Behörde nennt keine Brennpunkte, um “Stigmatisierung“ zu vermeiden. Die SPD geht von hoher Dunkelziffer aus.

An 138 Hamburger Schulen ist es in den vergangenen zwölf Monaten zu meldepflichtigen Gewalttaten gekommen. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Dressel, Carola Veit und Ties Rabe hervor. Zwischen April 2008 und März dieses Jahres hat die Schulbehörde 362 Vorfälle registriert. Dies ist die erste Bilanz nach der Verschärfung des Meldewesens im Zuge des "Handlungskonzeptes gegen Jugendgewalt" des Senats vor einem Jahr.

Laut Verwaltungsanordnung müssen Schulleiter seit April 2008 Gewalttaten bei der Schulbehörde melden. Dabei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden. In der ersten werden Kapitaldelikte wie Raub, Erpressung, gefährliche Körperverletzung, Sexualstraftaten, Waffenverstöße, Drogendelikte, schwere Bedrohung, schwerer Diebstahl oder Totschlag erfasst. Bei diesen sogenannten Kategorie-I-Fällen sind die Schulen zudem verpflichtet, die Polizei zu informieren. Bei Kategorie-II-Fällen wie etwa Sachbeschädigung, schwere Fälle von Beleidigung, einfache Körperverletzungen wird lediglich dringend empfohlen, die Polizei einzuschalten. 125 der gemeldeten Fälle waren schwere Gewalttaten von Schülern. Wie viele davon tatsächlich bei der Polizei angezeigt wurden, wird bei der Behörde allerdings nicht erfasst. Auch die genaue Art der Delikte wollte die Behörde nicht bekannt geben.

Die Zahl aller meldepflichtigen Taten an Hamburger Schulen kann noch steigen, da die Behörde Nachmeldungen für Februar und März erwartet.

SPD-Innenexperte Andreas Dressel zweifelt an, dass die jetzt veröffentlichten Zahlen die tatsächliche Lage widerspiegeln. Als Vergleich führt er die jüngste Statistik aus Berlin an. Danach habe es im Schuljahr 2006/2007 1735 Gewalttaten gegeben. "Auch wenn es an Hamburger Schulen friedlicher zugehen mag als in Berlin - die Hamburger Zahlen sind leider zu niedrig, um wahr zu sein." Er vermutet, dass Hamburger Schulleiter die Meldepflicht nur unzureichend befolgen. Das Dunkelfeld schätzt er auf bis zu 700 Taten.

Die 125 Kategorie-I-Fälle registrierte die Schulbehörde an 76 Hamburger Schulen. Welche das sind, darüber hüllt sich der Senat in Schweigen. "Wir wollen eine Stigmatisierung von einzelnen Schulen vermeiden", sagt Behördensprecherin Brigitte Köhnlein. Der Ruf der Schulen könnte Schaden nehmen. "Unser Interesse ist es, die Schulen bei der Gewaltprävention zu unterstützen und nicht, sie öffentlich vorzuführen." SPD-Mann Dressel prangert das an. "Die Behörde mauert. Jede Kriminalstatistik weist schließlich Stadtteildaten aus. Erfolgreiche Gewaltbekämpfung und Prävention muss mit Transparenz beginnen. Und da hilft nur eines: Aussprechen, was ist."

Im Übrigen weist die Statistik der Schulbehörde auch nicht aus, welche Konsequenzen die Gewalt-Meldungen der Schulen haben. So wird beispielsweise nicht zentral erfasst, ob diese zu Anklagen geführt haben oder zu Verfahrenseinstellungen. SPD-Jugendexpertin Carola Veit: "Es muss nachvollziehbar werden, welche Maßnahme in welchem Fall eingesetzt wurde. Und vor allem mit welchem Erfolg."