Die Ebola-Epidemie in Westafrika schien bereits eingedämmt: Doch nun ist das Virus außer Kontrolle geraten. Die Helfer sind völlig überfordert. Warum schlagen die Gegenmaßnahmen nicht an?

Schon der Name „Ebola“ reicht aus, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Das Virus ist aggressiv: Die Symptome der Erkrankten wie innere und äußere Blutungen können je nach Erreger bei bis zu 90 Prozent der Infizierten zum Tod führen.

Jetzt warnen Experten, die jüngste Ebola-Epidemie in mehreren Ländern Westafrikas sei außer Kontrolle geraten. Ein Grund ist, dass die Menschen in den teilweise sehr abgelegenen Regionen sich der Gefahr nicht bewusst sind und den häufig in futuristische Schutzanzüge gehüllten Ärzten nicht vertrauen.

„Das Virus breitet sich in den drei Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia – darunter auch in der Hauptstadt Monrovia – immer weiter aus“, sagt Bart Janssens, der Programmverantwortliche der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Mittlerweile gibt es 40 verschiedene Orte mit Ebola-Fällen.“

Laut den neusten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in den drei westafrikanischen Ländern seit Jahresbeginn 567 Fälle von hämorrhagischem Fieber registriert, wobei in 385 Fällen bestätigt wurde, dass die Erkrankung auf das Ebola-Virus zurückging.

Insgesamt wurden 350 Todesfälle gezählt, was einer Sterblichkeitsrate von knapp 62 Prozent entspricht. Am stärksten betroffen ist Guinea, wo die Epidemie begann. MSF hat eigenen Angaben zufolge knapp 300 Spezialisten im Einsatz und hat seit März 470 Kranke behandelt, darunter 215, bei denen Ebola bestätigt wurde.

Das hat es zuvor noch nie gegeben: Als Ebola 1976 im damaligen Zaire, dem heutigen Kongo, auftauchte, kam es zur bis heute schlimmsten erfassten Epidemie: Von 318 Patienten starben damals 280. Seither taucht das Virus immer wieder in entlegenen Dörfern Afrikas in der Nähe von Regenwäldern auf – kann aber normalerweise recht schnell eingedämmt werden.

Warum schlagen die Maßnahmen nicht an?

Warum also schlagen die Maßnahmen – darunter die Isolation der Kranken und kontrollierte Beerdigungen – diesmal in Westafrika nicht an? „Das Problem ist ja, dass weiterhin Kranke versteckt werden und Skepsis gegenüber den Gegenmaßnahmen herrscht“, sagt Fabian Leendertz vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin.

„Wir haben keine Erfahrung mit solchen Ausbrüchen in Westafrika, die Situation ist einfach anders, wir müssen erst einmal die Menschen verstehen und entschlüsseln, wie wir sie überzeugt bekommen, dass die richtigen und guten Gegenmaßnahmen von Organisationen vor Ort ihr Leben retten werden.“ Dabei sei es wichtig, auch Anthropologen mit einzubinden.

Ein weiteres Problem sei die breite geografische Verbreitung, betont der Experte: „Das macht die Kontrolle der Epidemie und das Verstehen von Ängsten natürlich sehr schwer. Meist waren solche Ausbrüche auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt“.

Ein besonderes Risiko sind Begräbnisse

Ein besonderes Risiko für die Bevölkerung sind die Begräbnisse. „Das Virus breitet sich durch den direkten Kontakt mit einem infizierten Menschen aus“, sagt der Gesundheitschef des Kinderhilfswerks Unicef in der Region, Maurice Hours.

„Freunde und Angehörige der Opfer, die an Beerdigungen teilnehmen, können sich anstecken – etwa, wenn sie den Körper des Toten berühren oder andere Menschen anfassen, die die Leiche berührt haben, ohne sich anschließend die Hände zu waschen.“

Die Krankheit grassiert bereits seit März. Jedoch hatte die Epidemie in den vergangenen Wochen kaum noch Schlagzeilen gemacht. Fast schien es, als sei sie besiegt. Warum kam es zu einer zweiten heftigen Ebola-Welle?

