des eigenen Lebens erkennen“, sagt er. „Und dazu gehören nun mal Höhen wie Tiefen.“

Infos bei Claudia Oti, Tel. 414334210, www.jumbo.mookwat.de