Es wird spannend: Morgen kommen die Vertreter des Senats und der Volksinitiative zur entscheidenden dritten Sitzung zusammen.

Hamburg. Es ist voraussichtlich das entscheidende Treffen: Wenn die Delegationen der schwarz-grünen Koalition und der Volksinitiative "Wir wollen lernen" morgen Vormittag zum dritten Mal im schmucklosen Raum 186 des Rathauses zusammenkommen, dann sind nur zwei Varianten möglich: Entweder die beiden Fraktionsvorsitzenden Frank Schira (CDU) und Jens Kerstan (GAL) sowie Initiativensprecher Walter Scheuerl können danach einen Durchbruch zu einem Kompromiss in der Schulreform verkünden, oder sie müssen das Scheitern ihrer Bemühungen eingestehen.

In der heißen Phase des Ringens um eine Lösung hat sich nun der Druck, zu einer Einigung zu kommen, weiter erhöht: Handelskammer-Präses Frank Horch appelliert an Senat und Initiative, "alle Möglichkeiten zur Findung eines guten Kompromisses" auszuloten. Wie der Kompromiss aussehen könnte, verschweigt Horch nicht. "Wenn der Senat nachvollziehbar die Voraussetzungen für eine Individualisierung des Unterrichts und für verschiedene Profilbildungen in den Klassenstufen fünf und sechs schafft, dann halte ich das Stufenmodell von Herrn Dr. Otto für sehr zustimmungsfähig aus Sicht der Hamburger Eltern", sagt der Kammer-Präses.

Im Klartext bedeutet das: Horchs Votum erhöht vor allem den Druck auf die Initiative. Denn der Vorschlag des als Moderator eingesetzten Unternehmers Michael Otto ist von der schwarz-grünen Koalition übernommen worden. Das Kompromissangebot sieht die stufenweise flächendeckende Einführung der Primarschule vor, vorausgesetzt, fest definierte Qualitätsstandards an den Schulen werden nachweisbar erfüllt. Wenn das Otto-Modell akzeptiert würde, so Horch, dann "müsste man nicht auf Freiwilligkeit bei der Umsetzung beharren". Genau dies ist aber bislang die Position der Reformgegner: Die Initiative um Rechtsanwalt Walter Scheuerl hatte angeboten, die Primarschule an 50 Standorten auf freiwilliger Basis einzuführen.

Was der Stimme Horchs besonderes Gewicht verleiht, ist die Tatsache, dass der Kammer-Präses der Parteinahme für den Senat völlig unverdächtig ist. Im Gegenteil: Die Handelskammer hatte frühzeitig ihre erheblichen Bedenken gegen die sechsjährige Primarschule geäußert. Noch im August 2009 hatte Horch Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) indirekt aufgefordert, die Primarschulpläne zurückzustellen. Den Schulen werde mit der Einführung des Zwei-Säulen-Modells bereits genug zugemutet: Im kommenden Schuljahr sollen die Stadtteilschulen, die aus Gesamt-, Haupt- und Realschulen hervorgehen, als zweiter Weg zum Abitur neben dem Gymnasium starten.

Wie einflussreich die Stimme der Handelskammer ist, hatte sich bereits zum Jahreswechsel 2008/2009 gezeigt. Damals hatte Horch das seiner Ansicht viel zu hohe Reformtempo attackiert. Prompt verschob Goetsch die ursprünglich schon für das kommende Schuljahr geplante flächendeckende Einführung der Primarschule um ein Jahr. Zum Jahreswechsel 2009/2010 hatte der Kammer-Präses dann aber einen Vier-Punkte-Plan für einen Schulfrieden vorgestellt, dessen Kern er jetzt aufgegriffen hat.

ERGEBNISSE AKTUELLER UMFRAGEN ZUR SCHULREFORM

Während sich Schwarz-Grün gegenüber den Vorschlägen der Handelskammer also stets "aufgeschlossen" zeigte - schließlich geht es um einen wichtigen potenziellen Bündnispartner -, gelten für die Volksinitiative andere Maßstäbe. Deren Sprecher Scheuerl betont stets, dass er und seine Mitstreiter nur ein Mandat zur Durchsetzung der unmittelbaren Ziele der Initiative hätten: keine flächendeckende Einführung der Primarschule und Fortbestand des Elternwahlrechts nach Klasse vier.

Doch auch hier versucht Horch eine Brücke zu bauen. Er fordert den Senat auf, "seine Zustimmung zu einer wirklich unabhängigen Evaluierung der Stufen der Einführung der Primarschulen zu geben". Zuletzt hatte Schwarz-Grün der Initiative die Einrichtung eines Sonderausschusses der Bürgerschaft angeboten, der über die Qualitätsstandards wachen solle. Das ist für Scheuerl nicht akzeptabel, weil die Initiative dann außen vor wäre. Horch schwebt ein externes Gremium zur Überwachung der Reformschritte vor - unter Beteiligung der Initiative. Scheuerl wird darauf bestehen, dass eine "Notbremse" eingebaut wird. Es muss möglich sein, den Reformprozess zu stoppen, wenn vorab definierte Bedingungen nicht eingehalten werden. Wenn überhaupt, dann liegt hier der Schlüssel zu einem Kompromiss im Schulstreit.