Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus legt am Donnerstag ihr neues Buch über Freundschaft vor. Sie hat unter anderen Gysi und Klopp interviewt.

Eppendorf. Eine klare Vorstellung von ihrem Leben hatte Katja Kraus schon als Mädchen. Drei Traumberufe spukten ihr im Kopf herum: Fußballprofi, Eisverkäuferin, Schriftstellerin. Zwei dieser Träume hat die 44-Jährige verwirklicht. „Es fehlt nur noch die Eisverkäuferin“, sagt sie und lacht. „Und wer weiß, wohin es mich in den kommenden Jahren noch verschlägt.“

Denn dass das Leben ungeahnte Wendungen nehmen kann, hat Kraus immer wieder erfahren. Bereits als junges Mädchen schaffte sie den Sprung in den Profifußball, absolvierte Hunderte Bundesligaspiele als Torfrau, wurde Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin, aber auch Europameisterin und Vize-Weltmeisterin mit der Nationalmannschaft. Parallel dazu begann sie, Germanistik und Politik zu studieren, arbeitete nach dem Ende ihrer Sportlerkarriere unter anderem in der PR-Abteilung von Adidas und als Sprecherin von Eintracht Frankfurt.

Die erste große Überraschung erlebte sie, als sie 2003 Vorstand des HSV wurde. Aus dieser Zeit ist die zarte Frau, zu der der harte Job einer Torfrau auf den ersten Blick eigentlich so gar nicht passt, vielen Hamburgern bekannt. „Das waren unheimlich prägende und spannende Jahre“, sagt sie. „Am Fußball hängt nach wie vor mein Herz.“ Vor knapp vier Jahren kam dann einer dieser Brüche im Leben, die Kraus aus heutiger Sicht faszinieren. Der Vertrag der Sportfunktionärin wurde nicht verlängert, sie verließ den Hamburger Traditionsverein. „Das waren harte Tage und Wochen“, erinnert sie sich. „Auch wenn man weiß, dass ein solcher Job zeitlich begrenzt ist. Der tatsächliche Bruch war einschneidend und nicht so einfach zu verarbeiten.“ Zum Glück hatte Kraus schon damals einen Plan B.

So begann sie nur zwei Tage nach dem Ende beim HSV mit ihrem neuen Projekt, einem eigenen Buch. „Ich wollte unbedingt schreiben, aber ich wusste nicht, ob ich es kann“, sagt sie und lächelt. „Bis dahin hatte ich nur Weihnachtskarten geschrieben.“ Aus diesem Grund wage sie sich bis heute nur an Sachbücher heran. „Für Romane reicht meine Fantasie nicht“, so die Hamburgerin. „Und nichts interessiert mich so sehr, wie Menschen und deren Geschichten.“ Immer mal wieder habe sie Anfragen von Verlagen bekommen. Sie wollten ein autobiografisches Buch, den Einblick einer Frau in die Männerwelt Fußball. „Aber das war ausgeschlossen. Über mich selbst gibt es nicht viel zu erzählen. Ich hatte ein anderes Buch im Kopf.“

Menschliche Brüche, Erfolg und Scheitern. Das habe sie fasziniert. „Ich habe mich immer schon gefragt, wie erfolgreiche Menschen mit diesen Situationen umgehen.“ Also habe sie ihre Gesprächspartner ausgesucht und losgeschrieben. Vor gut zwei Jahren erschien ihr erstes Werk, in dem Menschen wie Ex-Bürgermeister Ole von Beust, aber auch Ron Sommer oder Roland Koch zu Wort kommen. „Die Resonanz war sehr positiv. Das hat mich ermuntert, weiterzumachen.“ Wie die Tatsache, dass ihr das Schreiben richtig Spaß bringe. „Ich habe sehr schnell gespürt, dass das Schreiben eine Leidenschaft ist. Dass es mich erfüllt, mich auf etwas ganz und gar einzulassen. Vor allem nach der Zeit der Flüchtigkeit im überdrehten Fußballgeschäft. Aber ich hatte auch wackelige Tage, alles war neu und unsicher.“

Am Donnerstag erscheint jetzt bereits das zweite Werk von Kraus. Wieder ein Sachbuch natürlich. Wieder Einblicke in das Leben deutscher Prominenter aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Sport. Nur dieses Mal zum Thema Freundschaft. „Das ist ein Lebensaspekt, der mich sehr beschäftigt. Ich wollte erfahren, wie andere Menschen darüber denken.“ Also habe sie die Persönlichkeiten ausgewählt, für deren Geschichte sie sich besonders interessierte. Sich mit ihnen getroffen und deren Erzählungen aufgezeichnet. Immer morgens zwischen 4.30 Uhr und 8.30 Uhr saß Kraus am Schreibtisch und formte aus diesen Gesprächen Geschichten. Und so erzählen in dem neuen Band nun Egon Bahr, Jürgen Klopp, Gregor Gysi und auch Benjamin Lebert etwas über Freundschaft. Kraus ist stolz auf ihr Buch. „Es sind schöne, ganz unterschiedliche Geschichten herausgekommen“, sagt sie. Und weil das mit dem Schreiben so gut klappt, arbeitet sie bereits am dritten Buch. Verraten, worum es geht, kann und will sie aber noch nicht. Aber wieder will sie sich einem großes Lebensthema nähern. „Mir fehlt das Schreiben schon sehr“, sagt sie. „vor allem diese meditative Zeit am frühen Morgen.“

Dabei hat sie genug zu tun. Seit rund zwei Jahren ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Sportkommunikationsagentur Jung von Matt/Sports. Die Agentur, die sich auf Sportmarketing für Vereine, Verbände und Athleten spezialisiert ist, hat Kraus zusammen mit Ex-Fußballprofi Christoph Metzelder und Raphael Brinkert gegründet. Mittlerweile arbeiten 35 Kollegen für die Tochter der großen Hamburger Werbeagentur. „Ursprünglich war mal geplant, dass ich einen Tag in der Woche für das neue Unternehmen arbeite“, sagt Kraus. „Tatsächlich bin ich beinahe jeden Tag dort.“

Viel Zeit für den Aufsichtsrat bei Adidas, den Kraus seit einem knappen Jahr übernommen hat, scheint da nicht zu bleiben. Oder doch? Schließlich ist sie eine Frühaufsteherin. Und schafft es sogar noch, regelmäßig Sport zu treiben: im Fitnessstudio und auf einer ihrer Laufstrecken durch die Hansestadt. „Es ist weniger geworden mit dem Laufen“, sagt sie. „Weniger“, das klingt nach höchstens zwei Sporteinheiten pro Woche. Nicht so bei Kraus, der ehemaligen Profifußballerin. „Weniger“ heißt bei ihr immer noch täglich. „Allerdings ganz ohne die Funktion des Druckabbaus, nur noch aus Freude.“

Und dann bleibt sicherlich auch noch irgendwann ein bisschen Zeit für die Verwirklichung des dritten Traumberufs: Eisverkäuferin.