Die Telefonseelsorge Hamburg hilft Menschen in Krisen und braucht dringend Verstärkung

„Es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“ Dieses Zitat von Hermann Hesse nimmt Anna B. (Name geändert) gern in den Mund, wenn sie den Sinn ihres Tuns umschreibt. Die 67-Jährige engagiert sich ehrenamtlich in der Telefonseelsorge Hamburg. Sie nimmt sich Zeit, den Anrufern zuzuhören, sich mit dem auseinanderzusetzen, was die Menschen bewegt und umtreibt. Meistens geht es um Themen wie Einsamkeit, wirtschaftliche Not, Arbeitslosigkeit, Hartz IV oder andere schwierige Lebenssituationen. Auch Konflikte mit dem Partner, familiäre Probleme und Suchtverhalten sind Themen, mit denen sie in der Telefonseelsorge konfrontiert wird. Die 67-Jährige hört sich die Sorgen und Nöte an, hält sie mit aus, macht Mut und tröstet. Es ist ihre Aufgabe, den Menschen zuzuhören, sich neben sie zu stellen. Nicht aber, diese zu beraten.

„Oft geht es den Anrufern nach einem Telefonat schon viel besser, weil sie einfach mal jemanden hatten, der ihnen ein Ohr schenkt, ohne das Gesagte gleich zu kommentieren oder zu bewerten“, sagt sie. „Es ist nicht meine Aufgabe, zu urteilen, ob jemand im Recht oder Unrecht ist. Ich gebe keine Tipps, sondern versuche den Anrufer dazu zu bewegen, bei sich anzusetzen.“

Es gehe darum, den Betroffenen zu seinen eigenen Ressourcen zu führen, herauszufinden, was ihm in schwierigen Situationen geholfen hat. Und ihn aus der eigenen Erkenntnis heraus zu stärken.

Es ist auch für die Seelsorgerin nicht immer leicht. Die schwere biografische Hypothek, die manche Menschen mit sich herumtragen, belastet auch sie. Doch sie hat gelernt, damit umzugehen. Und sie bekommt im Rahmen von Supervision in regelmäßigen Abständen Entlastung.

Zweimal im Monat ist sie für vier Stunden im Einsatz. Hinzu kommt einmal im Quartal ein Nachtdienst von acht Stunden. Das Telefon klingelt in dieser Zeit ohne Pause. Wo sie sich für die Telefonate aufhält, darf sie nicht sagen. Auch die Namen der Menschen, mit denen sie in Kontakt ist, bleiben geheim. „Das allerwichtigste ist, dass die Anonymität gewahrt bleibt“, sagt sie. „Nur dann vertrauen sich die Menschen einem wirklich an.“

Angefangen hat Frau B. vor 14 Jahren. Sie suchte damals nach einem Ehrenamt, das sie herausfordert, aber nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Sie wusste, dass sie ein Mensch ist, der gut mit anderen reden kann. Im Hamburger Abendblatt las sie über die Telefonseelsorge Hamburg. Und dass diese dringend neue Mitarbeiter suche. Kurzerhand griff sie zum Telefon und meldete sich zur Ausbildung an. Ein Jahr dauerte der Lehrgang. 190 Stunden wurden Gesprächsführung, Selbsterfahrung, Fachthemen und Strukturen geschult. Zehn Mal musste sie bei erfahrenen Telefonseelsorgern, die im Rahmen der Schulung als Mentoren fungieren, hospitieren. Dann kam ihr erster Einsatz im Beisein der Mentoren. Seitdem ist sie regelmäßig im Einsatz. Das Ehrenamt passe zu ihr, sagt sie. Weil sie jemand sei, der Empathie und Einfühlungsvermögen mitbringe und die Bereitschaft, sich selbst kennenzulernen.

Mehr als 20.000 Anrufe nimmt die Telefonseelsorge Hamburg jährlich entgegen – Tendenz steigend. Etwa 100 Ehrenamtliche teilen sich den Dienst. Doch weil es immer weniger gibt, die bereit sind, sich zeitlich festzulegen, schrumpft die Zahl der Engagierten. Und so werden dringend Menschen gesucht, die sich ehrenamtlich und dauerhaft engagieren möchten.

Für die einjährige Ausbildung im Diakonischen Werk in Altona muss eine Schutzgebühr von 300 Euro gezahlt werden, damit gewährleistet ist, dass die Teilnehmer nicht gleich wieder abspringen. Anna B. kann jedem nur Mut machen, sich zu engagieren. „Weil man eine Menge über sich selbst lernt. Und diese Erkenntnis einen selbst stärker macht.“

Infos über die Telefonseelsorge des Diakonischen Werks gibt es bei Johanna Losch unter Tel. 30620358. Bei der Caritas ist Monika Stein Ansprechpartnerin, Tel. 609432912. Die Telefonseelsorge ist erreichbar unter den gebührenfreien Nummern Tel. 0800/1110111 und 0800/1110222.