„Meiner Meinung nach war die Epidemie nie vorbei“, sagt Leendertz. „Leider ist die Situation so unübersichtlich und das Virus schon so weit verbreitet, dass eben einige Fälle unentdeckt blieben.“ Jeder infektiöse Mensch berge ein großes Risiko für andere: Ein einzelner Infizierter reiche, um die Epidemie neu zu entfachen.

Menschen reisen zwischen den Ländern hin und her

Hinzu komme, dass die Bewohner der Region häufig zwischen den drei Ländern hin und her reisen, sagt Bart Janssens von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Deshalb sei etwa die Region rund um die Stadt Gueckedou im Süden Guineas – ein Drehkreuz des Handels mit Sierra Leone und Liberia – besonders betroffen.

„Es handelt sich ganz klar um eine neue Phase der gleichen Epidemie und nicht um eine neue Ansteckung aus dem Tierreich“, erläutert Janssens. Ein Ebola-Ausbruch erfolgt zunächst über infizierte oder tote Tiere, darunter vor allem Affen – etwa, wenn diese gegessen werden.

Die Helfer tun derweil ihr Bestes, um den Betroffenen zu helfen. Unicef stellt den Gesundheitsbehörden Sanitätsartikel, Schutzmaterial und Medikamente zur Verfügung.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen versorgen Ebola-Patienten in fünf Behandlungszentren in Guinea und Sierra Leone. Die Mitarbeiter hätten aber Schwierigkeiten, auf die große Zahl neuer Fälle und neuer Herde zu reagieren.

Für seine Organisation seien die Möglichkeiten zu helfen erschöpft. „Wir haben unsere Grenzen erreicht“, so Janssens. Trotz der Hilfskräfte und der Ausrüstung, welche die Ärzte ohne Grenzen in den drei betroffenen Ländern einsetzten, sei es nicht mehr möglich, weitere Hilfsteams zu den Orten zu schicken, an denen neue Fälle gemeldet worden seien.

Ebola-Epidemie erreicht beispielloses Ausmaß

Die Epidemie könne nur durch massive Anstrengungen aller Beteiligten eingedämmt werden, teilte MSF mit. Die Regierungen der betroffenen Länder und andere Hilfsorganisationen müssten alle zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen.

Das Ausmaß der aktuellen Ebola-Epidemie sei beispiellos, was die geografische Verbreitung, die Zahl der infizierten Menschen und die Todesfälle betreffe. Ebola sei nicht mehr nur ein Problem für Guinea, erklärte die Organisation. „Es betrifft ganz Westafrika.“

Ebola wird durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Infizierte leiden an Fieber, Muskelschmerzen, Durchfall sowie in heftigen Fällen an inneren Blutungen und Organversagen. Bei manchen Erregertypen verläuft die Seuche in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich. Bis heute gibt es weder Impfungs- noch Therapiemöglichkeiten.

Die Zeit, bis nach einer Infektion mit dem Virus die ersten Symptome auftreten, kann zwischen drei und 21 Tagen liegen – deshalb fällt es Seuchenexperten schwer, die Quelle der Infektion zu lokalisieren.

Mediziner können nur die Symptome lindern

Patienten werden von Pflegern in Schutzanzügen behandelt. Weil es keine Heilmittel gibt, können Mediziner nur noch die Symptome lindern. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist nach Angaben von Experten nur über direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten möglich.

Ebola kann allerdings nur in Labortests nachgewiesen werden – das erschwert den Kampf gegen die Ausbreitung. Viele andere Krankheiten haben ähnliche Symptome.

Zu den ersten nachgewiesenen Ausbrüchen der Ebola kam es laut WHO 1976 im Sudan und in Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Im Jahr 2000 meldete Uganda die bisher größte Epidemie, die sich über weitere Länder ausbreitete. Mehr als 1000 Menschen starben. Als Träger der Viren gelten Fledermäuse, Nagetiere, Gorillas und Antilopen.