Hamburg. Prognose sieht in der Hansestadt eine ganz andere Entwicklung als anderswo. Was das für Kitas, Schulen, Wohnen und Arbeiten bedeutet.

Wie entwickelt sich die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben? Wird die hiesige Gesellschaft in den nächsten Jahren deutlich älter? Wo werden künftig mehr Bewohner leben und wo weniger? Und was hat das alles für Konsequenzen vor Ort in Städten wie Hamburg oder Gemeinden im Umland in Bezug zum Beispiel auf Wohnungen, Schulen, Kitas, Seniorenheime oder Arbeitsplätze?

Antworten auf diese wichtigen Fragen will die Bertelsmann Stiftung mit ihrem „Wegweiser Kommunen“ geben, der am Dienstag veröffentlicht wurde und eine Prognose bis 2040 versucht. Auffällig dabei: Hamburg kann sich etwas vom Bundestrend abkoppeln und bleibt im Durchschnitt jünger als viele andere Kommunen. Laut Studie legt die Bevölkerungszahl bundesweit bis zum Jahr 2040 um 0,6 Prozent zu, bezogen auf das Basisjahr 2020. In 16 Jahren leben demnach knapp 83,65 Millionen Menschen in Deutschland, wobei sich die Zu- und Abnahme sehr unterschiedlich auf einzelne Bundesländer und ihre Städte verteilt.

Neue Studie: Mit so viel Wachstum kann Hamburg rechnen

Vor allem ostdeutsche Bundesländer müssen mit einem Bevölkerungsschwund rechnen. Laut Bertelsmann-Studie sinkt die Zahl der Bewohner in Sachsen-Anhalt um 12,3 Prozent, in Thüringen um 10,9 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern landesweit um 7,3 Prozent. Sachsen (-5,7 %) und Brandenburg (-2,4 %) sind ebenfalls rückläufig. Aber auch das Saarland (-5,3 %) im Westen Deutschlands wird erhebliche Abgänge verzeichnen. Umgekehrt ist es in Bayern (+4,4 %), Baden-Württemberg (+4,6 %) sowie in den Stadtstaaten Berlin (+5,8 %) und Hamburg (+3,5 %).

Ein wichtiger Aspekt der Prognose ist die Frage, wie sich die Alterspyramide in den nächsten Jahren verändert. So steigt der Untersuchung zufolge der Anteil der 65- bis 79-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von 14,8 Prozent im Jahr 2020 auf 18,4 Prozent im Jahr 2040. Die Anzahl der Menschen ab 80 Jahren nimmt bereits ab dem Jahr 2027 deutlich zu und liegt in 16 Jahren deutschlandweit bei 9,2 Prozent. In Hamburg seien es hingegen nur 6,7 Prozent, was dann rund 130.000 Hochbetagten ab 80 Jahren entspräche.

Hamburg wird älter – aber nicht so sehr wie andere Städte

Das sogenannte Medianalter, das die Bevölkerung in eine ältere und eine jüngere Hälfte teilt, wird bundesweit bis zum Jahr 2040 um 1,2 Jahre ansteigen. Aus Hamburger Sicht interessant dabei ist, dass hier (wie in Berlin) der Altersmedian bei rund 43 Jahren liegt, während es in einigen östlichen Bundesländern bis zu zehn Jahre mehr sind. Auf Kreisebene beträgt die Spanne beim Medianalter 18,5 Jahre zwischen dem ältesten Landkreis Greiz (Medianalter 57,3 Jahre) und dem jüngsten Stadtkreis Heidelberg (38,8 Jahre).

„Kommunale Entscheidungsträger können die Vorausberechnung nutzen, um die regionalen Infrastrukturen auf die demografischen Herausforderungen der nächsten Jahre vorzubereiten“, sagt Ralph Heck, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Ohne finanzielle Unterstützung durch Förderprogramme von Bund und Ländern werde dies für viele Regionen nicht aus eigener Kraft zu schaffen sein.

