Der vorbestrafte Mann soll ein- und siebenjährige Geschwister missbraucht haben. Auf seinem PC fand die Polizei Fotos von misshandelten Kindern.

Hamburg. Wie eine große rote Mauer zieht sich das siebengeschossige Hochhaus in Hummelsbüttel um den kleinen Spielplatz im Innenhof. So massiv und hoch sie auch ist, Sicherheit bot diese Mauer nicht. Sie hatte eine Bruchstelle: Von einem Fenster im dritten Stock aus beobachtete Peter Heinrich H. tagtäglich die dort spielenden Kinder.

Er liebe Kinder, hatte der 64-Jährige immer wieder Nachbarn in dem schmutziggrauen Aufgang des Häuserblocks erklärt. Auch dass er die unmittelbare Nähe von Kindern suche, daraus machte der Frührentner, den Nachbarn als "verrückt" bezeichneten, nie einen Hehl. Oft ging er zu den Spielenden, wenn deren Eltern außer Sichtweite waren. Versuchte sie zu berühren, ihr Vertrauen zu erhalten, sie mit Süßigkeiten in seine kleine Wohnung im dritten Stock zu locken. Und schließlich seine kranke Lust an ihnen auszuleben.

Am Mittwoch wurde der pädophile Mann von der Polizei verhaftet. Er soll mindestens zwei kleine Mädchen aus seiner Nachbarschaft sexuell missbraucht haben. Auf dem Computer in seiner Wohnung fand die Polizei eine große Zahl von Fotos, die Misshandlungen von Kindern zeigten. Peter Heinrich H. kam in Untersuchungshaft.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Für die beiden Schwestern Marie und Lea (Namen geändert), fast acht und erst eindreiviertel Jahre alt, war H. kein Unbekannter. Schon immer wohnte der 64-Jährige über ihnen. Sie sahen ihn fast täglich.

Anfang Juli soll er sich den beiden Mädchen zum ersten Mal genähert haben: "Die beiden waren zum Spielen auf dem Spielplatz, und ich habe immer wieder aus dem Fenster geguckt, wie es den Mädchen geht", berichtet ihre sichtbar betroffene Mutter.

Irgendwann jedoch sind die Kinder verschwunden, die besorgte 38-Jährige sucht mehr als eine Stunde das Viertel ab. "Und plötzlich kamen sie in Begleitung von H. wieder aus dem Hauseingang", erinnert sie sich. Sie stellt den Frührentner zur Rede, der alle Vorwürfe von sich weist. Auch die Angaben der Tochter, mit der sie sich danach gründlich unterhält, lässt keinen Verdacht aufkommen. Der freundliche Mann habe sie mit Bonbons gefüttert, berichtet die Siebenjährige. Ihre Mutter belässt es dabei.

Doch H. holt die beiden und weitere Kinder in den folgenden Wochen insgesamt mehr als zehnmal in seine Wohnung, geht dabei immer weiter: Irgendwann zieht er sie aus. Er macht Fotos, vergeht sich an ihnen. Die Eltern ahnen lange nichts. Vielleicht verdrängen sie auch die Zeichen für den Missbrauch, bis sie nicht mehr zu übersehen sind: Die Mädchen ahmen irgendwann Masturbationsweisen nach. Die Jüngere weigert sich, dass ihr neue Windeln angezogen werden. Sie schreit, wenn sie gesäubert wird.

"Den Namen Peter H. kannte ich schon als kleines Kind", sagt der Vater der beiden Kinder, der im nahen Fuhlsbüttel aufgewachsen ist. "Immer gab es Gerüchte um H., dass der was mit kleinen Kindern habe. Aber niemand wusste etwas Genaues", sagt der 32-Jährige einen Tag nach dessen Festnahme. Warum sie die Kinder trotzdem zu H. ließen, darauf haben sie keine Antwort.

Die Gerüchte über H. jedenfalls kamen nicht von ungefähr: Bereits 1998 saß er für zehn Monate im Gefängnis, wegen eines Sexualdelikts an einem Kind im November des Vorjahres.

Auch nach den Verhaltensauffälligkeiten zögert das offenbar überforderte Elternpaar, die Polizei einzuschalten. Anzeige erstatten sie erst, als Peter Heinrich H. am Mittwoch dieser Woche die Kinder verfolgt und versucht, gewaltsam in ihre Wohnung einzudringen. Die Eltern rufen die Polizei, die bei dem Namen des Tatverdächtigen aufhorcht. Wenig später kommt der Missbrauch ans Tageslicht.

Mit Aushilfsarbeiten als Reinigungskraft in einem Privathaushalt und seiner schmalen Rente hielt sich der 64-Jährige über Wasser, sagen Nachbarn. Nicht nur das, damit finanzierte er auch seine regelmäßigen Urlaube in Thailand. Der südostasiatische Staat ist bei Männern mit pädophilen Neigungen beliebt. Monate soll der 64-Jährige dort verbracht haben und seine "Urlaubsfotos" an Gleichgesinnte verkauft haben, heißt es.

"Wir waren immer froh, wenn er in Thailand war, dann konnten wir unsere Kinder draußen lassen, ohne dass wir ständig gucken mussten, ob H. wieder kommt", sagte eine Nachbarin. Nur den Eltern von Marie und Lea war scheinbar nicht klar, wie gefährlich H. war.

Peter Heinrich H. wurde nach seiner Vernehmung gestern Abend einem Haftrichter vorgeführt. Wegen Wiederholungsgefahr wird der 64-Jährige die Zeit bis zu seinem Prozess in Untersuchungshaft bleiben. Bei einer Verurteilung droht ihm eine hohe Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Er legte weder ein Geständnis ab, noch machte er Angaben zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Ob Marie und Lea überwinden werden, was H. ihnen antat, ist ungewiss. "Wir brauchen professionelle Hilfe, damit sie so schnell wie möglich vergessen, was passiert ist", hofft ihr Vater.