Am Freitag wurde der HanseMerkur Preis für Kinderschutz 2012 vergeben. Der Hauptpreisträger aus Willich fördert integrativen Sport. Die Anerkennungspreise gehen an ein Mentorenprojekt und ein Kinderheim in Hamburg sowie ein Jugendinfoportal aus Halle.

Ulrike Bamberg verhehlt nicht, dass sie skeptisch war, als Stephan Adomeitis ihr 2001 vorschlug, ein Sportangebot für behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche zwischen drei und 25 Jahren im TV Schiefbahn 1899 e.V. in Willich-Schiefbahn zu etablieren. Heute jedoch sagt die Vereins-Geschäftsführerin: „Das integrative Angebot ist bei uns so selbstverständlich wie eine Handballabteilung. Und mehr noch, der Verein wird über die Region hinaus für seine Inklusions-Sport-Abteilung anerkannt.“ Das überzeugende Sportprojekt „barrierefreier-integrativer Sport“ ist Hauptpreisträger des HanseMerkur Preises für Kinderschutz 2012 und erhält 20.000 Euro. Für die Jury hat es in der Diskussion um Inklusion einen bundesweiten Vorbildcharakter.

All dies wäre undenkbar ohne das Ehepaar Stephan und Petra Adomeitis, das monatlich bis zu 70 Stunden Ehrenamt in ihr Sportangebot investiert und das inzwischen 130 Kinder und Jugendliche aus dem Großraum Düsseldorf anzieht. Die acht Kurse, die je zu 50 Prozent aus Behinderten und Nichtbehinderten bestehen, gehen von Fußball, Tanz, Turnen bis hin zu Trampolin. Beim Rollstuhl-Basketball erfahren auch nicht behinderte Kinder, die erstmalig in einem Rollstuhl sitzen, spielerisch eine Motorik-Schulung und schärfen ihren Gleichgewichtssinn.

„Die Kinder, die integrativen Sport erlebt haben, werden nie über Behinderte lästern und sich als Teil einer Gesellschaft begreifen“, sagt Stephan Adomeitis, der tagsüber im Innenministerium in Düsseldorf arbeitet. Die Kinder lernen viel voneinander. Die Gesunden üben sich in Geduld, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft. Behinderte lernen viel über den Nachahmungseffekt. Beim Behinderten-Sportverband hat Adomeitis mittlerweile zahlreiche Übungsleiterscheine gemacht, die auf die unterschiedlichen Krankheitsbilder, mit denen er es zu tun hat, zugeschnitten sind. Bei der Donnerstag-Bewegungsgruppe machen zum Beispiel geistig Behinderte ebenso mit wie Rollstuhlfahrer, junge Krebspatienten, Epileptiker, Spastiker oder Kinder mit Herzfehlern. Zudem organisiert das Ehepaar Adomeitis Ausflüge und Ferienfreizeiten. Sein Traum ist es, dass es viele solcher Angebote in Deutschland geben möge. „Doch leider findet man nicht so leicht viele engagierte Übungsleiter, die bereit sind, alle Zusatzqualifikationen zu erwerben“, sagt Ulrike Bamberg.

Anerkennungspreis „Big Brothers Big Sisters Deutschland“, Region Hamburg

Big Brothers Big Sisters Deutschland ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation und Träger der freien Jugendhilfe. Sie fördert benachteiligte Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren in schwierigen Lebensverhältnissen, indem sie ehrenamtlich engagierte Mentoren vermittelt. Ein Junge bekommt einen Mentor (Big Brother), ein Mädchen eine Mentorin (Big Sister). Das „Tandem“ unternimmt rund acht Stunden monatlich für mindestens ein Jahr etwas miteinander.

