Flüchtlinge verletzen Bannmeile. Polizei räumt Rathausmarkt und sprüht Pfefferspray. Drei Festnahmen

Altstadt. Tumult vor dem Rathaus: Bei einer unangemeldeten Demonstration der Lampedusa-Gruppe haben sich am Donnerstagabend rund 70Flüchtlinge und Unterstützer mit Polizisten heftige Auseinandersetzungen auf dem Rathausmarkt geliefert.

Als die Polizei am Abend versuchte, die Sitzblockade vor dem Rathaus zu beenden und Platzverweise durchzusetzen, kam es zu Schlägereien zwischen beiden Gruppen. Erst nach 20Uhr beruhigte sich die Lage. Wegen Widerstands gegen Polizeibeamte wurden drei Demonstranten festgenommen. Weitere vier Teilnehmer kamen vorübergehend in Polizeigewahrsam.

Per Megafon hatte die Polizei die Demonstranten aufgefordert, die unerlaubte Versammlung aufzulösen. Hintergrund: Die Teilnahme am politischen Protest innerhalb der Bannmeile rund um das Rathaus stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Nachdem die Demonstranten das Ultimatum der Polizei dreimal verstreichen ließen, wollten die Beamten deren Personalien aufnehmen. Dabei kam es zu ersten Tumulten und wenig später zu Schlägereien zwischen Demonstranten und Polizisten.

Die Beamten setzten auch Pfefferspray ein. Mehrere Demonstranten wurden weggetragen oder in Handschellen abgeführt. Mehr als zwei Hundertschaften der Polizei waren im Einsatz. Ein Lampedusa-Flüchtling musste wegen eines Asthma-Anfalls ins Krankenhaus gebracht werden. Viele Unterstützer der Lampedusa-Gruppe hätten über Übelkeit geklagt, sagte eine Polizeisprecherin. Ein weiterer Demonstrant klagte über eine Verletzung an der Lippe. Ein Fotograf sah mehrere Verletzte und auch Blut auf dem Gehweg.

Noch vor der Räumung des Platzes entschärfte gegen 20 Uhr Christiane Schneider, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, die Situation, indem sie offiziell eine Demonstration anmeldete. Ziel des friedlichen Aufzugs von mehr als 250 Menschen war das Info-Zelt der Lampedusa-Gruppe am Steindamm in St. Georg.

Eigentlich war Donnerstagnachmittag im Rathaus ein Treffen mit den Sprechern der Lampedusa-Flüchtlinge und Antje Möller von der Grünen-Fraktion sowie Christiane Schneider von den Linken geplant. Laut Grünen-Sprecher Jan Dube seien die Flüchtlinge jedoch nicht dazu erschienen. Stattdessen kam Möller auf den Rathausmarkt, um mit den Flüchtlingen zu sprechen.

Möller sagte dem Abendblatt: „Die Situation der Lampedusa-Gruppe hat sich zugespitzt. Durch die erneute Obdachlosigkeit und die Perspektivlosigkeit sind die Menschen verzweifelt.“ Es habe aus der Gruppe den Wunsch nach einem Gespräch mit der Politik im Rathaus gegeben. Möller: „Die Menschen haben sich entschieden, vor dem Rathaus schweigend zu protestieren.“ Die Politikerin habe „einzelne, sehr heftige Zugriffe von Polizisten“ gesehen.

Insgesamt sollen sich in Hamburg bis zu 300 sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge aufhalten. Zuletzt mussten sie ihre Bleibe in drei Kirchengemeinden in Iserbrook, Ottensen und auf St. Pauli verlassen. Die Baugenehmigungen für die Unterbringung innerhalb des Hamburger Winternotprogramms für Obdachlose war Ende Mai ausgelaufen.