Der Designer Peter Schmidt über das Altern, seine neue Wohnung und die Kraft des Buddhismus.

Winterhude. Peter Schmidt ist 76 Jahre alt. Er hat gerade eine Herz-Operation überstanden. Neustart, neue Visitenkarten. Seine sind in einen weißen, milchigen Umschlag gepackt. Dadurch scheint die neue Privatadresse in Winterhude, „Townhouse“ steht dort. Das zweite Kärtchen, das er feierlich überreicht, ist ebenso gestaltet, nur prangen darauf zwei weitere Namen.

Es ist der perfekte Zeitpunkt für neue Geschäftsbeziehungen. Findet Peter Schmidt, der Designer. Der Mann, der geistiger Vater unzähliger Firmenauftritte, Verpackungen, Bühnenbilder ist. Er erschuf Wolfgang Joops und Jil Sanders Markenbilder genauso wie Parfümflakons für Marken wie Davidoff, Laura Biagotti oder Boss, er gestaltete die Apollinaris-Flasche, den Deutschen Fernsehpreis und erfand das Logo der Stadt Hamburg.

Jetzt hat er zwei junge Designer gefunden, mit denen er von nun an zusammenarbeitet. Er hat sie an seiner Agentur beteiligt. Deshalb ist auf der zweiten Karte auf schwarzem Grund zu lesen: peter schmidt, bellieo & zandée. „Man könnte meinen, ich habe das nur wegen des schönen Klangs der Namen gemacht“, sagt Schmidt und lacht leise. Die neuen Teilhaber seien einfach „supergut“, gerade setzen sie Flaschendesigns für die Restaurantkette Vapiano auf und haben der Verpackung von Ökoteebeuteln, die sich selbst kompostieren, eine Form gegeben.

Schmidt ist dabei, aber nicht immer mittendrin. „Ich habe einen ganz sanften Rückzug vor“, sagt er, „aber meine Arbeit macht mir noch so viel Spaß, dass ich nicht aufhören werde.“ Außerdem ist es ein weiteres Markenzeichen des Kreativen, sich mit jungen Menschen zu umgeben. „Sie reißen mich mit und halten mich auf dem Laufenden“, sagt Schmidt. So könne er auch ohne generationsübergreifende Familie im Hintergrund teilhaben. „Was ich fast gar nicht ertragen könnte, wäre, wenn ich keinen Zugang mehr zur Jugend hätte.“

Peter Schmidt hat die Herz-OP zwar gut überstanden, doch sie hat ihn gezeichnet. Er ist schmaler geworden, spricht etwas langsamer, überlegter und wirkt wahnsinnig reflektiert. „Ja, scheiße, man sieht es ja, dass ich 76 bin“, sagt er. „Aber ich fühle mich gar nicht so.“ Tägliche Massagen und ein persönlicher Fitnesstrainer beugen Laufproblemen vor, meist ernährt sich Schmidt gesund. Tai-Chi und Yoga probiert er auch immer mal wieder. Tagsüber. „Nachts, da kommen ja dann die Zusammenbrüche. Da denke ich: ‚76, die meisten Leute mit 76 Jahren sind gaga oder krank oder tot.‘“

Als einer der wenigen kann er auf der abstrakten wie persönlichen Ebene über das Altern sprechen, darüber, was sich deshalb in seinem Leben verändert hat. Die unübersehbare Veränderung ist sein Umzug. 25 Jahre lang lebte Schmidt an der Feldbrunnenstraße, jetzt bewohnt er eine Neubauwohnung. Zuvor hatte er das frühere Generalkonsulat der ehemaligen Tschechoslowakei jahrelang liebevoll saniert und eingerichtet. Heraus kam ein eindrucksvolles Haus über vier Etagen mit allem Pipapo: Sportstudio im Keller, gepflegter Garten, Kunstsammlung. Im Hochparterre stand ein langer Tisch. „Zweimal pro Woche hat es abends ein Riesenessen an diesem Tisch gegeben, mein Koch war da, viele Gäste“, erzählt Schmidt. „Doch es war mir lästig geworden“, sagt er und blickt auf den runden Tisch für vier Personen, an dem er gerade sitzt, „die abgefressene Tafel nachts, wenn ich die leeren Gläser in die Küche gebracht habe. Die Zeit dafür war abgelaufen.“

