Auf der “Övelgönne“ sollen mindestens 111 Fahrgäste mehr als erlaubt gewesen sein. Hadag-Vorstand Gabriele Müller-Remer bestreitet das.

St. Pauli/Finkenwerder. Die Hadag-Fähre "Övelgönne" ist für 250 Personen zugelassen. Doch als die Wasserschutzpolizei am Sonntagnachmittag überprüfte, wie viele Fahrgäste an den Landungsbrücken von Bord gingen, gab es eine böse Überraschung: 361 Passagiere verließen die Fähre der Linie 62 laut Wasserschutzpolizei. 111 Passagiere mehr als erlaubt. Das war aber noch nicht alles: An Bord befanden sich noch weitere Fahrgäste, die zum Sandtorhöft weiterfahren wollten.

Die Wasserschutzpolizei handelte sofort und leitete gegen den 43-jährigen Schiffsführer ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. "Der Schiffsführer muss nun mit einem Bußgeld von rund 100 Euro plus Gebühren rechnen", sagte Polizei-Sprecher Andreas Schöpflin.

Hadag-Vorstand Gabriele Müller-Remer dagegen bestreitet, dass mehr Passagiere an Bord gewesen seien als erlaubt, und schenkt der Messung der Polizei keinen Glauben. Das automatische Zählsystem auf der der Hadag-Fähre "Övelgönne" habe während der gesamten Fahrt "Grün" angezeigt, erläutert sie, "sodass sich nicht mehr als 250 Personen zeitgleich an Bord befanden". Das Schiff sei zwar gut besetzt, jedoch nicht überfüllt gewesen, sagt Müller-Remer. Die Wasserschutzpolizei bleibt jedoch bei der Zahl von 361 Passagieren, die an den Landungsbrücken das Boot verlassen haben sollen. Die Polizei hatte Handzählgeräte eingesetzt.

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Das Abendblatt hatte in der vergangenen Woche mehrfach über die Kritik von Politik und Fahrgästen berichtet. Doch Müller-Remer hatte auch da den Vorwurf "überfüllte Fähren" zurückgewiesen: "Die meisten unserer Schiffe können bis zu 250 Personen befördern, und diese Anzahl wird nicht überschritten", hatte Müller-Remer in der vergangenen Woche gesagt.

Die Hadag, die im vergangenen Jahr rund 7,5 Millionen Passagiere durch den Hafen schipperte, steht seit Monaten in der Kritik. Die Fahrgäste beklagen sich vor allem auf der stark frequentierten Linie 62 zwischen Finkenwerder und den Landungsbrücken über überfüllte Schiffe. Auch die Politik hatte sich für mehr neue Schiffe, zurzeit sind es 22, ausgesprochen.

Dass mehr Passagiere als erlaubt auf einer der Hadag-Fähren angetroffen werden, ist offensichtlich kein Einzelfall. Denn bereits am 2. August dieses Jahres zählte die Wasserschutzpolizei am frühen Abend an den Landungsbrücken auf der Fähre "Oortkaten" 295 Fahrgäste, also 45 mehr als zugelassen. Auch in diesem Fall wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Schiffsführer eingeleitet. Das bestätigte Polizei-Sprecher Schöpflin. Von diesem "angeblichen Vorfall" weiß Hadag-Chefin Müller-Remer nach eigener Aussage nichts.

Für den SPD-Bezirksabgeordneten Ralf Neubauer ist das "alles keine große Überraschung. Es ist allerdings kaum zu glauben, dass der Hadag-Vorstand die Überlastung der Fähren bislang stets abgestritten hat, wenn sich zuletzt sogar immer häufiger die Wasserschutzpolizei einschaltet". Neubauer sagt: "Es ist für die Fahrgäste und den Schiffsverkehr ein nicht vertretbares Sicherheitsrisiko, wenn die zulässige Passagierzahl so deutlich überschritten wird." Der Vorsitzende der Finkenwerder SPD fordert von Gabriele Müller-Remer, dass sie die nicht abreißen wollende öffentliche Kritik endlich ernst nimmt.

Unterdessen kritisiert FDP-Vizefraktionschef Thomas-Sönke Kluth: "Die Hadag wird immer mehr zum Problemfall. Dieses Unternehmen ist nicht nur hoch defizitär, es erfüllt offensichtlich auch nicht die berechtigten Erwartungen seiner Fahrgäste oder wie hier die geltenden Vorschriften." Für Kluth steht fest: "Solche Zustände kann sich Deutschlands größte Hafenstadt nicht leisten. Der Senat sollte sich dringend mit der Hadag beschäftigen."

Die Fahrgäste hoffen, dass sich nun etwas ändert: "Die Hadag sollte ihren Fahrgästen mehr Qualität bieten. Dazu gehört auch ein Mindestmaß an Platz an Bord", sagt Student Jan-Hendrik Popp aus Finkendwerder. Einen Vorschlag hat Corinna Marquart parat. Die Angestellte fährt täglich zur Arbeit mit der Linie 62: "Es sollte zumindest in den Nachmittagsstunden ab Landungsbrücken stündlich ein Schiff eingesetzt werden, das nur für die HVV-Zeitkarteninhaber zur Verfügung steht."

Wie das Abendblatt berichtete, fahren bei gutem Wetter täglich Tausende Touristen auf der Linie 62 mit und machen so eine günstige Hafenrundfahrt. Für die Fahrt reicht ein normales HVV-Großbereichsticket für 2,85 Euro.

Die Hadag verzeichnet zwar seit Jahren steigende Fahrgastzahlen, aber damit steigt laut Unternehmensangaben auch der Verlust. Denn zum Beispiel die Kosten für ein neues Schiff (rund zwei Millionen Euro) übersteigen die Mehreinnahmen deutlich: Im vergangenen Jahr lag das Defizit bei 6,9 Millionen Euro.