Ibrahim Y. traktierte seine hochschwangere Schwester übel, weil er wollte, dass sie ihr Kind verliert. Der Prozess wird fortgesetzt.

Harburg. Die Frau ist dem Zusammenbruch nah. Das Gesicht bleich, die Augen feucht, schleppt sich Serap Y. im Gerichtssaal zu ihrem Stuhl. Es ist das erste Zusammentreffen mit ihrem Bruder Ibrahim, seit die 35-Jährige quälende Misshandlungen erlitten hat. Furchtbare Momente des Schmerzes und der Angst, als sie um ihr Leben fürchtete und vor allem um das ihres ungeborenen Kindes. Ibrahim Y. war es, der seine hochschwangere Schwester übel traktierte, weil er wollte, dass sie ihr Kind verliert.

Wegen versuchten Schwangerschaftsabbruchs und gefährlicher Körperverletzung muss sich der 38-Jährige seit gestern vor dem Schöffengericht verantworten. Seine Handlungen seien "durch rein gar nichts zu rechtfertigen", hat der Angeklagte zu Prozessbeginn durch seinen Verteidiger erklären lassen und die Tat im Wesentlichen eingeräumt. Laut Anklage hat Ibrahim Y. am 14. Oktober vergangenen Jahres seiner in der 34. Woche schwangeren Schwester zunächst gedroht, er sei "gekommen, um dich zu töten". Dann soll er sie aufgefordert haben, aus dem Fenster zu springen oder sich die Treppe hinunterzustürzen, damit sie ihr Kind verliert. Als sie sich weigerte, habe er sie gezwungen, Tabletten zu nehmen und sie schließlich mit Schlägen und Tritten in den Bauch traktiert. Er habe erst vom Opfer abgelassen, als seine Schwester ohnmächtig wurde, heißt es in der Anklage weiter.

Die Familie habe durch Dritte erfahren, dass die Schwester schwanger war, lässt Ibrahim Y. erklären. Der Vater des Kindes sei angeblich ein Drogendealer und sitze im Gefängnis. Weil die 35-Jährige schon in der Türkei verheiratet sei, habe die Familie "Schlimmes für die Familienehre befürchtet". Er habe seiner Schwester bei dem Treffen nur seine Wut und Enttäuschung mitteilen wollen.

Doch dann sei es "wohl irgendwie" zu den Schlägen und Tritten gekommen. Er sei froh, dass Serap wieder gesund sei und dass das Kind keine Schäden davongetragen habe. "Es tut mir leid", sagt der Angeklagte mit bebender Stimme direkt an seine Schwester gewandt. "Du weißt, ich liebe Kinder." Dem Opfer liefen die Tränen über die Wangen. Serap Y. wolle nicht, erklärt deren Anwältin, dass ihr Bruder ins Gefängnis komme, vor allem, weil er selbst Kinder habe. Aber es wäre ihr "wichtig zu wissen, dass sie in Ruhe leben kann und keine Angst haben muss". Der Prozess wird fortgesetzt.