“Teach First“ heißt das Projekt. 20 Juristen, Mediziner oder Betriebswirte unterrichten ab September zwei Jahre lang als “Hilfslehrer“ in Hamburger Schulen.

Sie hat Bestnoten, Auslandserfahrung und ein Diplom in Wirtschaftspädagogik von der Universität Göttingen. Livia Gerlach (25) ist zielstrebig. Und sie weiß auch genau, wohin sie beruflich will: an eine Schule mit besonderen pädagogischen Herausforderungen, wie Schulen in sozialen Brennpunkten vorsichtig umschrieben werden. "Problem-Schulen", an denen viele Kinder und Jugendliche nur schlecht Deutsch sprechen, an denen die Abbrecher-Quote hoch ist und der Frust mancher erfahrener Pädagogen auch. "Dort möchte ich mich einbringen", sagt Livia Gerlach. Als Lehrerin auf Zeit.

Die Hamburgerin gehört zu den bundesweit knapp 100 Betriebswirten, Medizinern oder Juristen, die nach einem dreimonatigen pädagogischen Schnellkursus zwei Jahre lang als "Hilfslehrer" unterrichten werden. In Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo nach Angaben der Schulbehörde nach den Sommerferien etwa 20 dieser Uni-Absolventen mit guten Noten und noch besseren Vorsätzen eingesetzt werden sollen - für ein Monatsgehalt von jeweils 1700 Euro brutto, das nach derzeitigem Stand die Schulen übernehmen sollen. Das Projekt, zu dessen Start sich jetzt mehr als 700 junge Menschen beworben hatten, wird von der gemeinnützigen Initiative "Teach First", die von Sponsoren wie der Vodafone-Stiftung oder der Deutschen Post unterstützt wird, organisiert. "Wir erhoffen uns einen Brückenschlag zwischen zwei Welten, die sonst wenig miteinander zu tun haben", sagt Sprecherin Kirsten Altenhoff. Die Uni-Absolventen wiederum erhoffen sich nicht selten große Chancen für die Karriere: Denn in den USA, wo das Projekt bereits seit 1990 erfolgreich läuft, suchen sich Unternehmen wie Google oder Boeing gern Führungskräfte unter den jungen Menschen, die den Härtetest im Klassenzimmer gemeistert haben. In Großbritannien, wo die Initiative 2002 an den Start gegangen ist, gehört "Teach First" mittlerweile unter Uni-Absolventen sogar zu den fünf beliebtesten Arbeitgebern.

"Sicherlich bringt mich diese Herausforderung voran", sagt Livia Gerlach. "Dabei geht es mehr um meine persönliche Entwicklung als um die Aussicht auf einen gut bezahlten Job." Das Thema ihrer Diplomarbeit ("Interkulturelle Kompetenz") wolle sie nun praktisch umsetzen. Sie werde versuchen, den Unterricht beispielsweise mit Rollenspielen aufzulockern, sagt Livia Gerlach, die auch Romanistik studiert hat. "Man könnte auch französischen Hip-Hop mit der Klasse hören - dann würden sich manche die Vokabeln besser merken."

Welche Aufgaben Livia Gerlach, die bereits Deutschkurse für Erwachsene erteilt hat, übernehmen wird, legt ihre künftige Schule fest. Noch sind die Bewerbungen der Schulen, die Hilfslehrer einsetzen wollen, nicht abschließend gesichtet. Doch auf die Unterstützung der Quereinsteiger freut man sich bereits: "Diese engagierten Absolventen erfüllen eine Vorbild-Funktion", sagt Renate Wiegandt, Schulleiterin an der Otto-Hahn-Schule (Jenfeld). "Ich würde sie gern für zusätzliche Angebote am Nachmittag einsetzen, vielleicht für Bewerbungstrainings."

Während Lehrerverbände das Projekt teils kritisch sehen, stellt Landesschulrat Peter Daschner vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung klar: "Teach First ist kein Ersatz für Lehrer oder Referendare. Es ist ein freiwilliges, zusätzliches Angebot an die Schulen." Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) sei von dem Projekt angetan, sagt Daschner: "Es ist doch begrüßenswert, wenn junge Menschen, die fachlich und menschlich ausgezeichnet sind, den Lehrern unterstützend zur Seite stehen."