Welche Herausforderungen auf Hamburg zukommen

Auch für Hamburg sieht die Studie „große Herausforderungen“ durch den demografischen Wandel voraus, beispielsweise im Bereich Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen oder für Hochbetagte. In den nächsten Jahrzehnten werde die zunehmende Alterung erhebliche Auswirkungen auf die Alterssicherungssysteme und auf den Pflegebedarf haben.

Der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren in Hamburg werde bis 2040 um 84.000 Personen auf knapp 22 Prozent der Gesamtbevölkerung steigen, heißt es. Das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial werde im Gegenzug schrumpfen, und zwar um 4,9 Prozent auf etwa eine Million Menschen. Das sei verglichen mit anderen Bundesländern zwar noch „moderat“, dennoch sei auch hier eine „anspruchsvolle demografische Dynamik“ sichtbar.

Andere Prognose: Hamburg knackt schon 2030 die Zwei-Millionen-Marke

Durch das Nachrücken der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter steige die Zahl der berechtigten Bezieher von Leistungen im Alter deutlich. Konkret werde die Anzahl der Personen, die erstmals eine Rente bezögen, in Hamburg um fast 30 Prozent anwachsen. Im Einzelnen sieht die Studie markante Zuwächse aber nicht nur in den Altersgruppen ab 65, sondern auch in der Gruppe der Sechs- bis Neunjährigen (+7,1 %), der Zehn- bis 15-Jährigen (+17,1 %), der 16- bis 18-Jährigen (+24,2 %) und der 19- bis 24-Jährigen (+5,4 %). Stark sinken werden hingenen die Altersgruppen der 25- bis 44-Jährigen (-7,6 %), der 45- bis 64-Jährigen (-1,6 %) und die der kleinen Kinder (null bis zwei Jahre -6,1 %/drei bis fünf Jahre -5,5 %).

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Ob die Zahlen der Bertelsmann-Prognose für Hamburg wirklich stichhaltig sind, hängt allerdings auch von Faktoren ab, die lokal oder regional kaum zu beeinflussen sind. „Geburten, Sterbefälle entwickeln sich relativ stringent“, sagt Studienautorin Petra Klug. Wanderungen seien hingegen schwierig zu prognostizieren.

Klug: „Es gab in den vergangenen Jahren zwei Ereignisse, die Vorausberechnungen erschwert haben. Das war 2015 der Krieg in Syrien und 2022 der Krieg in der Ukraine. Beide hatten und haben extreme Auswirkungen auf die Berechnungen.“ Auch in Hamburg weiß man, dass aus Syrien eher Männer geflüchtet sind, aus der Ukraine eher Frauen, oft mit ihren Kindern.

Vergleicht man die Zahlen aus dem „Wegweiser Kommunen“ zudem mit denen des Statistikamts Nord, fällt noch etwas auf: Die hiesigen Statistiker rechnen bis 2040 mit einem Plus von 83.500 Einwohnern in Hamburg und einem Bevölkerungsanstieg auf 2,024 Millionen Menschen. Demnach würde schon im Jahr 2030 die Zwei-Millionen-Marke in Hamburg geknackt, bedingt vor allem durch Zuzüge.

Wie sich der Bedarf an Kita-Plätzen entwickelt, hat die Bertelsmann Stiftung vor einigen Monaten zumindest bis zum Jahr 2030 ermittelt. In den westdeutschen Bundesländern fehlen demnach aktuell rund 385.900 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, in Ostdeutschland gibt es rund 44.700 Plätze zu wenig. Allerdings zeigte das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ auch, dass Hamburg in diesem Punkt bundesweit noch vergleichsweise gut dasteht, weil rechnerisch „nur“ 6400 Kita-Plätze fehlen, um die Wünsche der Eltern zu erfüllen. Bezüglich der Schulen rüstet Hamburg bis in die 2030er-Jahre weiter auf und will insgesamt rund zehn Milliarden Euro in Neu- und Umbauten investieren.