Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Pastor Torsten Schweda, den Chef der kirchlichen Einrichtung, der Hinterziehung von Sozialbeiträgen.

Hamburg. Der Verdacht gegen die evangelisch-lutherische Diakonissenanstalt Alten Eichen hat sich erhärtet. Im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der kirchlichen Einrichtung haben Polizisten und Staatsanwälte zehn Wohnungen und Büros durchsucht - darunter auch die Privatwohnung des Alten-Eichen-Vorstandschefs Pastor Torsten Schweda. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und den weiteren Vorstand Ralf Giese wegen des Verdachts der Hinterziehung von Sozialbeiträgen.

Eine Anzeige der Gewerkschaft Ver.di wegen der aus Sicht der Arbeitnehmervertreter dubiosen Beschäftigungspraxis in Alten Eichen hatte die Ermittlungen im November 2011 ins Rollen gebracht (wir berichteten). Wie erst jetzt bekannt wurde, haben Ermittler bereits im Juni vergangenen Jahres in einer groß angelegten Aktion allein zehn Objekte durchsucht. An den Razzien waren 52 Beamte beteiligt. Sie haben Daten von Festplatten und Akten sichergestellt. Die Ermittler verschafften sich laut Polizei nicht nur Zugang zu den Wohnungen der Vorstände Schweda und Giese, sondern auch zu den Privaträumen eines weiteren leitenden Angestellten sowie weiteren Einrichtungen in mehreren Stadtteilen.

"Mitarbeitern soll angeboten worden sein, neben ihrer Beschäftigung weitere Lohnzahlungen zu erhalten", sagt ein Sprecher der Polizei. Konkret geht es um die damalige Praxis, 400-Euro-Kräfte zusätzlich über eine Aufwandsentschädigung zu entlohnen. Für diese Art von Bezahlung fällt keine Steuer an. Allerdings sind Aufwandsentschädigungen für gemeinnützige Tätigkeiten gedacht, wie sie etwa Chorleiter oder Fußballtrainer verrichten - und eben nicht für eine Beschäftigung als Pfleger. Das Gesetz sieht für das "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt" eine Geldstrafe oder Gefängnis von bis zu fünf Jahren vor.

Der Geistliche selbst streitet nicht ab, diese Praxis angewandt zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren eröffnet hatte, ließ Schweda verlauten, dass er diese umstrittene Beschäftigungspraxis beenden werde. Er ließ nun auf Nachfrage des Abendblatts mitteilen: "Das wurde sofort umgesetzt und gilt nach wie vor."

Der Kirchenmann begrüßte im November 2011 noch vollmundig die "schnelle Aufnahme der staatsanwaltlichen Untersuchung" und versicherte, "selbstverständlich mit den Behörden intensiv" zusammenzuarbeiten. Zudem sagte er zu, "alles Erforderliche zu tun, damit eine vollständige Aufklärung von Vorwürfen so rasch wie möglich erfolgen kann". Tatsächlich haben die Ermittler die sichergestellten Daten noch nicht auswerten können, weil die Anwälte der Beschuldigten Einspruch dagegen eingelegt haben. Nun muss ein Richter entscheiden, ob und welche Dokumente im Verfahren eingesehen werden dürfen. Und wenn die Entscheidung falle, dann werde es Monate dauern, bis die Daten ausgewertet sind, sagt ein Beamter.

Das Diakonische Werk Hamburg, Dachverband der wirtschaftlich eigenständigen Diakonissenanstalt, hält nach wie vor zu Alten Eichen. "Wir hoffen, dass die Ermittlungen möglichst schnell abgeschlossen werden", sagt Landespastorin und Diakonie-Vorstandschefin Annegrethe Stoltenberg. "Problematisch ist für alle Beteiligten, dass wir uns aus rechtlichen Gründen und mit Rücksicht auf das schwebende Verfahren nicht in dem Maß gegenüber öffentlichen Vorwürfen wehren können, wie wir dies gerne tun würden."

Alten Eichen und Pastor Schweda sind außerdem im Zusammenhang mit Leiharbeit in die Kritik geraten. So hatte Ver.di dem evangelischen Unternehmen (Motto: "Dem Menschen zuliebe") Lohndumping vorgeworfen, weil es eine eigene Leiharbeitsfirma gegründet hatte. Das ist zwar strafrechtlich nicht relevant, steht aber im krassen Widerspruch zum eigenen Kirchenarbeitsrecht. So hat die Evangelische Kirche in Deutschland in ihrem Leitbild formuliert, dass Leiharbeit zwar akzeptabel ist, um "kurzfristigen Beschäftigungsbedarf zu überbrücken". Eine auf Dauer angelegte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern sei mit dem Kirchenrecht aber nicht vereinbar. Den Widerspruch, den eigens gegründete Leiharbeitsfirmen dazu darstellen, hat Alten Eichen bisher nicht aufgelöst.

Schweda hatte im November als Reaktion auf die Vorwürfe erklärt, dass der Stiftungsrat eine unabhängige Rechtsanwaltskanzlei beauftragt habe, dies zu überprüfen. Ob die Kanzlei nun mehr als ein Jahr später die Beschäftigungspraxis als Lohndumping ansieht, darüber gibt der Pastor keine Auskunft. Zu dem Ermittlungsverfahren will er sich, solange es andauert, nicht äußern.