Der Österreicher Hubert Neubacher arbeitete bis vor 20 Jahren im Renaissance Hotel. Heute gehört er mit seiner Traditionsfirma Barkassen-Meyer zu den erfolgreichsten Machern im harten Hafenrundfahrtsgeschäft.

St. Pauli. Wenn Hubert Neubacher über sich spricht, dann redet er gern vom „kleinen Hubi“ oder „dem Ösi-Kellner“, den es vor einem knappen Vierteljahrhundert aus dem Dorf Haus im Ennstal (Steiermark) in die Welt hinauszog. Genauer gesagt, ans weite Meer. Noch genauer, auf die Insel Norderney. Von dort war es dann nach seiner ersten Saison als „Tellertaxi“ nur noch ein kurzer Weg durchs Tor zur Welt, nach Hamburg hinein.

Heute, wo er seinem erlernten Beruf schon seit vielen Jahren entsagt hat und an den St. Pauli-Landungsbrücken längst zu den erfolgreichsten Machern im harten Hafenrundfahrtsgeschäft gehört, hat sich seine jugendliche Ehrfurcht vor der Metropole gelegt. „Die Stadt ist kleiner geworden. Beinahe empfinde ich Hamburg, meine zweite Heimat, sogar als Dorf, was an meinem guten Umfeld liegt. Ich hätte jedenfalls niemals gedacht, dass ich mich hier jemals so heimisch fühlen könnte ...“

Seine Vita entspricht der klassischen Story des erfolgreichen Tellerwäschers

Neubacher ist zweifellos auch ein Meister der charmanten Untertreibung. Denn heute auf den Tag genau ist er 20 Jahre bei der urhanseatischen Firma Barkassen-Meyer (gegründet 1919) beschäftigt, die ihm seit dem 1. Januar 2013 sogar gehört – womit Österreich (bis 1918 sechstgrößte Marinemacht der Welt) sozusagen wieder eine eigene Flotte unterhält.

Die natürlich Touristen anstatt Kanonen transportiert. Es gibt sie also wirklich, die Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Erfolgsstory, „aber die Schritte dorthin sehen doch spektakulärer aus, als sie in Wirklichkeit waren“, sagt Neubacher und erklärt, dass er als Restaurantfachmann des Renaissance-Hotels, das für die Büfetts auf den Meyer-Schiffen zuständig war, praktisch zwangsläufig an Bord gehen musste. Doch der junge Hubert träumte gleichzeitig mehr oder weniger laut von Veränderung. Weil das Barkassengeschäft damals expandierte, suchte die Geschäftsführung nach einem tüchtigen Assistenten. Er fragte an, durfte bleiben und setzte sich durch.

Was ihm nur wenige aus der Barkassenszene zutrauten, die einen der wichtigsten Stützpfeiler der Hamburg-Touristik bildet. So blieb ihm, dem Zugereisten, anfangs das übliche „Du“ auf den Landungsbrücken verwehrt, sogar im eigenen Betrieb. „Nee, wir bleiben erst mal beim Sie“, sagte einer der altgedienten Kapitäne zur See, „denn wir wissen ja nicht, wie lange das hält.“ Tja. Bisher zwei Jahrzehnte. Vermutlich liegt dies nicht nur daran, dass Neubacher an den Landungsbrücken und auf seinen Schiffen rastlos unterwegs ist (inzwischen besitzt er das Hafenpatent und dürfte selbst ans Ruder), sondern weil er begriffen hat, dass es mehr als nur eine Handbreit Wasser unterm Kiel braucht, um in der harten Touristikbranche langfristig erfolgreich zu sein.

Für den modernen Tourismusmanager ist internationales Netzwerken Pflicht

Es sei wohl auch hilfreich gewesen, meint er, als Quereinsteiger einen unverschleierten Blick zu besitzen, der übers Dollbord hinausgeht: „Nur wenn du richtig vernetzt bist und die Mechanismen des Marktes verinnerlichst, bekommst du was zurück“, sagt er. So besteht sein Job, den er als „Berufung“ bezeichnet, vor allem darin, Kontakte zu knüpfen und und zu pflegen: zu den Hotels, den hanseatischen Familien und Wirtschaftsführen, Verbänden und Interessensorganisationen sowie in die Kulturszene der Stadt. „Ich versuche, ständig präsent zu sein, jedoch ohne mich freilich aufzudrängen oder gar anzubiedern“, sagt Neubacher (neuerdings auch Präsident des Skål-Clubs, einem weltweiten Netzwerk von hochrangigen Tourismusmanagern).

Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm dabei sein ehrbarer Lehrberuf nützt, in dem es ja auch darauf ankomme, dieses spezielle, Zu-Diensten-sein-Gefühl ganz selbstverständlich zu vermitteln, amüsanten Small Talk zu beherrschen und immer genau zu spüren, wann man sich zurücknehmen muss oder dem Gast eine Entscheidung abnehmen darf. „Gleichzeitig versuchen wir im Team, die klassische Hafenrundfahrt immer wieder ein Stückchen innovativer zu gestalten.“ Sie wollten zwar nicht unbedingt die Größten werden, sondern die Besten sein. Seine Schiffsführer sollen daher ruhig weiter ihre „Döntjes vertellen“, aber sie sollen den Hafentouristen gleichzeitig auch das wirklich Wissenswerte über den Hafen erzählen. Und dass sich die drei größeren meyerschen Fahrgastschiffe für Konzerte, Lesungen und Präsentationen eigneten, sei das Innovative.

Dass er dazu auch die geplante Seilbahn über dem Hafen zähle, liege in der Natur der Sache. „Hallo? Ich bin schließlich Österreicher. Und mein Vater hat bis zur Rente bei der Seilbahn gearbeitet!“, sagt er vergnügt. Und man solle sich doch mal vorstellen, wie es wäre, wenn unter der Gondel zufällig gerade ein Kreuzfahrtschiff durchs Wasser gleitet. „Das ist ein Anblick, den jeder Tourist nach Hause mitnimmt und nie wieder vergisst“, schwärmt er.

Die Identifikation mit seinem Unternehmen geht inzwischen so weit, dass beide ineinander verschmolzen scheinen. „Ja, ich verbringe zweifellos weitaus mehr Zeit am Hafen als zu Hause“, sagt Neubacher, der ansonsten „unauffällig mit seinem Lebensgefährten in Hamm wohnt. „Dort ist es schön normal und bürgerlich, und ich muss mit meiner Liebe zu meinem Freund nicht hinterm Berg halten...“, was in seiner ländlichen, bergigen Heimat vielleicht schwieriger sei. An den Landungsbrücken schert es sowieso niemanden, auf welchem Ufer der österreichische Barkassenchef beheimatet ist. Auch mit dem alten Kapitän zur See ist er schon lange per Du.