Schwestern wollten es Ex-Mann heimzahlen. Angeklagte sagt, sie sei von dem 35 Jahre alten Opfer jahrelang misshandelt worden.

Hamburg. Der Kopf tief gesenkt, die Arme vor dem Körper verschränkt, sitzt die Angeklagte da wie ein Häufchen Elend. Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und streicht die Haare zur Seite. Wieder und wieder. Lieber wäre sie jetzt woanders. Nur nicht hier, im Gerichtssaal, wo ihr Ex-Verlobter, Mario M., 35, aussagen wird. Als Zeuge. Gegen sie, die Angeklagte. Kurz bevor es so weit ist, flüchtet Petra B. aus dem Saal, obgleich die Kammer ihren Verhandlungsausschluss abgelehnt hat. Eine Gegenüberstellung ertrage sie nicht, erklärt ihr Verteidiger.

Es ist eine hochemotionale Verhandlung, in der es auch um die Frage geht, wie die Justiz mit einem Akt der Rache umgeht, wenn der Verdacht naheliegt, dass dem Tatmotiv ein jahrelanges Martyrium der mutmaßlichen Täterin zugrunde liegt. Auf der einen Seite eine Frau, die behauptet, sie sei von ihrem Ex-Verlobten fast fünf Jahre misshandelt worden. Auf der anderen Seite jener Ex-Verlobte, der von Petra B., 36, ihrer Schwester Kerstin H., 39, und deren Sohn Christian B., 23, regelrecht gefoltert worden sein soll.

"Er sollte mal sehen, wie das ist, ein Opfer zu sein", erzählt Kerstin H. unter Tränen. Auch sie sei ein Opfer häuslicher Gewalt. Erst schlug der Vater zu, später prügelten die Ehemänner. Als sie am Telefon mithörte, wie Mario M. wieder mal ihre Schwester bedrohte, sei sie gleich rüber mit ihren Kindern zur Wohnung der beiden. Dort habe sie Petra B. völlig aufgelöst vorgefunden. "Es reichte mir. Es musste Schluss sein. Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen", sagt Kerstin H. Außerdem habe sie ihrer Schwester "Genugtuung" verschaffen wollen. Mit den Kindern von Petra B. und ihrem eigenen Sohn fielen sie über Mario M. her. Fesselten seine Hände und Füße, klebten ihm den Mund zu. "Und er machte sich lustig", sagt Kerstin H. Sie klingt verbittert.

Die Angeklagten machten der Häme auf ebenso simple wie grausame Weise ein Ende: Erst zogen sie Mario M. eine Mülltüte über den Kopf und sprachen über seine "Entsorgung" - "um ihn zu erschrecken". Man könne ihn in "Scheiben schneiden" oder in der Elbe versenken, schlug Kerstin H. vor. Dann erzählten sie ihrem Opfer, sie würden ihm Morphium spritzen. Tatsächlich injizierte Petra B. ihrem Ex Wasser und Zitronensaft. Mit einer Naivität, die verblüfft und die Angeklagten kennzeichnet, erklärt Kerstin H., sie habe darauf geachtet, dass Petra B. nicht die Vene treffe. Sie habe schließlich einen Erste-Hilfe-Kursus besucht.

Am Ende lachte Mario M. nicht, er litt Todesangst. Er sei geschlagen, getreten und gedemütigt worden, sagt er. Um die Wohnung verlassen zu dürfen, habe er einen - juristisch unwirksamen - Schrieb unterzeichnen müssen. Darin erklärte er, er werde Petra B. aus dem Mietvertrag entlassen und aus dem gemeinsamen Bankkonto austreten.

Selbstjustiz ist strafbar, häusliche Gewalt, wenn sie denn angezeigt wird, auch. Mario M. habe sie häufig verprügelt, gedemütigt und missbraucht, sagt Petra B. Mal habe er sie mit Bier übergossen, mal an den Ohren hochgezogen, einmal habe er versucht, sie mit einem Auto zu überfahren. Auch habe Mario M. ein gerichtliches Kontaktverbot ignoriert und sie mit Anrufen belästigt.

Mario M. widerspricht alldem, auch den Übergriffen, denn seine "krankhaft eifersüchtige" Ex habe doch ihn verprügelt und nicht umgekehrt. Vorsichtshalber weist ihn das Gericht darauf hin, dass er sich strafbar gemacht haben könnte. Der Prozess wird fortgesetzt.