Nach einem Streit wurde Nils E. von einem Freund schwer verletzt. Die Freundin des Opfers hat die Situation angeblich unterschätzt.

Hamburg. Wer einem Menschen, der sich in Not befindet, nicht hilft, obwohl er es könnte, macht sich strafbar durch Unterlassen. Hätten andere, wenn sie eingegriffen hätten, den einsamen S-Bahn-Helden von München retten können? Oder Thomas M., das Opfer zweier Teenager aus Harburg? Beide starben nach Tritten gegen den Kopf. Wie auch Nils E. (gest. 40), der im Mai 2007 einem Schädel-Hirn-Trauma erlag. Hätte seine Freundin ihm geholfen - er würde womöglich noch leben.

Seit gestern muss sich Sabine W. (32) vor dem Amtsgericht verantworten, die Beleidigung einer Polizistin in einem anderen Fall wird gleich mitverhandelt. Die arbeitslose Köchin trägt eine graue Army-Jacke und abgewetzte Turnschuhe. Ihren Freund, den Obdachlosen Nils E., hatte sie auf der Straße kennengelernt. Ab und an, sagt sie, habe sie ihm Obdach gewährt in ihrer Wohnung in Billstedt.

"Wenn ich geahnt hätte, dass er so schlimm verletzt ist, hätte ich ihm geholfen", beteuert W. Während eines Suffgelages mit ihrem Bekannten Christian B. (22) hatten die beiden Männer plötzlich Streit. Aus nächster Nähe sah Sabine W., wie B. ihren Freund zu Boden riss. Wie er gegen seinen Hinterkopf und ins Gesicht trat. Trotz der Brutalität will sie die Situation unterschätzt haben. "Da war kaum Blut", sagt sie. Sie habe ihrem Freund auf die Beine geholfen. "Er konnte gerade laufen und sagte, er wolle mit seinem Bruder auf dem Kiez feiern." Sie sei wieder hoch in die Wohnung, sei aus Sorge um E. aber wenig später zum Tatort zurückgekehrt. "Da war er schon weg." Keine drei Stunden nach der Attacke kollabiert E. in der Wohnung seines Bruders, stirbt vier Tage darauf in der Klinik.

Dass sie eine Mitschuld an seinem Tod tragen soll, belastet Sabine W. spürbar. Als die Richterin ein rechtsmedizinisches Gutachten verliest, bricht sie in Tränen aus. Wäre früher Hilfe gerufen worden, heißt es da, hätte E. vermutlich gerettet werden können.

"Dieser Fall ist tragisch", sagt die Staatsanwältin. Weil sie nicht vorbestraft und geständig ist, verzichtet die Richterin auf eine harte Strafe: Sabine W. muss 630 Euro zahlen. "Sie sind doppelt gestraft", sagt die Richterin. "Sie haben ihren Gefährten verloren und sind dafür mitverantwortlich." Christian B. ist bereits im Oktober 2008 wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt worden. Er befinde sich auf freiem Fuß. Wann verhandelt wird, sei offen, sagt die Staatsanwaltschaft. Das Gericht sei mit dringlichen (Haft-)Sachen befasst.