Seine Frau war plötzlich weg, mit den Kindern. Roland Arndt musste um die Söhne kämpfen. Seine Geschichte hat er zu einem Roman verarbeitet.Von Regina Gasper

Dieser Mann hat keine Scheu, das Wort „Liebe“ in den Mund zu nehmen. Roland Arndt ist ein liebender Mensch, immer noch. Auch nach mehreren Jahren Kampf um seine Söhne, nach einem entwürdigenden Gang durch die Gerichtsinstanzen, den er gar nicht gewollt hat.

„Liebe“, sagt der 62-Jährige, „ist das stärkste Gefühl, es trägt mich.“ Darum hat er auch sein Buch so betitelt, einen Roman, in dem er seine persönliche Geschichte verarbeitet („Liebe ist stärker als ein Weltuntergang“).

Es ist eine schier unglaubliche Geschichte, spannend wie ein Krimi und hochemotional geschrieben. „Es ist meine Geschichte, ja“, bestätigt der Autor, „wenn auch in den Details verändert und hier und da mit anderen Vätergeschichten gekreuzt. Ich möchte niemandem schaden und auch nicht mehr vor Gericht stehen.“

Roland Arndt sagt das alles ganz sanft und ruhig. Dabei ist der Albtraum noch frisch, die Wunden gerade mal zugeheilt. Eines Abends kommt Arndt, der als selbstständiger Coach und Trainer arbeitet, von einem mehrtägigen Seminar nach Hause. Er freut sich schon auf das Wiedersehen mit seiner Frau und den beiden Söhnen. Doch irgendetwas stimmt nicht: Das Auto parkt nicht vor dem Haus, drinnen ist es dunkel. Aus dem mulmigen Gefühl wird rasch Gewissheit: Seine Frau ist weg. Und sie hat die Jungen mitgenommen. Im Flur ein schäbiger Zettel: „Ich kann nicht mehr und geh mit den Kindern. Ich melde mich.“ Roland Arndt zieht es in diesem Moment den Boden unter den Füßen weg. „Ich fühlte mich völlig fertig. Wie in einem schlechten Film.“

Wie kann das passieren – ohne die leisesten Anzeichen, ohne Vorahnung, ohne Streit? „Ich tappe bis heute im Dunkeln“, sagt Roland Arndt. „Ich vermute, sie hat in den Jahren davor die Liebe zu mir verloren. Oder ein anderer Mann war schon im Spiel.“ Eine einseitige Entwicklung: „Meine Ex-Frau war meine große Liebe“, sagt er, „ich habe ihr bedingungslos vertraut.“

Was danach folgt, sollte das Trauma jenes Abends noch übersteigen: Arndt hat keine Adresse seiner Frau, keine gültige Telefonnummer, Schwiegereltern und Freundinnen geben sich verschlossen. Die nächsten Monate ziehen wie ein dunkler Schleier vorüber.

Seine Söhne, neun und elf Jahre alt, sieht er erst bei einem entwürdigenden Termin auf dem Jugendamt wieder: 60 Minuten und keine Sekunde länger – unter Aufsicht einer Mitarbeiterin. Die Kinder sind verstört, verstehen nicht, warum die Eltern so plötzlich getrennt sind und warum sie nichts mehr zusammen unternehmen können. Arndt gerät in die Mühlen von Frauen, deren Feindbild feststeht, von Anwältinnen, von Jugendamt und Justiz. Was auch immer seine Frau den Behörden gegenüber behauptete – sie setzte damit jedenfalls eine Lawine in Gang, die jeden Gesprächsversuch begrub. Für Arndt, den Kommunikationsprofi, ein kaum erträglicher Zustand. „Hätten wir nur reden können“, sagt er leise, „wir hätten doch alles besprechen können.“

Roland Arndt schreibt lange Briefe: an seine Frau, ans Gericht, ans Jugendamt. Legt seine Gefühle offen, sein Seelenleben. „Damit habe ich meine Abende verbracht.“ Doch niemand reagiert; seine Frau gibt später zu, die Briefe nie geöffnet zu haben. Arndt beginnt, seine Geschehnisse niederzuschreiben – als Therapie, als Tagebuch, „ich weiß es nicht genau“. Später wird genau das die Grundlage zu seinem Roman.

Tagsüber muss Roland Arndt arbeiten, seine Seminare halten, vor Managern stehen und sie coachen, auch Sachbücher schreibt er weiterhin. „Manchmal hatte ich gar keine Kraft mehr“, sagt er. „Aber ich glaube nicht, dass das jemand mitbekommen hat.“ Er will stark sein, für seine Söhne. Dann der nächste Tiefschlag: Seine Frau erkämpft das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder – meldet sie ungefragt auf einer anderen Schule an. Das Absurde ist: Die Söhne wollen ganz beim Vater leben und gar nicht bei der Mutter, die kaum Zeit für sie hat und zudem einen neuen Freund. Die Situation eskaliert an einem Abend, als sich die Söhne mit Händen und Füßen wehren, zurück zur Mutter gebracht zu werden. „Es hat mich zerrissen“, sagt Arndt.

Er gibt nicht auf, und seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass die Sache beim Oberlandesgericht erneut verhandelt wird. Und diesmal hat er einen verständigen Richter, jemanden, der die Unterlagen liest und sich ein Bild macht abseits der üblichen Vorurteile. „Zum ersten Mal hat man mir zugehört“, sagt Roland Arndt. „Das alles wäre auch ohne Gericht gegangen“, sagt er mit Bedauern. „Aber wenn eine Seite partout nicht reden will, können Sie nichts tun.“ Dabei seien keineswegs, stellt er klar, die Frauen grundsätzlich die Bösen – beide Geschlechter seien aus Egoismus zu den unglaublichsten Lügen fähig. Viele Männer haben ihn seit Erscheinen seines Buchs angesprochen. Er hat ihnen aus der Seele gesprochen, einige ermutigt, nicht zu schnell die Flinte ins Korn zu werfen, wenn es um das Sorgerecht und die Besuchsregelung für die Kinder geht.

„Man darf nicht emotional überreagieren, sondern muss klar und überlegt seine Ziele verfolgen.“ Jedes Schlechte habe tatsächlich sein Gutes, irgendwann.

In all der Zeit war Arndt selbst nie richtig wütend, sondern zutiefst traurig. „Ich bin nicht verbittert. Ich wünsche meiner Ex-Frau wirklich alles Gute. Auch weil wir beide das Sorgerecht für unsere gemeinsamen Söhne teilen.“

Wirtschaftlich muss der Unternehmensberater heute bei null anfangen. Und doch gibt es ein Happy End: Er hat erneut geheiratet. Und seinen Söhnen, die seit über zweieinhalb Jahren wieder bei ihm wohnen, geht es richtig gut. Sie haben die aufreibenden Zeiten anscheinend unbeschädigt überstanden. Und wie? Roland Arndt muss lächeln. „Ich habe sie immer bedingungslos geliebt!“

Buchtipp: Roland Arndt: „Liebe ist stärker als ein Weltuntergang“. Verlag Weckel Media, 260 Seiten; 18,90 Euro.

Informationen und Unterstützung für Väter gibt es beim Verein „Väteraufbruch für Kinder e.V.“, www.vaeteraufbruch.de. Selbsthilfegruppen in der Metropolregion Hamburg sind unter folgender Hotline zu erreichen: Tel. 87085377.