Sommelier Hendrik Thoma findet sein Urlaubsland mitten in der Stadt – im Restaurant O Café Central an der Großen Bäckerstraße. Seit seiner ersten Weinreise macht Thoma häufig Urlaub in Portugal.

Hamburg. Warum in die Ferne schweifen, wenn man die Lieblingsdestination auch fußläufig erreichen kann? Na ja, zumindest einen Ort, der an das bevorzugte Urlaubsland erinnert. Wenn Hendrik Thoma das Fernweh nach Portugal packt, geht er nicht etwa ins Portugiesenviertel am Hafen, in dessen Nähe er auch einige Jahre lang gewohnt hat. Der Master-Sommelier besucht seinen Freund Felipe Barros, Gastronom des kleinen gemütlichen Restaurants O Café Central in der Großen Bäckerstraße 4, setzt sich an einen der winzigen Tische auf dem Trottoir mit einem Glas Wein und genießt.

„Die meisten Lokale im Portugiesenviertel bieten mediterrane Speisen. Wenn ich mal authentisch portugiesisch essen möchte, gehe ich zu Felipe“, sagt der 46-Jährige. „Vor allem sein Mittagstisch, ein Drei-Gänge-Menü, ist ein echter Geheimtipp.“

Der Wirt, der das Lokal zusammen mit seiner Frau betreibt, kam vor vielen Jahren aus Portugal über Frankreich nach Hamburg. „Obwohl in Hamburg die zahlenmäßig bedeutendste portugiesische Gemeinde deutschlandweit lebt, ist die landestypische Küche bei Weitem nicht so bekannt wie etwa die italienische oder die griechische Küche“, sagt Felipe Barros. Lediglich Läden, die Pastellarias, die Pastel de Nata, das süße Pudding-Gebäck, Schinken-Croissants und Galao anbieten, gibt es mittlerweile an fast jeder Ecke. Dabei ist die Küche des verhältnismäßig kleinen Landes durchaus vielfältig, allein durch die große Auswahl an Fischen und Meeresfrüchten.

Auf der Speisekarte des O Café Central stehen beispielsweise Gambas, Tintenfischspieße, Thunfischfilet und natürlich Tapas wie Pimentos, Sardinen, Kartoffeln mit Salzkruste oder warmer Ziegenkäse. Spezialität des Hauses ist der deftige Bohneneintopf der Patronin: „Ihr Feijoades ist eines meiner Lieblingsgerichte“, sagt Felipe Barros.

Dazu gibt es ausgewählte portugiesische Weine. Und das ist natürlich für einen wie Hendrik Thoma enorm wichtig. Schließlich arbeitet er nun schon seit mehr als 20 Jahren als Weinexperte, ließ sich in London zum Master-Sommelier ausbilden, was ihn zu einem von drei deutschen Meistern machte.

13 Jahre verbrachte Thoma im Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee. Er hat die Aufbaujahre des Luxushotels miterlebt. Schon bevor das Jacobs-Restaurant einen Michelin-Stern bekam, wurde Thoma 1999 zum „Sommelier des Jahres“ gekürt. Sein typischer Spruch, wenn er zu Gästen an den Tisch kam: „Ich gebe Ihnen jetzt mal die Weinkarte, und wenn ich dann wieder zu Ihnen komme, wird’s teuer“, erzählt Hendrik Thoma lachend. Überhaupt lacht er während des Gesprächs sehr oft, genießt seinen Fisch, trinkt noch einen Schluck Rotwein, erzählt weiter von seiner Leidenschaft. Man merkt ihm an, wie viel Spaß er an seinem Job hat. Nur, dass ihn manch einer als „den Sommelier aus dem Luxushotel“ abstempelte, das hat ihm irgendwann nicht mehr gepasst. „Zum Teil trauten sich die Leute nicht, mich nach einem guten Wein zu fragen – aus Scheu, ich könnte ihnen einen zu teuren Tropfen verkaufen.“ Wieder andere wollten sich in puncto Weinwissen mit ihm messen. Aber mit Weinen als Statussymbol, kann Thoma nichts anfangen.

„Das ist das, was ich an Portugal so liebe: „Du sitzt am Strand, isst gegrillte Dorade und trinkst dazu ein Glas kühlen Vinho Verde – ganz einfach, mehr braucht man nicht“, so der Sommelier.

Seit 2007 ist Hendrik Thoma selbstständig mit Weinhandel und -vertrieb. Für das Deutsche Weininstitut ist er bundesweit und als französischer Weinbotschafter in der ganzen Welt unterwegs, in seiner Video-Web-Show „Wein am Limit“ dokumentiert er seine Weinreisen und interviewt Winzer, Sommeliers und Weinfreunde. Dabei legt der 46-Jährige viel Wert darauf, den Ursprung der Reben und das Handwerk der Weinbauern zu kennen. „Industrielle Massenware interessiert mich nicht. Lieber schaue ich mir das Weingut einer jungen Winzerfamilie an, die unter nachhaltigen Aspekten einen besonderen Wein herstellt“, sagt Thoma. „Ich mag passionierte Leute, die sich etwas zutrauen und was zu sagen haben.“

Eine der ersten Weinreisen führte vor etwa 15 Jahren nach Portugal. „Früher kannte man ja höchstens Portweine aus der Region. Die Reise sollte auf die dortigen Weingüter aufmerksam machen.“ Da sei Thoma allerdings sehr enttäuscht gewesen. „Man merkte noch die Spuren der Salazar-Diktatur, bis Mitte der 80er-Jahre war das System noch sehr starr, und die Weinbauern fingen gerade erst wieder an, ihre wiedergewonnenen Güter zu bewirtschaften. Seitdem haben die portugiesischen Winzer aber eine rasante Entwicklung gemacht.“

Mittlerweile reisten die Portugiesen sehr viel, um ihre Weine zu verkaufen. International und in Deutschland habe Portugal große Zuwächse beim Export von Wein zu verzeichnen. Gerade hat Thoma seinen Weinführer „50 Great Wines of Portugal“, eine Auswahl feinster portugiesischer Weine, herausgebracht.

Seit seiner ersten Weinreise macht Hendrik Thoma häufig Urlaub in Portugal, besucht Freunde dort. „Am liebsten fahre ich nach Caminha im Norden des Landes, direkt an der Grenze zu Spanien: zauberhafte kleine Ferienwohnungen, schöne Strände, viel Wind, die Natur ist grün, und es gibt frische, bezahlbare Küche. Die Leute sind freundlich, das Klima ist nicht so heiß, die Gegend ist kulturell reich, Santiago de Compostela mit seinem berühmten Jakobsweg ist nicht weit entfernt.“

Nur in diesem Sommer wird Hendrik Thoma seinem Urlaubsland Nummer eins untreu und reist an die südfranzösische Küste. Aber da sollen die Weine ja auch genießbar sein.