Diesen Tisch gibt es heute nicht mehr in Peter Schmidts neuem Zuhause. Er passte nicht in die Wohnung. Den Designer stört das nicht. Die Zeit für das große Haus sei eben abgelaufen. Doch warum hat er es nicht einfach behalten? Die finanziellen Mittel sind vorhanden. „Ich predige meinen Kunden immer Angemessenheit“, erklärt er, „das ist auch zu meinem Lebensmotto geworden. Das Haus war einfach nicht mehr angemessen.“ Aus dem gleichen Grund möchte er nicht mehr Nachbar von Mick Jagger auf Ibiza sein. Einige Kilometer von dessen Besitz entfernt hat Schmidt vor zwölf Jahren ein Refugium auf einem abgeschiedenen Berg erschaffen. „Hochwassersicher“, sagt er grinsend. Es gibt dort einen Brunnen und Stromgeneratoren. Viel zu selten sei er auf der Insel, dieses Jahr erst wenige Tage. Deshalb sei es nicht mehr angemessen. Nur ist ein solventer Käufer kaum zu finden.

Emotional scheint Peter Schmidt schon Abschied genommen zu haben, er würde sofort verkaufen. „Ich hänge nicht so sehr an Dingen. An ein paar Menschen schon. Auch nicht an so vielen.“ Es ist die buddhistische Sichtweise, die ihn prägt. Der Blick auf das Ende des Lebens. „Irgendwann ist es vorüber. Vorüber und aus. Und wenn man zu viel hat, dann kann man diesen Übergang nur mit Schwierigkeiten meistern, und das will ich nicht“, sagt er schlicht. „Ich kenne so viele Menschen, die sind so unglaublich reich und so unglaublich unglücklich.“

Aufgrund dieser Gedanken hatte er sich auch dafür entschieden, einen Teil seiner wertvollen Sammlung asiatischer Kunst dem Museum für Kunst und Gewerbe zu überlassen. „Ich finde, dass es an der Zeit war, dass auch andere daran teilhaben können“, sagt er. Nun können die Besucher in zwei buddhistischen Räumen erlesene Skulpturen, einen Altar, Stellschirme und jahrhundertealte Rollbilder bewundern, die einst Schmidts Privathaus schmückten. Viele Antiquitäten wurden versteigert, ein ganzer Katalog voll, wie Schmidt demonstriert. „Ich dachte, dass die Erben gar nicht zu schätzen wissen, was da an den Wänden hängt, und hatte Angst, dass es auf dem Flohmarkt landet.“ Einige der Kunstschätze schenkte er seinem Lebensgefährten Tobias Strauch, ein Wandbehang schmückt nun dessen Restaurant Falco in der HafenCity.

In der neuen Wohnung finden sich auch einige Teile wieder, Geschirr beispielsweise. Doch hier hängt mehr Neues, zeitgenössische Kunst. Die wirkt eher in den kleineren Räumen der verschachtelten Wohnung. „Erst sollte ich das Penthouse da oben bekommen“, sagt Schmidt und deutet durch das Fenster auf ein höheres Haus gegenüber, „aber ich sah diese Wohnung im Rohbau und wollte sie sofort. Ich liebe diesen nestartigen Charakter.“ Zudem gibt es einen Fahrstuhl direkt in den Eingangsbereich. Für Schmidt jeden Tag eine Freude: „Ich fand es bei meinen allerersten New-York-Besuchen wahnsinnig toll, wenn Leute einen Aufzug in die Wohnung hatten.“

Hier lebt er nun, der Inszenierer. Ein wenig zurückgezogener zwar, dafür in einer Gegend, die pulsierender ist als Harvestehude. „Hier ist es ziemlich verrückt“, sagt Schmidt. „Fast südländisch, aus hanseatischer Sicht.“ Er lächelt schelmisch. Und sieht dabei sehr jung aus.