Maskierte werfen nach Mai-Demonstration Brandsätze auf Beamte, die den Verkehr regelten. Der Staatsschutz ermittelt.

St. Pauli. Nach den schweren Ausschreitungen während der „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ auf St.Pauli hat die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes eingeleitet. Zwei bislang unbekannte Täter hatten laut Polizei Molotowcocktails auf ein Einsatzfahrzeug geworfen, in dem zwei Beamte saßen. Einer der Brandsätze zündete aber nicht. Der zweite flammte kurz auf. Es ist das mittlerweile zweite Verfahren innerhalb weniger Monate wegen eines versuchten Tötungsdeliktes an Polizeibeamten, bei dem die Täter in der linksextremistischen Szene gesucht werden.

Es war nach Einschätzung der Polizei ein ganz gezielter Angriff auf das Fahrzeug, dessen Besatzung zur Verkehrslenkung an der Feldstraße/Ecke Holstenglacis vor dem Restaurant September stand. „Es handelte sich zwar um ein ziviles Einsatzfahrzeug“, sagt Hauptkommissar Andreas Schöpflin. „Es war aber eindeutig durch die angebrachten Magnettafeln mit der Aufschrift Polizei und einem eingeschalteten Blaulicht zu erkennen.“

Als Lunte dienten Wunderkerzen, die an die Brauseflaschen geklebt waren

Gezielt hätten gegen 23 Uhr zwei schwarz gekleidete und vermummte Personen das Einsatzfahrzeug angegriffen. „Aus nächster Nähe“, so heißt es in der Mitteilung der Polizei, hätten die Täter die Brandsätze auf das Polizeifahrzeug geschleudert. Der eine Molotowcocktail durchschlug die Heckscheibe, ohne zu zünden. „Der andere Brandsatz wurde unter das Fahrzeug geworfen“, sagt Schöpflin. „Zeugen gaben an, dass dieser Brandsatz kurz aufflammte. Die Beamten, die in dem Fahrzeug saßen, konnten sich unverletzt retten.“ Die maskierten Täter seien in Richtung Glashüttenstraße geflüchtet.

Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts ermittelt. Bevor die die Staatsanwaltschaft einer Veröffentlichung eines Zeugenaufrufs zu dem Vorfall zustimmte, wartete man Untersuchungsergebnisse ab. Man wollte ganz sicher sein, dass es sich um Brandsätze handelte, deren Flüssigkeit auch tatsächlich entzündlich war.

Jetzt ist man sich sicher. Als „Lunte“ hatten die Täter Wunderkerzen benutzt, die an den Halbliterflaschen Club-Mate-Brause mit Klebeband befestigt und auch abgebrannt waren. Glück für den 34 Jahre alten Oberkommissar und einen 24 Jahre alten Polizeiobermeister: Die Flasche, die durch das Heckfenster des VW TS geschleudert wurde, landete auf dem Rücksitz und richtete keinen Schaden an.

„Die Brutalität, mit der gegen Polizeibeamte vorgegangen wird, hat deutlich zugenommen“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Ein Fahrzeug, in dem Menschen sitzen, mit einem solchen Brandsatz zu bewerfen, das ist eine neue Qualität.“

Tatsächlich hat es Angriffe mit Brandsätzen auf Polizisten bei Demonstrationen seit Jahren nicht gegeben. Den letzten Wurf eines Molotowcocktails auf Polizisten in Hamburg gab es 2005 – auch damals auf der Feldstraße. 2007 nahmen Polizisten Demonstranten fest, die ebenfalls auf der Feldstraße nahe einer Tankstelle einen Brandsatz bauten. 2008 wurden Brandsätze sichergestellt, die offenbar bei den Auseinandersetzungen rund um den Neonazi-Aufmarsch in Barmbek eingesetzt werden sollten.

„Was noch anzumerken ist, ist, dass hier gezielt Beamte angegriffen wurden, die nicht direkt an einem Demonstrationszug eingesetzt waren und daher auch nicht die Schutzausrüstung anhatten, die ihre Kollegen im Demoeinsatz tragen“, sagt Lenders. Aber auch das, so bewertet es Lenders, scheint System zu haben. So wurden in Hamburg am Rande der gewalttätigen Demonstration am 21. Dezember im Schanzenviertel ebenfalls Polizisten angegriffen, die abseits des eigentlichen Geschehens eingesetzt waren. Jetzt suchen die Ermittler des Landeskriminalamts Zeugen, die bei der Aufklärung des Falls und der Identifizierung der Täter helfen können. Vergleichbare Zeugenaufrufe waren regelmäßig erfolglos geblieben. Nach einem Angriff auf einen Polizeibeamten Ende Dezember, dem nahe der Davidwache aus nächster Nähe ein Stein in das Gesicht geschleudert wurde, hatte die Staatsanwaltschaft ebenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts eingeleitet. Der Beamte hatte schwere Verletzungen erlitten.

Die Polizei bittet Zeugen des Anschlags, sich beim LKA zu melden

Seitdem ermittelt die Polizei mit einer Sonderkommission. Zu der Tat, die mit einer vorangegangenen Auseinandersetzung an der Davidwache in Zusammenhang steht, hatte die Polizei sogar eine Phantomskizze eines anderen an den Auseinandersetzungen beteiligten Mannes veröffentlicht. Außerdem wurden für Hinweise, die zur Ergreifung des Steinewerfers führen, der den Polizisten verletzte, 10.000 Euro Belohnung ausgesetzt. Genützt hat es nichts. Die Sonderkommission ermittelt immer noch, ohne konkrete Hinweise bekommen zu haben. Es wurden mehr als 100 Zeugen vernommen.

Im aktuellen Fall ist bislang keine Belohnung ausgesetzt worden. Trotzdem hofft die Polizei, dass sich unter der Telefonnummer 040/428656789 Zeugen bei der Verbindungsstelle des Landeskriminalamts melden.