Tessa Petzold stammt aus einer Floristen-Familie. Ihr Vater hat gerade das 20-jährige Bestehen seines Ladens gefeiert

Eppendorf . Wenn man Tessa Petzolds Geschichte hört, stellt man sich unweigerlich die Frage: Hatte die Frau eine andere Chance, als in den Blumenhandel einzusteigen? Hatte sie bei der Familiengeschichte wirklich die Möglichkeit, einen ganz anderen Weg einzuschlagen? Hatte sie nicht, das ist nach einem Gespräch bei einer Apfelschorle in der Kneipe um die Ecke klar. Klar ist aber auch: Das ist gut so. Denn Petzold ist sehr glücklich mit ihrem Leben und ihrem Beruf. „Ich freue mich jeden Morgen auf den Laden“, sagt sie.

Die 30-Jährige stammt aus einer Floristen-Dynastie. Ihr Großvater gründete das Unternehmen Petzold, das vier Läden – unter anderem im Hauptbahnhof und im Alstertal-Einkaufszentrum unterhält – und das nach dessen Tod vor rund zwei Jahren in einer Stiftung aufgegangen ist. Ihr Vater besitzt ein Geschäft in Winterhude – und zwar schon seit 20 Jahren. Gerade wurde Jubiläum gefeiert.

Tessa Petzold begann nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Hebamme

„Angefangen hat allerdings streng genommen alles bei meinen Urgroßeltern“, sagt Petzold. „Die hatten einen Obst- und Gemüsehandel, den mein Großvater übernommen hat.“ Irgendwann hätte ein Lieferant zu ihrem Opa gesagt: „Bei dir läuft es so gut, stell doch mal ein paar Tulpen von uns dazu.“ So sei aus einem Lebensmittelhandel nach und nach ein Blumengeschäft geworden. „Ich kann mich aber noch genau an den ersten Laden erinnern, in dem es Obst und Gemüse gab“, sagt sie. Der Bruder ihres Großvaters habe sogar bis vor rund fünf Jahren noch einen solchen Handel betrieben. Zwischen lauter Blumen, so wurde die 30-Jährige groß. Half hin und wieder in den Läden aus. Doch selbst wollte sie erst einmal nichts mit Blumen zu tun haben. „Ich habe erlebt, wie hart das Geschäft sein kann. So manches Mal geflucht, wenn mein Vater wieder mal mitten in der Nacht raus zum Großmarkt musste“, sagt sie und lächelt. Das sei abschreckend gewesen.

„Das besondere an Blumen ist ja, dass man einen Laden nicht einfach mal einen Tag oder eine Woche dicht machen kann. Das ist lebendige Ware, um die muss man sich kümmern.“ Freie Tage und Urlaube seien somit schon in ihrer Kindheit selten gewesen. „Meine Mutter hat aus ihrer eigenen leidvollen Erfahrung heraus immer gesagt: ‚Mach bitte etwas anderes, Tessa.‘“

Also begann Tessa Petzold nach dem Abitur eine Ausbildung zur Hebamme. „Ich fand diesen Beruf wunderbar, wollte unbedingt mit Schwangeren und Babys arbeiten“, sagt Petzold, deren eigene Tochter Ida heute dreieinhalb Jahre alt ist. Doch die manchmal traurigen Schicksale und Geschichten von jungen Eltern hätten sie nicht losgelassen. „Ich bin damit einfach nicht klargekommen.“ Also blieb ihr nur eine Möglichkeit. Kurz vor dem Abschluss brach sie die Ausbildung ab.

Aber was nun? Was mit dem Leben anfangen? Für kurze Zeit sprang die junge Frau im Geschäft ihres Vaters ein. „Doch dort konnte ich mich nicht ausleben. Auch wenn er mir versprach, mir Freiraum zu lassen. Das war nicht meine Art, nicht mein Konzept.“ So reifte in Petzold Stück für Stück der Plan, einen eigenen Laden aufzumachen. „Wenn man ehrlich ist, lässt einen eine solche familiäre Prägung einfach nicht los“, sagt Petzold. „Die Blumen haben ja immer unser Leben bestimmt.“

Allerdings sollte ihr Laden ein anderes Konzept haben als die Geschäfte der Familie. „Meine Idee war und ist es, die Menschen mit vielen Blumen zu begeistern.“ Die Einrichtung sollte eher schlicht sein, dafür alles voller großer Kübel mit Schnittblumen. „Und alles – durch den langjährigen Kontakt zu Erzeugern und den direkten Import – zu einem fairen Preis.“

Vor rund einem Jahr eröffnete Petzold ihren zweiten Laden an der Hegestraße

In der Familie stieß Tessas Idee zunächst auf Ablehnung. „Oma und Opa haben beide gesagt: ‚Mach das nicht.‘ Ich bin mir aber sicher, das war aus Sorge. Mit dem Wissen, wie hart so ein Geschäft sein kann.“ Auch der Vater sei skeptisch gewesen, habe ihr dann aber seine Hilfe angeboten. „Ich habe ganz klein angefangen, mir ein bisschen Startkapital von der Bank geholt.“ Am Lokstedter Weg unterschrieb sie einen Mietvertrag für ein Jahr. Lieh sich das Auto ihres Vaters, um zum Großmarkt zu fahren. Und eröffnete dann Anfang 2010 ihr erstes eigenes Geschäft. „Ich hatte schon Angst vor diesem Schritt in die Selbstständigkeit“, sagt sie heute. „Aber gleichzeitig auch das sichere Bauchgefühl, das ist gut so.“

Ihr Gefühl hat sie nicht getrogen. Das Geschäft am Lokstedter Weg läuft so gut, dass Petzold vor rund einem Jahr an der Hegestraße einen weiteren Laden eröffnet hat. Mittlerweile arbeiten fünf Angestellte für das kleine Unternehmen. Ihr Vorteil: Sie kann das große Lager der Familie in Allermöhe mit nutzen. Ein ganz klein bisschen spielt sie derzeit sogar mit dem Gedanken, noch einen weiteren Standort um die Ecke zu eröffnen. „Das muss aber alles wirklich gut überlegt sein“, sagt sie.

Den Spagat zwischen Beruf und Familie schafft Tessa Petzold nur, weil ihr Mann und sie sich Arbeit und Kinderbetreuung aufteilen. „Guido ist recht schnell mit eingestiegen, als ich schwanger wurde“, sagt sie. Jetzt stehen sie morgens abwechselnd um vier Uhr auf. Der eine kümmert sich um die Blumen, der andere versorgt die kleine Tochter und bringt sie in die Kita.

Um 14.30 Uhr ist für Petzold meist Schluss mit der Arbeit, zumindest offiziell. „Mir ist es unheimlich wichtig, viel Zeit mit Ida zu verbringen“, sagt sie. „Ich will sie aufwachsen sehen, mit ihr schöne Dinge unternehmen. Das lasse ich mir nicht nehmen.“ Auch so habe ihre Arbeitswoche locker 40 bis 50 Stunden, erreichbar sei sie zudem natürlich immer für ihre Mitarbeiter.

Und einen gemeinsamen Urlaub hat die kleine Familie bisher auch nicht realisieren können. „Wir haben sechs Tage in der Woche geöffnet. Da schaffen wir es höchstens mal, von Sonnabendnachmittag bis Sonntagabend wegzufahren“, sagt Tessa Petzold.

Doch diese Einschränkung empfindet Petzold auf einmal nicht mehr als Opfer, zumindest im Moment nicht. „Wir leben ein wundervolles Leben. Was wollen wir mehr?“