Beleidigungen sind verboten, um Gewaltbereitschaft einzudämmen: Förderschule Sieker Landstraße in Rahlstedt schließt pöbelnde Schüler vom Unterricht aus. Jetzt sinkt die Zahl der Verstöße deutlich.

Ausdrücke wie "du Hurensohn", "alte Schlampe" oder eine derbe Abfuhr à la "halt's Maul" hört man an der Schule Sieker Landstraße in Rahlstedt nicht mehr. Auf dem Schulhof und in den Klassenzimmern sind Beleidigungen tabu - zumindest wenn ein Lehrer in der Nähe ist. Die Förderschule im Hamburger Osten hat den ständigen Pöbeleien den Kampf angesagt. MundRespekt heißt das Projekt, mit dem die Schule Streit und Gewalt unter Schülern eindämmen will. "Denn", sagt Schulleiter Olaf Gatermann (46), "vielen körperlichen Gewalttaten geht verbale Gewalt voraus."

Das Kollegium der Schule, die 165 Schüler mit Lernschwierigkeiten und Verhaltsauffälligkeiten im Alter zwischen 9 und 17 Jahren besuchen, hatte das Konzept im vergangenen Jahr entwickelt, seit Jahresbeginn gilt es. Das Prinzip: Um Denunziationen zu verhindern, muss ein Lehrer die abfällige Bemerkung gehört haben. Im Regelfall werden Schüler bis einschließlich sechster Klasse dann in einen sogenannten Trainingsraum geschickt, wo sie von einem Lehrer betreut werden. Die älteren Schüler werden mit einem Elternbrief, der auch die herabwürdigende Bemerkung enthält und unterschrieben werden muss, nach Hause geschickt. Bei mehrfachem Verstoß müssen die Eltern zum Gespräch kommen.

Unter den Schülern ist der Schimpfwort-Maulkorb umstritten. "Viel zu streng", sagt Öznur (16), die die Vorbereitungsklasse für den Hauptschulabschluss besucht. "Es passiert schnell, dass einem was rausrutscht. Manchmal ist es ja auch nur Spaß." Ihre Klassenkameradin Nathalie dagegen sagt: "Es ist gut, weil aus Schimpfwörtern manchmal auch richtiger Streit wird. Man lernt, freundlich zu sein." Das sieht Siebtklässlerin Karima (12) anders: "Es nützt nichts. Die meisten reden weiter so, wenn kein Lehrer da ist." Sie wurde einmal vom Unterricht suspendiert. "Ich auch", sagt Lisabeta (12). Zu Hause habe es Ärger gegeben. "Das mache ich nicht wieder."

"In diesem Punkt sind wir eine strenge Schule", sagt Schulleiter Gatermann. Eine Liste der verbotenen Wörter gibt es nicht. Es geht um die Absicht hinter einer Bemerkung. "Die Schüler sollen verstehen: Hier fängt es an, dass du jemanden verletzt." Dazu kommt: "Wir waren es leid, ständig diese F-Wörter auf dem Schulhof zu hören." Nach den ersten Monaten zieht Gatermann eine positive Bilanz: Waren es in den ersten drei Monaten 45 Verweise in der Unterstufe und 91 in der Oberstufe, sank die Zahl zwischen März und Mai um jeweils fast zwei drittel. "MundRespekt ist erfolgreich", sagt Gatermann. Die Atmosphäre an der Schule habe sich gebessert. "Die Schüler fangen an, sich Gedanken über Sprache zu machen und darüber, was sie auslösen kann."

Ähnlich wie die Rahlstedter Schule haben auch die Förderschulen Böttcherkamp (Lurup), Frieda-Stoppenbrink-Schule (Neuwiedenthal) und Heidstücken (Harburg) einen Schimpfwort-Erlass. "Es bringt was", bestätigt Hildegard Richtsen, stellvertretende Schulleiterin an der Schule Heidstücken. "Nach einigen Wochen gab es weniger Beleidigungen."

Viele Eltern an der Schule Sieker Landstraße begrüßen den Schimpfwörter-Erlass, aber es gibt auch Kritik an der strengen Handhabung. "Man kann die Kinder nicht dauerhaft vom Unterricht ausschließen", sagt Lehrerin Gisela Müller-Frey (59). "Das ist der Abschied von der Pädagogik." Sie glaubt an ihre Vorbildfunktion und hat in 35 Jahren Dienstzeit nie Probleme gehabt.

Tatsächlich ist der Schulverweis als Strafe für die verbalen Grenzüberschreiter nicht unumstritten. Schulleiter Gatermann beruft sich nach einer Änderung der Hausordnung auf Paragraf 49 des Schulgesetzes, in dem die "Sicherung des Erziehungs- und Unterrichtsauftrags" geregelt ist - und setzt auf das "Fingerspitzengefühl" seiner Lehrer. "Es geht ja nicht nur um den disziplinarischen Aspekt, sondern um eine aufklärerische Maßnahme."