Sie stehen an der Spitze der schulinternen Hierarchie, sie geben den Schülern Noten - oft nicht die besten. Doch selbst Schulleiter hatten eine Kindheit. Im Abendblatt erzählen fünf von ihnen, welche Schwächen sie als Schüler hatten - und welche Frechheiten sie sich leisteten.

Würde man alle 244 700 Zeugnisse, die gestern in Hamburg vergeben wurden, der Länge nach hintereinanderlegen, könnte man auf ihnen von Hamburg bis nach München laufen. Doch Zeugnisse werden in der Regel nicht mit Füßen getreten, sondern in Klarsichthüllen verpackt und abgeheftet - selbst wenn sie noch so unerfreuliche Noten enthalten. Auch die fünf Schulleiter Dieter Koch, Ute Seifert, Karsten Reckleben, Christiane von Schachtmeyer und Jan Düsedau haben so einen Ordner. Er erinnert sie daran, dass es mal eine Zeit gab, in der auch sie vor der Zeugnisvergabe nasse Hände bekamen.

"Koch: Abiturarbeit Sechs, Gesamtnote Fünf", diesen Satz seines ehemaligen Schuldirektors hat Dieter Koch (57), heute Schulleiter der Gesamtschule Horn, nicht vergessen. Er war damals 18 Jahre alt und "ein kleiner Rebell", wie er sagt. Als Schulsprecher des Rats-Gymnasiums Stadthagen legte er sich immer wieder mit dem Leiter des Gymnasiums an, drohte in einem offenen Brief ans Kultusministerium mit Streik, wenn nicht mehr Lehrer eingestellt würden und probte stundenlang vor dem Spiegel die Reden, die er an seine Mitschüler richten wollte.

In seinem Abiturzeugnis aus dem Jahr 1971 prangt neben dem Fach Mathematik das Wort "mangelhaft". "Diesen kleinen Luxus habe ich mir geleistet", sagt Dieter Koch und lacht. "Das war ein stiller Protest gegen - keine Ahnung was." Das Abitur bestand Koch trotzdem - dank seiner guten Noten in Deutsch und Gemeinschaftskunde.

Auch Christiane von Schachtmeyer (47), Schulleiterin des Gymnasiums Marienthal, hatte in Mathematik mehrmals eine Fünf im Zeugnis stehen. Damals hieß sie noch Christiane Grell und besuchte die Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe. Drei und sechs Punkte erreichte sie in Mathe im Abitur 1981. "Am besten war ich immer in Sport, da hatte ich Glück, dass ich Volleyball wählen konnte", sagt sie. Ihre Kinder würden heute darüber lachen. "Die können sich gar nicht vorstellen, dass ausgerechnet ich so gut in Sport gewesen bin."

In der zehnten Klasse kam Christiane von Schachtmeyer stolze 185-mal zu spät in den Unterricht. "Das lag daran, dass ich in den Pausen immer rauchen gegangen bin und es dann nicht rechtzeitig zurück in die Klasse geschafft habe", sagt sie. "Heute darf man auf dem Schulhof gar nicht mehr rauchen, das finde ich aber auch richtig; für die jungen Schüler sind Raucher kein gutes Vorbild." Und ihr selbst habe das Rauchen ja auch nicht gutgetan.

Eine richtige Streberin war dagegen Ute Seifert, heute Schulleiterin der Schule Holstenhof. "Ich hatte niemals eine Fünf im Zeugnis", sagt sie. "Ich war immer eine ganz Brave." Im Unterricht habe sie allerdings auch schon mal mit der Sitznachbarin geschwätzt. "Zur Strafe musste ich einmal für vier Wochen alleine in der ersten Reihe an einem Extratisch sitzen", erinnert sie sich. "Das war schrecklich."

In ihrem Realschulabschlusszeugnis aus dem Jahr 1971 aus Alfeld (Leine) sind auch aus heutiger Sicht ungewöhnliche Fächer aufgeführt, etwa Maschinenschreiben. "Wir hatten da so uralte Schreibmaschinen, bei denen musste man wirklich jede Taste mit Kraft runterdrücken - ein richtiges Gehacke war das", berichtet sie. Immerhin bekam sie dafür im Abschlusszeugnis die Note "gut". Ihre schlechteste Zeugnisnote war eine Vier in Französisch in der 11. Klasse, nach dem Wechsel von der Realschule auf das Gymnasium.

Eine Vier in Französisch als schlechteste Zeugnisnote hat auch Karsten Reckleben (55), Schulleiter des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums, vorzuweisen. Der Unterricht in den Sprachen sei heute viel lebendiger und lebensnaher als früher, sagt er. Und das Abitur sei auch fairer: Als er 1973 am Gymnasium Salzgitter-Bad seinen Abschluss machte, wurde er gar nicht mündlich geprüft: "Wer nach dem schriftlichen Abitur eine Eins vor dem Komma stehen hatte, war davon befreit", berichtet er. Dabei sei es doch wichtig, sich auch mündlich präsentieren zu können.

Jan Düsedau (61) ist seit 1989 Schulleiter der Schule Kirchwerder. Er hat eine genau 50 Jahre alte Abschrift seines Zeugnisses aus der 5. Klasse des Hansa-Gymnasiums (Bergedorf) mitgebracht: "Die Abschrift hat mein Vater damals gefertigt, der war einfach unglaublich stolz, dass ich auf das Gymnasium ging", sagt er. "Ich war der Erste in unserer Familie, der das Abitur machte." Deswegen habe es seinen Vater wohl auch nicht gestört, dass dieses erste Zeugnis von ihm ziemlich mittelmäßig war. Erst später sei er zu einem guten Schüler geworden.

Ihren eigenen Schülerinnen und Schülern wollen die fünf Hamburger Schulleiter vor allem eines mit auf den Weg geben: Mut und Selbstvertrauen. "Klausuren sind nicht alles im Leben, und auch schlechte Noten können besser werden", sagt Christiane von Schachtmeyer.