Der Hamburger ist Mitinhaber des Bierlokals Altes Mädchen. In seinen vorherigen Leben war er Profisurfer, Manager und Reiseunternehmer.

Diese Geschichte passt nicht in ein einziges Leben. Der Gedanke geht jedem Zuhörer unweigerlich durch den Kopf, wenn er die Erzählung von Axel Ohm hört. Muss sie auch nicht, ergänzt der. Schließlich befinde er sich gerade in seinem vierten Leben. „Und ich darf so was auch wirklich behaupten“, sagt der sympathische Hamburger und lacht. Dabei zählt Ohm seine ersten 19 Lebensjahre noch nicht einmal mit.

Seine Zeitrechnung beginnt nämlich nach dem wohl schlimmsten Erlebnis des heute 51-Jährigen, nach einem schweren Bundeswehrunfall mit 19 Jahren. Ohm will nicht wirklich über den Tag sprechen, der sein Leben so entscheidend prägte, nur so viel: „Es hätte nicht passieren dürfen. Ist es aber. Und ich saß plötzlich im Rollstuhl.“ Heilungschancen ungewiss. „Da lag ich im Krankenhaus, hatte an der Wand unglaubliche Bilder von Ländern wie Australien oder Hawaii und sollte so etwas wohlmöglich nie sehen. Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen.“ Für viele Wochen war dieser Anblick sein Lebenselixier, wie er sagt. Geliebt habe er die Bilder. So sehr, dass er sich schon im Bett fest vorgenommen habe: „Da will ich hin. Da muss ich einfach hin.“

Gesagt, getan. Entgegen erster Prognosen kämpfte sich der willensstarke Mann durch ein Reha-Programm und fuhr nur ein knappes Jahr später wirklich dorthin. Mit einem bisschen gesparten Geld in der Tasche begann das erste Leben Ohms, wie er sagt, am anderen Ende der Welt. Als Surfer, wie sollte es dort im Land der Surfer und Wellenreiter anders sein. „Irgendwie habe ich, obwohl ich bisher nicht viel Erfahrung hatte, schnell ein Talent entwickelt. Ich konnte Regatten fahren und mich mithilfe von Sponsoren sogar eine Weile finanzieren“, sagt er. Doch viel entscheidender: Ohm lernte das Meer lesen, wie er sagt. „Ich habe hier in Australien den Rhythmus des Meeres verstanden.“

Mit diesem Wissen kam der Aussteiger zurück nach Europa. Und konnte innerhalb kürzester Zeit ganz vorn bei den großen Regatten mit mischen. „Ich sehe mich noch in Sylt am Strand stehen. Mein erster Worldcup. Vor mir standen sie alle, die Posterboys meiner Jugend. Männer wie Robby Naish. Und plötzlich war ich dabei.“ Unglaublich sei diese Erfahrung gewesen. Ohm wurde in den folgenden Jahren deutscher Meister und schaffte es sogar unter die Top zehn der Welt. Acht Jahre lang nahm er an den Wettfahrten teil. Entwickelte parallel dazu bereits erfolgreich mit einem Freund in Südafrika Zubehör wie Boards und Segel.

Im Jahr 2000 wanderte Axel Ohm mit Frau und Kindern nach Südafrika aus

Dieses Engagement war es, was ihm sein zweites Leben beschwerte, wie er sagt. „Nach den vielen Jahren im Surfer-Zirkus kam der Punkt, an dem ich genug von diese Zigeuner-Leben hatte. Ich fühlte mich entwurzelt, wollte endlich mal ein Zuhause haben“, so Ohm heute. „Und mir die Chance erarbeiten, eines Tages vielleicht mit meiner Frau und meinen Kindern unter einem Baum zu sitzen.“ Ohm sattelte um und wurde Manager bei Reemtsma. Der erste Nichtraucher in dem Zigaretten-Konzern, wie er sagt. „Nur unter diesen Bedingungen konnte ich als Sportler bei dem Unternehmen arbeiten.“

Doch auch sein zweites Leben wurde dem engagierten Mann irgendwann zu langweilig, das Leben in Deutschland wieder zu eng. Im Jahr 2000, seine Zwillingstöchter waren gerade in Hamburg geboren, entschlossen sich Ohm und seine Frau, nach Südafrika auszuwandern. Leben Nummer drei begann. Ohm gründete in Kapstadt eine Touristikfirma, bot Eco-Safaris an. Nebenbei organisierte er den Auf- und Ausbau von sozialen Entwicklungs- und Naturschutzprojekten für internationale Firmen. Wenn Ohm von diesen Jahren erzählt, leuchten seine Augen. Immer schneller spricht er, so viel gibt es über Land, Leute und das Leben dort zu erzählen. „Wir hatten eine wunderbare Zeit. Unsere Kinder so unbeschwerte tolle Jahre.“ Doch seine eigene Geschichte und das Leben in Südafrika haben Ohm nachdenklich gestimmt.

So nachdenklich, dass er 2010 zusammen mit einem Unternehmen das soziale Projekt Dibanisa ins Leben rief. Hier werden sozial benachteiligte Kinder mithilfe eines Sport- und Bildungsprogramms unterstützt. Jahr für Jahr wirbt Ohm seitdem das Geld für das Projekt in Südafrika ein, unter anderem mithilfe des Stand-up-Paddling-Events Stand up for Nature.

Doch nach zehn Jahren auf dem anderen Kontinent war es Zeit für Ohm, Leben Nummer vier zu beginnen. „Wir haben gemerkt, dass es wichtig war für unsere Kinder, Deutschland kennenzulernen“, so Ohm. Und damit war es Zeit für den nächsten beruflichen Neuanfang ihres Vaters. Der half zuerst bei der Neuaufstellung der Ratsherrn Brauerei und bei der Entwicklung der Schanzenhöfe in Hamburg. Ohm eröffnete dann 2013 in direkter Nachbarschaft zusammen mit seinem Geschäftspartner Patrick Rüther das Braugasthaus Altes Mädchen. Tief hat er sich in die Materie Bier eingearbeitet. Ohm ist ausgebildeter Biersommelier und kennt sich in Hamburgs Braugeschichte aus wie kein anderer. „Ich hätte vorher nie für möglich gehalten, welche Bedeutung das Getränk für die Hansestadt hat“, sagt er. „Hamburg hat die spannendste Biergeschichte Europas.“

Und so gelingt ihm spielerisch der Wechsel zwischen den Welten, die auf den ersten Blick nicht miteinander vereinbar erscheinen. Profisport mit Zigarettenfabrik. Alternativreisen in Südafrika mit Hamburgs Biergeschichte. Und wenn man Ohm genau zuhört, wird Leben Nummer fünf sicherlich nicht allzu lange auf sich warten lassen.