Hamburger Autorin schreibt Liebeserklärung an „wunderbares Land voller Gegensätze“. Es wird lustig – ganz ohne Wodka.

Hoheluft. Sie ist wie ihr Nachname. Alexandra Fröhlich betritt das Café, das zuvor noch leer war, und schon drängelt sich die gute Laune in dem Raum. Dabei hat sie noch ein bisschen mit einem Virusinfekt zu kämpfen: „Sonst sehe ich glatter aus, irgendwie scheint der Lack ab zu sein.“ Njet, muss man da sofort widersprechen. Ein Auto, das gerade frisch vom Werk geliefert wurde, könnte nicht lackierter sein als die 47-Jährige.

Sie hat gerade einen sehr amüsanten Roman über das „Reisen mit Russen“ geschrieben, daher treffen wir uns im Café Brodsky am Eppendorfer Weg. Hier gibt es russische Spezialitäten wie Blini und Pelmeni, Kaviar und das Frühstück Dostojewski bis 17 Uhr. So ein richtiger Schriftsteller schläft anscheinend lang.

Njet, widerspricht nun die Autorin, die auch als Textchefin für verschiedene Frauenmagazine arbeitet. Sie setze sich bereits morgens diszipliniert zu Hause in Lokstedt an den Schreibtisch. Zwischendurch ändert sie dann allerdings häufiger die Position, schreibt mal auf dem Sofa im Wohnzimmer, mal im Stehen in der Küche – sie ist ein Nomade in den eigenen vier Wänden.

Ablenken lässt sie sich nie. Ihre Schreibzeit ist begrenzt. Nachmittags kommen ihre drei Jungs aus der Schule, der Ältere ist zwölf Jahre alt, die Zwillinge sind sieben, und dann herrscht Remmidemmi. „Meine Kinder neigen nicht zum still Rumsitzen und spielen keine Geige, die sind eher lebhaft“, sagt Alexandra Fröhlich und lacht.

Ihre Arbeit packt sie um die Kinder herum, notfalls setzt sie sich nachts wieder an den Computer, der Hund muss schließlich auch noch versorgt werden. Hilfe bekommt sie von einem Au-pair-Jungen aus Litauen. Das macht also insgesamt fünf Männer (der Hund ist ein Rüde) in der Familie. „Die Luft bei uns riecht sehr nach Testosteron“, meint die Autorin dazu.

Der Vater der Zwillinge, von dem sie getrennt lebt, kommt aus Russland, daher ihre enge Verbindung zu dem Land, die sie bereits in „Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen“ thematisiert hat. Das 2012 veröffentlichte Buch war ein großer Erfolg, mehr als 50.000 verkaufte Exemplare brachten sie erstmals in die „Spiegel“-Bestsellerliste.

Es geht darin um Schwiegermutter Darja, die so stur ist wie ein russischer Panzer, deren Sohn Artjom, Freund von Wodka, Nachtclubs und dubiosen Geschäften, und Anwältin Paula, die sich in Artjom verliebt und fortan dessen russische Familie an der Backe hat. Eine fast unmögliche Völkerverständigung nimmt ihren Lauf ...

Nun also die Fortsetzung. Das schreibt sich so leicht dahin, doch es war alles andere als das. Die fröhliche Frau Fröhlich litt zum ersten Mal in ihrem Leben unter einer Schreibblockade, guckte stundenlang auf den Monitor, hypnotisierte geradezu die Wand. Die Buchstaben in ihrem Kopf wollten sich aber einfach nicht zu Sätzen zusammenfinden, sondern tanzten Polka. „Nach dem geglückten ersten Buch bin ich zehn Zentimeter gewachsen. Aber dann kam der Druck. Ich habe mich selbst beschimpft dafür, Löcher in die Luft zu starren“, erzählt die Autorin, für die Schreiben eigentlich Erfüllung bedeutet. Sie sei dabei häufig erstaunt, was in ihr stecke.

Doch in diesem Fall wollte es nicht heraus. Die Lektorin vom Knaur Verlag schickte sogar nachts aufmunternde SMS, und irgendwann ging es dann, fand sich Wort um Wort zu einem aberwitzigen Abenteuer zusammen: Paula reist mit Schwiegermutter, Mutter, Tochter und einem tätowierten Russen quer durch die Ukraine auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann Artjom, der mal wieder Mist gebaut hat. Ein paar Ganoven und viel Schaschlik kommen ihnen dabei in die Quere. Orte, Menschen und seltsame Situationen reihen sich aneinander.

„Einem stolzen russischen Mann kann man nicht einfach so ans Bein pinkeln“

Es wird viel Auto gefahren und viel geflüchtet. Ein Roadmovie in Buchform. Warum spielt die Geschichte aber ausgerechnet in der Ukraine? Alexandra Fröhlich arbeitete dort in ihrem anderen Beruf als Journalistin, entwickelte in Kiew ein Frauenmagazin. „Hamburg ist ein Dorf im Vergleich zu Kiew. Alles dort funkelt“, erzählt Fröhlich, die erstaunt war über die vielen Boutiquen, Restaurants, Luxushotels und den zur Schau gestellten Reichtum – und über die krasse Armut, die direkt nach der Stadtgrenze beginnt. Für ihr Buch unternahm die Autorin noch zwei Recherchereisen, weil sie sich nicht wie Karl May ganze Landschaften ausdenken wollte. „Dieses wunderbare, gewaltige Land ist so zerrissen, voller Gegensätze, ich bin ein echter Fan.“

Übrigens auch von Wladimir Putin, wenngleich Fröhlich den Ukraine-Konflikt mit Sorge beobachtet. „Man kann einem stolzen russischen Mann nicht einfach so ans Bein pinkeln, wie der Westen es mit der Nato-Erweiterung getan hat. Das rächt sich jetzt“, findet Fröhlich, die sich eine Soljanka bestellt hat, das ukrainische Nationalgericht. Um sie herum liegen Kissen mit Matroschkas drauf.

Wie viele von den ineinander gesteckten Puppen müsste man wohl öffnen, um zum Geheimnis der russischen Mentalität zu gelangen? Das sei nicht möglich und nicht nötig, erklärt Fröhlich. „Dieses leicht Schwermütige, der Hang zur Melodramatik, das ist für eine waschechte Norddeutsche wie mich schwer zu verstehen.“

Ihre eigene Abenteuerreise erlebte Autorin Alexandra Fröhlich diesen Sommer mit ihrer Jungsbande. Mit dem Auto fuhren sie fast 1400 Kilometer bis nach Oblast Kaliningrad. Sie fanden einen Bauernhof mit Plumpsklo, wo sie eine wunderbare Zeit verlebten: „Der Boden in der Scheune, wo wir schliefen, war so schräg, dass ich jedes Mal beim Gehen dachte, ich sei betrunken.“

Und das ganz ohne Wodka.