Hunderte Kilometer ließ sich Jürgen W. von Taxis durch Norddeutschland kutschieren - und zockte zusätzlich noch die Fahrer ab.

Hamburg. Hunderte von Kilometer, zum Beispiel von Lingen nach Hamburg, ließ sich Jürgen W. (39) von Taxis durch Norddeutschland kutschieren - dabei verschwendete er nicht einen Blick ans Taxameter. Er hatte ohnehin nicht vor, für die Touren zu zahlen. Im Gegenteil: Er zockte zusätzlich noch die Fahrer ab. Die Masche: Den gutgläubigen Männern hinterm Steuer tischte Jürgen W. mal rührselige, mal abenteuerlich klingende Geschichten auf. Er benötige Bargeld für eine Hotelübernachtung oder für den Kauf eines Geschenks. Seine Geldbörse hätten jedoch Freunde bei sich, die während der (Rück-)Fahrt zusteigen würden. In nur zwei Monaten war er damit 40-mal erfolgreich, die Fahrer rückten zwischen 25 und 250 Euro heraus. Lediglich dreimal blitzte er ab.

Jürgen W., der gestern wegen gewerbsmäßigen Betrugs vor dem Amtsgericht stand, ist ein notorischer Krimineller mit Hang zum Betrug. Von 1993 an befand sich der ausgebildete Koch aus gutem Haus fast durchgängig im Gefängnis, unter anderem saß er wegen Urkundenfälschung, Fahnenflucht und eben Betrug ein.

Zuletzt hatte er in Osnabrück eine Haftstrafe von zwei Jahren beinahe abgesessen. Doch kurz vor seiner Entlassung nutzte er im April einen Ausgang zur Flucht, und die wollte finanziert werden. Da kam er auf die Idee, Taxiunternehmen im großen Stil abzuzocken. Weil die Betrugsmethode in Hamburg bekannt war, pickte er sich gezielt Unternehmen in Norddeutschland heraus. Allein die Fahrer erleichterte er um insgesamt 3500 Euro. Zudem blieben die Unternehmen auf den Fahrtkosten sitzen. Eine goldene Nase habe sich sein Mandant indes nicht verdient, sagte sein Verteidiger. "Er brauchte das Geld zum Leben. Hartz IV konnte er nicht beantragen, die Polizei hätten ihn ja sofort erwischt."

Außerdem treffe auch die blauäugigen Taxifahrer und deren Firmen eine gewisse Mitschuld. "Welches Unternehmen lässt denn seine Fahrer Hunderte Kilometer durch die Republik fahren, um einen Mann abzuholen?" Darauf die Vorsitzende Richterin: "Gäbe es keine leichtgläubigen Menschen, gäbe es keinen Betrug."

Im Juni stellte sich Jürgen W. der Oldenburger Polizei. "In Osnabrück wollte er sich nicht stellen. Er hatte sich geschämt, weil er der Ansicht war, er habe das Vertrauen der Vollzugsbeamten dort missbraucht", sagt sein Verteidiger.

Zwei Jahre für einen früheren Betrugsfall muss Jürgen W. noch absitzen. Zwei Jahre und zehn Monate sattelte das Gericht gestern obendrauf. Seine Absicht, sich in sozialtherapeutische Behandlung zu begeben und sein Geständnis wertete es strafmildernd. "Nutzen Sie diese Chance", sagte die Vorsitzende. "Denn für Sie scheint Betrug eine Art Sucht zu sein."