Wie das erste gemeinsame Werk von Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski und Irina Pilawa entstand.

Bergedorf. Töchter können manchmal ganz schön ehrlich sein. „Das bist du nicht!“, sagte Irina Pilawa, 42, zu ihrem Vater, dem bekannten Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski, 73. Beide hatten sich ein Buchprojekt ausgedacht – das erste gemeinsame. Der Vater wollte das Werk „Die Zukunftslüge“ nennen. Die Tochter fand den Titel aber viel zu negativ. „Ich bewundere meinen Vater für seine uneingeschränkte Lebens- und Schaffensfreude. Aber eigentlich ist er seit jeher ‚Mr. Positiv‘“, erinnert sie sich an das Gespräch.

Nun trägt das Werk, das am kommenden Donnerstag in Hamburg offiziell vorgestellt wird, den optimistischen Titel „So wollen wir leben. Die 10 Zukunftshoffnungen der Deutschen“. Darin gehen „Mr. Positiv“ und die gelernte Erziehungswissenschaftlerin und Ehefrau des TV-Moderators Jörg Pilawa der Frage nach, welche Visionen und Zukunftshoffnungen die Deutschen angesichts tief greifender globaler Veränderungen haben. Der Vater gibt darin als Autor den Ton an – und die Tochter den Trend. Grundlage für die Zukunftsstudie, die im besten Sinne ein Generationenwerk ist, bilden repräsentative Umfragen des Ipsos Instituts Hamburg/Mölln.

Seit Jahrzehnten ist das Denken des emeritierten Hochschullehrers Opaschowski darin geschult, Entwicklungen und Trends rechtzeitig zu erkennen. Sogar die Entstehungsgeschichte des Buches bettet er in einen politischen Trend ein, dem Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar genauso folgt wie der britische Premier David Cameron. „Nudging“ heißt er. Das bedeutet: in die richtige Richtung schubsen oder anstupsen. In der Politik, sagt der Forscher, würden solche psychologisch geschulten Verhaltenswissenschaftler händeringend gesucht. „Und für meine wissenschaftliche Arbeit“, fügt er hinzu, „habe ich sie gefunden: meine Tochter. Sie schreibt zwar keine Texte, gibt aber durch Fragen und Kommentare die Richtung vor.“ Zukunft bedeute für die Mutter von drei Kindern, an die nächste Generation zu denken.

Seit Irina Pilawa zurückdenken kann, kreisen viele Gespräche in der Familie um das Thema Zukunft. „Die Forschungsarbeit meines Vaters findet seit jeher mehr im Familienkreis als im Forschungslabor statt.“ Während ihre Mutter Elke, seit 47 Jahren mit dem Wissenschaftler verheiratet, in all den Jahren mehr als 40 Buchmanuskripte ihres Mannes bearbeitete, lernte die Tochter, bei solchen Gesprächen wirklich wichtige Fragen zu stellen und neue Sichtweisen zu eröffnen.

„Das war eine meiner Motivationen für die Mitarbeit an diesem Buch“, sagt sie. „Fragen stellen und infrage stellen. Dabei wollte ich meinen Vater herausfordern, die richtigen Antworten zu finden. Zum Wohl der nachfolgenden Generationen.“ Bescheiden fügt Irina Pilawa hinzu, dass sie ihrem Vater „zu keiner Zeit das Wasser reichen könne“.

Dabei arbeitet sie inzwischen selbst als Referentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zukunftsforschung in Hamburg; 2007 gründete die Grundschullehrerin die erste private Montessori-Schule in Hamburg.

Das Buch ist mit seinen vielen empirischen Daten eine aktuelle demoskopische Fundgruppe. So sehr die junge Generation optimistisch in die Zukunft blickt, so groß ist – den Umfragen zufolge – die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung. Irina Pilawa beunruhigt dieser Trend: „Die Bürger sind zukunftshungrig. Die Politiker aber scheinen zukunftsblind zu sein, weil sie mehr an die nächste Wahl als an die nächste Generation denken.“ Deshalb schlägt die Mitautorin einen regierungsunabhängigen „Zukunftsrat“ vor, dem Helmut Schmidt genauso angehören könnte wie Margot Käßmann und Barbara Schöneberger. Professor Opaschowski zeigt sich derweil vom hohen Anteil jener Deutschen überrascht, die sich für mehr Volksabstimmungen aussprechen. „Die Bürger trauen den Politikern nicht mehr zu, mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts fertigzuwerden.“ Politiker reagierten fast nur noch auf „Zuruf“ oder auf „mediale Reizthemen“. Das sei ein „Trauerspiel“.

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Familie ist für rund 90 Prozent der Befragten das Wichtigste im Leben. Gerade in Krisenzeiten besinnen sich die Deutschen auf das, was ihnen soziale Grundgeborgenheit gibt und zum Wohlbefinden beiträgt: das Zusammensein mit den Generationen. „Die Familie“, betont Opaschowski, „ist billig und barmherzig.“ Vor allem dann, wenn es um die Pflege von Angehörigen gehe.

Auch für die Großfamilie Opaschowski und Pilawa ist der Zusammenhalt von vier Generationen unverzichtbar für ein glückliches und erfolgreiches Leben. Die Häuser der Großeltern, Eltern und Kinder befinden sich übrigens nur zehn Minuten voneinander entfernt, betont der 73-Jährige. „Bei uns bewährt sich das Lebensprinzip ‚Nähe durch Distanz‘“.

Das Buch „So wollen wir leben – die 10 Zukunftshoffnungen der Deutschen“ von Horst W. Opaschowski und Irina Pilawa ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen und kostet 19.90 Euro