Eine chronische Erkrankung minderte das Hörvermögen der drei Kinder. Die Krankenkasse übernahm die Kosten nicht. “Kinder helfen Kindern“ sprang ein.

Als Kevin drei Jahre alt war und festgestellt wurde, dass er schlecht hören kann, sagten die Ärzte zu seinen Eltern: "Wenn der Junge sieben ist, hört das Problem auf." Als er sieben war, hieß es, wenn er in die Pubertät kommt, ist es vorbei. Jetzt ist Kevin 13, hat 30 Operationen hinter sich und sein Hörvermögen beträgt noch 70 Prozent. Seine Schwester Laura-Jane (10) ist ebenfalls schon ein Dutzend Mal an den Ohren operiert worden, seine Schwester Sandy (7) siebenmal. Die Geschwister aus Eidelstedt leiden unter dem sogenannten Cholesteatom, einer chronischen Knocheneiterung im Ohr.

Ihre Eltern, Doris und Thomas Willig, haben eine beispiellose Odyssee durch Wartezimmer und Krankenhäuser hinter sich und kämpfen seit Jahren mit Medizinern, Lehrern, Krankenkassen und Vereinen nur um eines: "Um das Recht unserer Kinder, ganz normal am Leben teilnehmen zu können."

Aber wie soll das gehen, wenn man die Welt nur eingeschränkt wahrnehmen kann? "Wenn Sie immer so hören, als wären Sie mit dem Kopf unter Wasser", sagt Doris Willig. Wenn sie zum wiederholten Mal zu den Lehrern gehen muss, um diese zu fragen: "Warum haben Sie mein Kind denn wieder nach hinten gesetzt, da bekommt es doch gar nichts mit?"

Denn die Kinder gehen ganz unterschiedlich mit ihrer Krankheit um. Während Laura-Jane sich eher zurückzieht und, bevor sie etwas Falsches sagt, lieber schweigt, ist Sandy ganz anders: "Die schreit das raus." Menschen, die schwer hören, sagt Doris Willig, "die reden nämlich nicht mit Ihnen, die schreien Sie an."

Aber ob sie nun leise sind oder laut, sich verkriechen oder rumpoltern, immer sind sie auffällig. "Die Kinder werden zu Außenseitern, sie werden gehänselt, von manchen Lehrern nicht ernst genommen, dazu kommen die vielen Fehlzeiten. Sie müssen seelisch enorm viel durchmachen", sagt Thomas Willig.

Auch die ständige Angst, dass sich die Krankheit verschlimmern könnte, belastet die Familie. Im März litt Kevin unter Kopfschmerzen, hohem Fieber und Halluzinationen. Im Universitätskrankenhaus Eppendorf, in dem die Kinder seit 2002 regelmäßig operiert worden waren, ging zu der Zeit offenbar alles drunter und drüber. "Die gesamten Akten meiner Kinder waren verschwunden", sagt Doris Willig. "Ich wurde immer wieder vertröstet, sollte Kevin mit Nasentropfen behandeln, obwohl zwei Hals-Nasen-Ohren-Ärzte dringend zu einer Operation rieten."

Das UKE hat sich später bei Familie Willig entschuldigt, das Archivierungssystem sei umgestellt worden und gerade in den ersten Wochen nach dem Umzug habe ein erhebliches Problem im OP-Ablauf bestanden.

Doris Willig fand schließlich Aufnahme im Krankenhaus St. Georg, in dem Kevin sofort operiert wurde. Bei einem unbehandelten Cholesteatom kann die Entzündung in andere Bereiche des Ohres vordringen und im schlimmsten Fall sogar die Hirnhäute (Meningitis) erfassen. Bei Kevin konnte der Arzt die Gehörknöchelchen erhalten, musste aber einen Geschmacksnerv durchtrennen.

Da die Krankheit - theoretisch - durch Operationen geheilt werden kann, ist die Beteiligung der Krankenkassen an Hörhilfen "gleich null", sagt Thomas Willig.

Und so mussten die Eltern wieder für ihre Kinder kämpfen. Sie fanden in Kerstin Bedranowsky eine engagierte Mitstreiterin. Die Lehrerin von Laura-Jane in der 4 b der Grundschule Rungwisch wandte sich an das Abendblatt und fragte beim Verein "Kinder helfen Kindern" an, ob es nicht möglich wäre, den drei Geschwistern jeweils Hörgeräte in Handygröße zu finanzieren, mit denen sie zukünftig jeden in der Klasse gut verstehen und wieder aktiv am Unterricht teilnehmen könnten.

Als die Kinder die Zusage bekamen, dass der Verein "Kinder helfen Kindern", ihre Hörgeräte finanzieren wird, sind sie "vor Freude an die Decke gesprungen", sagt Doris Willig. "Wir waren in den letzten Jahren so oft am Boden, haben manchmal nur noch geheult. Dass uns jetzt einfach mal geholfen wird, tut unglaublich gut." Und es ist eine Ermutigung für andere, dass es sich lohnt zu kämpfen. Vor allem für seine Kinder.