Ted Linow ist der Chef von Mega Model, der größten und erfolgreichsten Agentur in Deutschland. Botox spritzen? Für Linow der Horror.

Hamburg. Hier ist es ganz schön wuselig. Träume werden erfüllt und zerschlagen. Models gesucht, entdeckt, gebucht. Oder auch abgehakt. Es ist ein temporeiches und hartes Geschäft, sagt er. Ted Linow, der Chef von Mega Model, der größten und erfolgreichsten Agentur in Deutschland. Der Mann mit dem lauten, schrägen und ansteckenden Lachen ist seit den 80er-Jahren dabei. Kann sich mit großen Namen schmücken: Tatjana Patitz, Eva Herzigova, Toni Garrn, Isabeli Fontana, Marcus Schenkenberg, Timo Rademann. Naomi Campbell auch. Aber die, sagt er schnell, habe er als Fertiggericht bekommen, sei nicht seine Entdeckung. Aber dafür Philipp Schmidt, der gerade erfolgreich für Calvin Klein gelaufen ist.

Es ist eine selbstverliebte Welt, in der es um Vogue-Titelbilder geht, die H&M-Kampagne, um Dolce & Gabbana, Baptiste für Baldessarini Jeans, Georgia Jagger für Versace. Halt, halt. Stopp. Ted Linow holt kurz Luft. Unter dem Bild, das ein Freund gemalt hat. Nach einer der ersten Modenschauen. In der amerikanischen Botschaft für den Otto Versand. Das war nach der erfolgreichen Schau im Hotel Atlantic für Pierre Balmain, die Linow zum John Neumeier der Mode machte und zur Kultfigur der Modeszene.

Viel zu hoch gegriffen, sagt er schnell. Totaler Quatsch! Genau, wie immer zu allem befragt zu werden. Heidi Klum, klapperdürre Models. Nein. Er sei doch kein Senftopf, in den jeder seine Wurst reinhängen könne. Aber wenigstens das noch - der Look des neuen Jahrzehnts? So aus seiner Sicht? Also, sagt Ted Linow. Aufgeräumte Gesichter. Klar, gesund, gut sortiert. Wie ein aufgeräumtes Wohnzimmer eben, sagt er in mein Erstaunen herein. Da geben Sie sich doch auch Mühe. Räumen weg, was da so rumliegt. Und man lasse auch langsam wieder ab von diesen Kleenexmodellen. Schnell benutzt und weg. Dafür stünden seriöse Agenturen, so wie seine. Die sich Zeit zur Pflege nehmen.

Zum Aufräumen eben. Er lacht. Überschlägt sich fast in schrillen Höhen. Zeichnet mit den Fingern in seinem Gesicht nach, was für ihn der absolute Horror ist. Unterspritzt, abgenäht, aufgepumpt. Es gebe Leute, die haben längst ihr Gesicht verlassen. Und merken es nicht.

Ihn hat seine Großmutter davon abgehalten, sich seine schiefe Boxernase richten zu lassen. Jetzt hast du mit der Geld verdient, also sei nicht undankbar, habe sie entschieden gesagt. Da hatte er schon ganz ertragreich gemodelt. Für 400 Mark am Tag. Bombastisch in den frühen 70er-Jahren. Von der Modeseite im Hamburger Abendblatt, über Modestrecken in Frauenzeitschriften bis hin zu Titelbildern für Arztromane. Und eigentlich habe er ausgesehen wie Jürgen Drews. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Echt. Hier, sagt er aufspringend, ich hol mal die Fotos. Auch eins mit Uschi Obermaier zusammen. Übrigens, Ihr Fotograf, sagt er plötzlich. Der hat was. Ein gutes Gesicht. Aufgeräumt? Nein. Aber da ist was drin. Nicht langweilig.

Ted Linow liebt so was. Gedankensprünge. Plakative Sätze. Gelächter wie ein Vulkanausbruch. Und sein Jackett von Ralph Lauren. Sieht doch aus wie selbst geflickt, dieses Muster, sagt er. Passend zu seinem unaufgeräumten Gesicht, weil er erst um halb vier ins Bett gegangen sei. Ted Linow - ein liebenswerter, leicht gealterter Paradiesvogel. Och, nö, sagt er. So nun auch wieder nicht. Er habe kein Problem mit dem Älterwerden, aber er freue sich nicht über jede Falte. Und seine Freundin, eine Schönheitschirurgin, gucke ihn schon immer ganz gierig an. Großes Gelächter. Aber im Ernst, sagt er dann. Er brauche das, liebe Erfolg. Alleinigen Erfolg. Schon damals, als sein Vater, ein Bergedorfer Bauunternehmer, ihn lieber auf dem Fußballplatz gesehen hätte.

Mit elf Jungs was teilen, nee, sagt er. Ted Linow geht auf die Eisbahn. Wechselt auf die saisonunabhängige Rollschuhbahn. Ein Kunstlauf-Spätstarter, der gleich als Erstes fragt, wann denn die nächsten Olympischen Spiele seien. Er wird Norddeutscher Meister. Mit der leichten Kavallerie. "Diesem Dada dada dadadammdada. Jeder Ton ein Sprung." Dann Dritter im Europacup. Ted Linow erzählt von Linda Naujok. Seiner Trainerin, Lebens- und Geschäftspartnerin, mit der er Mega Model aufbaute. Sie habe ihn nach oben katapultiert. Ihr habe er viel zu verdanken. Mehr wolle er nicht dazu sagen. Sie gingen jetzt getrennte Wege. Pause.

Er habe immer gern auf vielen Hochzeiten getanzt, sagt er dann. Lasse sich schnell begeistern. Müsse alles probieren. Wie damals, als er für die verstorbene Helga Feddersen und ihren Freund Olli im Theater am Holstenwall die "Revue total verrückt" auf die Beine stellt. Von Helga stamme auch sein Lebensmotto: Ob große oder kleine Schritte - Hauptsache Fortschritte. Als er eine Platte besingen will, bremsen ihn seine Freunde. "Gott sei Dank." Diese Handvoll guter Freunde, die ihn runterholen, wenn er gerade mal wieder am Abheben ist.

Ted Linow erzählt von seiner großen Liebe zu Märchen. Eine ganze Sammlung hat er. Schneewittchen sei als Kind sein Lieblingsmärchen gewesen. Haare schwarz wie Ebenholz, sagt er. Wie die seiner Mutter. Lacht. Sucht zum Abschied nach einer Visitenkarte. Wühlt in allen Schubladen. Vergeblich. Aber glücklich in diesem Durcheinander mit dem schnellen Pulsschlag. Seinem Lebenselixier.