Gymnasiast erlebt einen Tag im Leben des Polsterhändlers Robert Kabs. Der 17-Jährige fand es stressig, offenbar aber auch interessant.

Hamburg. Er zögert einen Augenblick, dann setzt Hratschia Episkoposian (17) sich auf den großen schwarzen Ledersessel im Büro von Robert Kabs. "Fühlt sich gut an", sagt der Gymnasiast aus Billstedt und guckt auf den vollen Schreibtisch vor sich. "Aber ich habe auch ein bisschen Respekt." Im Rahmen des Projekts "Schüler im Chefsessel" begleitet der Elftklässler einen Tag lang den Hamburger Möbelunternehmer. Und merkt schnell: "Es ist viel, was als Chef auf einen zukommt. Ganz schön stressig."

Punkt 8.30 Uhr beginnt der Arbeitstag für Schüler und Firmenchef in dem nüchternen Zweckbau von Kabs Polsterwelt in Billwerder. Nach einer kurzen Einführung geht es sofort los: Meetings im Stundentakt mit den Leuten vom Online-Portal, Marketingabteilung und Geschäftsführungsassistenz. "Eben ein ganz normaler Vormittag", sagt Robert Kabs (36), der seit 17 Jahren mit seinem Bruder den stark expandierenden Polstermöbelhandel mit 200 Mitarbeitern führt. Im Schnelldurchgang führt der umtriebige Geschäftsmann, der inzwischen als weiteren Geschäftszweig ein Internet-Shopping-Portal gegründet hat, seinen jungen Besucher durch alle Abteilungen, inklusive Lager und Verladerampe. "Es geht mir darum, ein wirklichkeitsnahes Bild vom Unternehmertum zu vermitteln", sagt Kabs.

Er ist Mitglied im bundesweiten Verband Die Jungen Unternehmer (BJU), die die Aktion "Schüler im Chefsessel" schon seit 1980 durchführt. "Das Thema Unternehmertum wird in den Schulen nicht vermittelt", sagt Projektleiterin Judith Schaefer. Viele Schüler hätten immer noch das Klischee des Zigarre rauchenden Bosses im Kopf, der viel Geld verdient. "Wir wollen ihnen die Chance geben, Unternehmer-alltag live zu erleben." Denn: Deutschland hat zu wenige Unternehmer. Die Selbstständigenrate von 10,4 Prozent liegt unter dem EU-Schnitt von fast 13 Prozent. "Wir wollen den Unterschied zwischen angestellten Managern und haftenden Unternehmern klarmachen und die Jugendlichen inspirieren, vielleicht später selbst mal ein Unternehmen zu gründen", sagt Jan Heinze, Hamburger BJU-Vorstandsmitglied und Inhaber der Technischen Fachschulen Heinze.

Die Aktion startet jedes Jahr nach den Sommerferien mit Besuchen von Unternehmern in Schulklassen. Danach können sich Schüler für einen "Tag im Chefsessel" bewerben. Zur Auswertung schreiben sie einen Aufsatz, der in einem Wettbewerb bis zur Bundesprämierung in Berlin führen kann. Bundesweit haben sich seit 1980 mehr als 2000 Schüler beteiligt. In Hamburg nehmen in diesem Jahr 22 Jugendliche bei 15 Unternehmern im Chefsessel Platz.

"Ich dachte immer, ein Chef fällt seine Entscheidungen im Büro, mehr oder weniger losgelöst.", sagt Hratschia, der vor zwölf Jahren mit seinen Eltern aus Armenien nach Deutschland kam. "Das ist aber ganz anders." Unternehmer Kabs habe über alle Vorgänge im Haus genau Bescheid gewusst, sei ständig mit seinen Mitarbeitern in Kontakt und bemühe sich, konkrete Probleme zu lösen. Egal, ob es um die neuesten Zugriffszahlen der Online-Vermarktung geht oder um Probleme bei der Lkw-Verladung. "Ich finde es sehr beeindruckend, um was er sich alles selbst kümmert."

Wie ein Schatten folgt der Schüler vom Gymnasium Osterbek in Bramfeld an diesem Tag dem Firmenboss. Zusammen nehmen sie an einem Workshop zur Prozessoptimierung teil. Eifrig schreibt Hratschia mit, zeichnet in seiner Arbeitsgruppe ein Ablaufdiagramm. "Ich hatte damit noch nie etwas zu tun, aber es ist sehr interessant." Zum Schluss nimmt ihn Robert Kabs noch mit zu einem Besuch in der Wandsbeker Filiale. Zusammen gehen sie durch die Ausstellung. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um Sofas und Sessel, sondern um die Zukunft des Oberstufenschülers. "Ich weiß noch nicht, was ich nach Schule machen will", sagt er. "Aber ich könnte mir vorstellen, eine Firma zu leiten."

Während Hratschia nach acht Stunden ziemlich müde nach Hause geht, ist für Unternehmer Kabs an diesem Tag noch lange nicht Schluss. Er setzt sich in seinen nagelneuen BMW und macht sich auf den Weg zurück ins Büro. "Ich fahre gern große und schnelle Wagen", sagt er, "das ist ein Vorurteil gegenüber Unternehmern, das ich bediene."