Florian Braun ist Chef des traditionsreichen Modehauses Unger. In seinem neuen Geschäft verkauft er Pullover im Pizzakarton

Neustadt. Florian Braun ist nur ein bisschen rasiert. Gerade so hoch stehen seine Bartstoppeln, dass es hip und lässig und nicht liederlich aussieht. Der schmale Anzug sitzt, verrutscht auch beim Posieren für den Fotografen nicht. Ein Zeichen bester Qualität und Anpassung. Eigenschaften, die nicht nur für Braun persönlich wichtig sind, sondern auch für dessen Geschäft alles bedeuten: Florian Braun ist 34 Jahre alt und Geschäftsführer des traditionsreichen Modehauses Unger am Neuen Wall. Er hatte an seinem 30. Geburtstag die Geschäfte von Vater Michael übernommen.

Seither ist Florian Braun damit Herr über die Modeträume der Damenwelt: über Handtaschen, Kaschmirware, feinste Lederleggins, Daunenmäntel, Capes und Sonnenbrillen. „Als Mann stört es mich jetzt nicht, viel mit Frauensachen zu tun zu haben“, sagt er und lacht. Ende September hat er mit dem Uzwei in der Kaisergalerie in der Innenstadt neben dem Online-Shop ein weiteres Versatzstück des modischen Familienunternehmens eröffnet. Und gleich gegenüber eröffnet sein Cousin Lars Braun am Sonnabend, 25. Oktober, die neue Filiale des Herrenausstatters Braun.

Ein Gegentrend zu dem, was sich in anderen Städten abspielt – wie beispielsweise in Düsseldorf, wo Luxusläden wie der Familienbetrieb Eickhoff schließen. Florian Braun ist niemand, der mitschwimmt, keiner der sich aufhalten lässt. Eher ist er dem Fortschritt ein Stück voraus. Ist eher jemand, der es allen beweist, indem er das Gegenteil tut. In diesem Fall: expandieren. „Uzwei ist unsere Antwort auf ein sich zunehmend veränderndes Konsumverhalten“, sagt Braun. Ein sogenanntes Multilabel-Konzept. Nach dem Vorbild britischer Shops, die Braun schon während seiner BWL-Studienzeit in London kennengelernt hatte, findet sich auf rund 1000 Quadratmetern ein Sortimentsmix, dazu der „deutschlandweit erste Shop-in-Shop von Stella McCartney“ sowie exklusive Sport- und Kindermode. Doch tritt man drei Treppenstufen hinunter, schon steht derjenige, der eben noch Kleiderbügel mit Lederröcken in der Hand hielt, in einem Deli. Kann frisches Müsli löffeln oder Bio-Wasser schlürfen, einige Schritte weiter an einer türkisfarbenen Steintheke beim Floristen frisch gebundene Blumensträuße kaufen oder sich nebenan „Cashmere to go“, klassische Pullover für 100 Euro, wie im Vorbeigehen mitnehmen. Zu dekadent? Ob der Hamburger diesen Mix annimmt?

„Viele Leute verstehen das noch nicht, aber das ist auch nicht schlimm“, sagt Braun, ohne dabei herablassend zu wirken. Er ist überzeugt von seinem Ansatz – und von der Offenheit der Hanseaten. „Es heißt immer: ‚Das klappt in Hamburg sicher nicht‘, aber ich sehe das komplett anders. Wir haben hier ein Konzept geschaffen, das ganz viele Reiz- und Ansatzpunkte hat und die Kunden von ihren unterschiedlichen Lebenswelten abholt.“ Dieses in Hamburg einzigartige Konzept habe einen redaktionellen Ansatz: Wie in einem Modemagazin würden durch die Aufmachung Geschichten erzählt.

Dass hier am Fleet Zeitgeist Einzug hielt, beweist nicht zuletzt die Umkleidekabine, in deren Spiegel eine Kamera integriert ist, mit welcher man sich im Outfit fotografieren und dieses Foto daraufhin in den sozialen Netzwerken teilen kann. Der Freundesschwarm entscheidet flugs, welcher Pulli am besten kleidet. Die Ideen für dieses Konzept hat Braun auf seinen vielen Reisen zu Modemessen in Italien, Modeschauen auf der ganzen Welt, bei Besuchen in Ateliers in Paris, bei Modeschöpfern in London bekommen.

Immer macht er Bilder mit seinem Handy und schickt diese Inspirationen an sein Team. „Meine männlichen Freunde lachen sich tot, die haben mit Mode nix zu tun“, sagt Braun. „Der eine verkauft Schweinedärme, der andere kreiert Großküchen, der nächste ist in der IT-Branche.“ Den großen Freundeskreis, der sich gern im Henriks an der Tesdorpfstraße trifft, eint, dass „sich alle mit dem Heiraten Zeit lassen“, dafür ihrer HSV-Leidenschaft frönen. „Ich tue alles dafür, um bei den Spielen dabei zu sein“, sagt Dauerkartenbesitzer Braun, der 1989 das erste Mal im Stadion saß. „Ich lege die Flugpläne so, dass ich möglichst weder Heim- noch Auswärtsspiele verpasse.“ Von der Dior-Schau in Paris schnurstracks zum Spiel in Paderborn. „So ein schönes 0:0 ist ein super Ausgleich zu dem, was ich sonst so mache. Es erdet mich und hat mit dem Optischen, der Oberfläche nichts zu tun. Da geht es um das Bodenständige, das Emotionale, das Irrationale. Einfach Erholung für den Kopf.“ Die Spielergebnisse der vergangenen Jahre kennt er alle auswendig. Sportreporter wollte er einmal werden – jedoch dabei nur über den HSV berichten.

Doch sein Weg führte Braun, der eine behinderte Schwester hat, die zehn Jahre älter ist und in einer Einrichtung in Süddeutschland lebt, ins Familienunternehmen. „Ich habe einen sehr engen Zusammenhalt mit meinen Eltern“, sagt er, „besonders wegen des Schicksals meiner Schwester, die wir oft sehen.“ Die Mode spielte in der Familie, die an der Alster wohnte und ihren Sohn aufs Johanneum schickte, immer eine Rolle. „Mit meinen Eltern war ich auf meiner ersten Modenschau von Stella McCartney, auf der Kate Moss anfing zu modeln“, erinnert sich Florian Braun. „Dass ich mich gleich in sie verliebte, fand meine Mutter weniger gut, Moss war ja damals schon etwas anders.“

Aber auch das gehört zum Geschäft. Unger wurde bereits am 28. April 1878 von Gustav Wilhelm Unger gegründet, im Jahr 1953 von den Eheleuten Erich und Helene Braun gekauft. In den Wirtschaftswunderjahren wurde das von Helene Braun geführte Haus ein Inbegriff für exklusive Damen-Luxusmode in der Stadt. Sohn Michael Braun übernahm alsbald und kaufte 1982 gemeinsam mit seiner Ehefrau Susanne – Florian Brauns Mutter – das Modehaus Horn am Neuen Wall 35 und legte hierher den heutigen Hauptsitz des Unternehmens. „Meine Eltern sind sehr jung geblieben, und ich schätze ihre Meinung“, sagt Braun.

Erst vor Kurzem war die Mama zum Einkaufen im neuen Uzwei, sie brauchte neue Nike-Turnschuhe und „bekam einen sehr besonderen Preis“, sagt Florian Braun. Dabei grinst er frech.

Und für diesen Moment ist er gar nicht der modebewusste, smarte Geschäftsmann und Geschäftsführer des Luxushauses Unger. Sondern einfach nur Sohn.