Die Hamburger Regionalgruppe Big Brothers Big Sisters bekommt einen Anerkennungspreis von 10.000 Euro. Mehr als 200 Tandems gibt es derzeit im Großraum der Hansestadt. Das Gros der Kinder ist zwischen acht und zwölf Jahre alt. „Bei uns erleben viele Kinder erstmals Erwachsene, die ein verlässlicher Ansprechpartner sind“, sagt Tina Klapproth, Leiterin der Regionalgruppe. Die Mentees haben zu 80 Prozent alleinerziehende Mütter, kommen oft aus bildungsfernen Familien, etwa 60 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Ihre Mentoren sind Rollenvorbilder und Mutmacher. Sie schenken ihnen Zeit und Aufmerksamkeit und fördern die sozialen Kompetenzen, je nach Bedürfnissen gezielt im naturwissenschaftlich-technischen, kulturellen oder sprachlichen Bereich. „Ein Mädchen aus Finkenwerder fährt so zum ersten Mal mit ihrer Mentorin über die Köhlbrandbrücke, ein Junge aus Wilhelmsburg entdeckt mit seinem Big Brother, wie es sich im Auto in der Waschanlage anfühlt“, sagt Klapproth, für die die Horizonterweiterung der Kinder im Vordergrund steht. Mentoring stärkt die Eigenverantwortung von Kindern und Jugendlichen und ist bereichernd für alle Beteiligten.

Eine bundesweite Auswertung von mehr als 100 Tandems ergab, dass sich schon nach einem Jahr Mentoring bei 68 Prozent der Kinder die schulischen Leistungen verbesserten und bei 61 Prozent die Sprachkompetenz.

Anerkennungspreis Förderkreis Erlenbusch e. V., Hamburg

Im Stadtteil Volksdorf liegt das Heim „Erlenbusch“ der Martha-Stiftung für 43 Kinder mit schwersten Mehrfachbehinderungen. Im Jahr 2002 wurde der Förderkreis Erlenbusch e. V. gegründet, der einen Anerkennungspreis mit 10.000 Euro erhält.

Im Förderkreis sammeln 60 Ehrenamtliche Spenden für eine liebevolle Betreuung und spezielle Förderung der Kinder, die über die von der Sozialbehörde garantierte Grundversorgung hinausgeht. Die Initiatoren nennen dies „Geld für Zeit“. Denn leider können Ehrenamtliche schwerstbehinderte Kinder nicht betreuen. Fachpersonal muss finanziert werden. Anna King, deren behinderte Tochter im Erlenbusch lebt, ist Erste Vorsitzende des Förderkreises Erlenbusch e.V. „Wir tragen dazu bei, dass das Heim ein richtiges Zuhause für die Kinder wird und Herzenswünsche erfüllt werden können, die auch jedes gesunde Kind hat“. Denn mit den Kindern im Sommer zum Eis-Essen zu gehen, ist keine 10-Minuten-Angelegenheit. Hier muss ein Transport organisiert und ein Vollbetreuer gestellt werden, damit der im „Erlenbusch“ angestellte Hauptamtliche nicht während des Ausflugs an anderer Stelle fehlt. Und so kämpft der Förderverein für die sogenannten „Sahnehäubchen“: Betreuung für die Extrastunde Kuscheln, die Gutenachtgeschichte vor dem Schlafengehen, eine Reitstunde auf dem Lieblingspferd oder ein paar Ferientage auf dem Bauernhof.

Anerkennungspreis Jugendinfoportal Youthpool, Halle

Der dritte Anerkennungspreis mit 10.000 Euro geht an „Youthpool“, das Jugendinfoportal der Stadt Halle, das 2001 gegründet wurde. Es wird von Jugendlichen für Jugendliche gestaltet und von einer Medien- und Sozialpädagogin geleitet. Neun ehrenamtliche Redakteure im Alter zwischen neun und 27 Jahren treffen sich einmal wöchentlich, um die Themen für die nächste Woche zu beraten. Ihre Beiträge reichen von CD- und Spiele-Besprechungen über Konzert- und Filmkritiken bis hin zu politischen Lokalberichten.

Youthpool ist eine nichtkommerzielle und professionell gestaltete Online-Plattform, die Kindern und Jugendlichen einen Erfahrungs- und Informationsaustausch sowie Orientierung bietet – weit über die Grenzen der Stadt Halle hinaus. „Bei Youthpool erleben die Kinder Gemeinschaft, werden selbstständiger und arbeiten journalistisch“, sagt Kerstin Masur vom Caritasverband.

Täglich gibt es bis zu 1600 Zugriffe auf die Website, aus der sich bereits weitere Portale entwickelt haben wie Schulpool, das Portal zur engeren Vernetzung von Schule und Jugendhilfe in Halle sowie Familienpool, das Infoportal für Familien in der Händelstadt. Der Caritasverband ist der Projektträger aller drei Internet-Angebote.