Am multinationalen Gymnasium in Barmbek zeigen zwei Lehrer aus Afrika, was jeder schaffen kann.

Hamburg. Es funktioniert ohne jede Ermahnung: Gerade hat es geklingelt, da stehen auch schon alle Schüler hinter ihrem Stuhl. "Good morning, Mrs. Boama", schallt es durch den Klassenraum, danach setzten sich alle. "In der siebten Klasse muss man schon ein bisschen streng sein, sonst funktioniert das nicht", wird ihre Lehrerin später selbstbewusst sagen. Seit einem Jahr unterrichtet Bernice Boama (30) Englisch und Sport am Margaretha-Rothe-Gymnasium in Barmbek. "Dass ich schwarz bin, hat nie eine Rolle gespielt", sagt die Pädagogin, die als Zehnjährige mit ihren Eltern aus Ghana nach Deutschland kam.

Faried Ragab (32) hat einen ägyptischen Vater und ist in Deutschland aufgewachsen. Er unterrichtet Geschichte und Sport an dem multinationalen Gymnasium. "Das Selbstbild von Schülern mit Migrationshintergrund ist oft eher negativ", sagt der Mann mit dem offenen Lächeln. "Sie brauchen Vorbilder, um zu sehen, was sie schaffen können."

Bernice Boama und Faried Ragab stehen für einen neuen Lehrertyp: jung, weltoffen und aus Zuwandererfamilien. "Natürlich sind wir aufgrund unserer Biografien Vermittler zwischen den Kulturen", sagt der Deutsch-Ägypter Ragab. "Aber letztlich geht es in Zukunft darum, alle Schüler - unabhängig von ihrer Abstammung - auf eine globalisierte Welt vorzubereiten." Und auch seine Kollegin sieht es ähnlich: "Ich habe nicht studiert, um ausländische Schüler zu unterrichten. Ich will eine gute Lehrerin für alle sein."

Das scheint zu klappen. "Sie ist eine der besten Lehrerinnen an unserer Schule", sagt Siebtklässlerin Sharlyn (15), deren Vater Nigerianer ist. Auch Ema (13) ist begeistert von Bernice Boama. "Ich musste auch erst mal Deutsch lernen, als wir von Kroatien hierher gezogen sind", sagt sie. An diesem Vormittag sollen die Schüler eine kleine Geschichte schreiben. "Leute, es ist gerade ein bisschen unruhig hier", ruft die zierliche Pädagogin energisch in die Klasse. Dann erklärt sie deutlich und präzise, was zu tun ist. "Der Unterricht ist gut bei ihr", sagt Seyidhan (13).

Seit einigen Jahren bemüht sich Hamburg, die Zahl der Lehrer, die selbst Migrationserfahrungen haben, zu erhöhen. Der Grund: Ausländische Schüler haben etwa doppelt so häufig wie deutsche Jugendliche keinen oder einen niedrigen Schulabschluss. Experten wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), setzen deshalb auf ihre Bedeutung als "Vorbilder und Brückenbauer". Trotzdem sind Lehrkräfte, die den Schülern andere Rollenmodelle anbieten, immer noch die Ausnahme, machen in Hamburg geschätzt weniger als zwei Prozent aus. Inzwischen gibt es ein breites Aktionsbündnis - und auch einen positiven Trend: Derzeit sind von 784 Lehramtsanwärtern 99 nicht deutschstämmig, das entspricht 12,6 Prozent. Im November 2006 waren es noch halb so viele.

Bernice Boama war in der fünften Klasse, als ihre Eltern mit vier Kindern von Ghana nach Berlin-Kreuzberg auswanderten, "um ein besseres Leben zu haben". Sie lernte Deutsch und schrieb in die Poesiealben ihrer Mitschülerinnen, dass sie Lehrerin oder Leichtathletin werden wolle. Nicht, weil sie etwas ändern wolle, wie sie betont, sondern weil es ihr Spaß mache. "Inzwischen sehe ich auch, dass ich ein Vorbild bin, und ich freue mich darüber", sagt die junge Frau mit dem Lebensmotto "Glaub an dich". Nach Studium und Stationen am humanistischen Goethe-Gymnasium und dem Jüdischen Gymnasium in Berlin kam sie jetzt mit ihrem Lebensgefährten nach Hamburg. "Dann wollte ich aber schon an eine Schule mit hohem Ausländeranteil."

Um Faried Ragab, der in Minden aufgewachsen ist und in Köln studiert hat, hatte das Margaretha-Rothe-Gymnasium sogar richtig geworben. "Es ist wichtig, dass die Schüler sehen, dass man als Migrant in unserer Gesellschaft auch Chancen haben kann", sagt Schulleiterin Margarete Eisele-Becker. Der Deutsch-Ägypter, der selbst in einem künstlerischen Umfeld ohne Diskriminierung aufwuchs, sagt, dass er "Schüler mit Migrationshintergrund aus ihrer Opferolle holen will". Schon an der Universität konzentrierte er sich auf den Schwerpunkt interkulturelles Lernen. "Das bedeutet auch, Eltern zu unterstützen und zu ermutigen, ihren Kindern neue Wege zu zutrauen." Dass Migranten Lehrer werden, sei auf jeden Fall sinnvoll, ist er überzeugt. "Allerdings sollte niemand Lehrer werden, der es nicht wirklich will."

Im Unterricht von Bernice Boama sind die Schüler inzwischen fast fertig mit ihren Geschichten. Immer wieder hat sich die Pädagogin zu den Kindern gesetzt und ihnen bei Problemen geholfen. Dann springt sie mittendrin plötzlich auf. "Jetzt müsst ihr mir mal helfen", sagt sie. "Was ist denn ein Fundstück?", fragt sie in die Klasse. Die Siebtklässler überlegen kurz, dann meldet sich Jonas. "Jetzt macht ihr mal Deutschunterricht für Frau Boama", sagt sie und lacht.