Heute gehen die Verhandlungen der schwarz-grünen Koalition und der Volksinitiative in die vierte Runde - mit neuen Vorschlägen.

Hamburg. Offiziell ging zuletzt nicht viel bei den Verhandlungen über die Schulreform zwischen der schwarz-grünen Koalition und der Volksinitiative "Wir wollen lernen". Doch in den Stunden vor dem heutigen vierten Treffen im Rathaus herrschte reger Kontakt auf den inoffiziellen Kanälen zwischen beiden Seiten einerseits und zu neutralen Dritten andererseits. Da wurden - ganz diskret - Schmerzgrenzen ausgelotet und neue Varianten von Kompromisslinien erörtert. Ist eine Lösung im Streit um die Primarschule doch noch möglich?

Nach Informationen des Abendblatts gehen beide Seiten in das heutige Gespräch mit neuen Vorschlägen. Schwarz-Grün signalisierte danach Bereitschaft, noch einmal über die Zusammensetzung der unabhängigen Experten-Kommission zu sprechen. Der Senat müsse nicht zwingend den Vorsitzenden stellen. Vorstellbar sei, so ist jetzt aus schwarz-grünen Verhandlungskreisen zu hören, auch ein neutraler, von beiden Seiten akzeptierter Vorsitzender. Der Unternehmer Michael Otto, der im Vorfeld als Moderator des Schulstreits tätig war, soll aber schon abgewinkt haben. Die Experten-Kommission soll im Falle einer Einigung die Einführung der Primarschule wissenschaftlich begleiten und den Prozess stoppen können, falls wichtige Rahmenbedingungen nicht erfüllt sind. Die Volksinitiative will außerdem, dass die Kommission auch die Schülerleistungen unter die Lupe nimmt.

Auch die Initiative wird nachlegen. Nach Informationen des Abendblatts will die Gruppe um Rechtsanwalt Walter Scheuerl bei zwei Punkten Beweglichkeit beweisen. Dabei könnte es etwa um die Zeitdauer der wissenschaftlichen Begleitung gehen. Nach dem Vorschlag der Initiative soll eine Entscheidung über die Einführung der Primarschule als Regelschule erst nach der wissenschaftlichen Evaluation erfolgen. Bislang hatte die Scheuerl-Gruppe einen Zeitraum von sechs Jahren vorgeschlagen, was Schwarz-Grün viel zu lang ist. Nun soll die Initiative bereit sein, die Zeit deutlich zu verkürzen.

Doch in dem zentralen Streitpunkt gibt es nach wie vor keine Annäherung: Der Senat beharrt auf der verbindlichen Einführung der Primarschule, während für die Volksinitiative das Prinzip der Freiwilligkeit unverzichtbar bleibt. Doch nicht alle Christdemokraten sind auf Koalitionslinie. "Wenn es einen Kompromiss geben kann, dann kann er nur das Nebeneinander von vier- und sechsjährigen Primarschulen sein", sagt Ex-Schul-Staatsrat Reinhard Behrens, Mitglied im CDU-Landesfachausschuss Bildung. Die Primarschule habe dann die Chance, "sich gegenüber Eltern und Qualitätsfeststellern zu beweisen und immer mehr Anhänger zu finden". Zuvor hatten sich bereits der CDU-Schulexperte Robert Heinemann und die Altonaer CDU-Vizechefin Karin Prien für das Prinzip der Freiwilligkeit ausgesprochen.

SPD-Landeschef Olaf Scholz forderte gestern erneut beide Seiten zu "großen Schritten zu einem Konsens hin" auf. "Für uns ist klar, dass eine Entscheidung über die Schulreform nicht auf eine spätere Legislaturperiode vertagt werden darf", sagte Scholz an die Adresse der Initiative gerichtet. "Mit einem Scheitern der Gespräche ist niemandem gedient", sagte Bischöfin Maria Jepsen. Wenn der Volksentscheid komme, bleibe die Stadt in dieser Frage tief gespalten. Unterdessen bereitet Schwarz-Grün für die Bürgerschaftssitzung am kommenden Mittwoch einen Antrag auf Änderung des Schulgesetzes vor, der das Elternwahlrecht nach Klasse sechs und die Einrichtung eines Sonderausschusses anstelle der unabhängigen Experten-Kommission enthält. Sollte es doch noch zu einer Einigung mit der Initiative kommen, würden die ausgehandelten Punkte nachgereicht.