Die NDR-Moderatorin Bettina Tietjen ist Schirmherrin des Projekts in Harburg. Neben Unterstützern gibt es aber auch Kritiker des Hospiz, diese wollen den Tod nicht vor der eigenen Haustür haben.

Harburg. So eine Schirmherrschaft ist eine praktische Sache. Eine bekannte Persönlichkeit stellt sich als Pate für ein Projekt oder eine Organisation zur Verfügung, und beide Seiten haben etwas davon. Die einen bekommen dank des Prominenten mehr Aufmerksamkeit, und ganz nebenbei wird dessen Image etwas aufpoliert.

Was ein Schirmherr oder eine Schirmherrin genau macht, reicht vom Namen, der nur zur Verfügung gestellt wird, bis zur tatkräftigen Mitarbeit. Läuft es besonders gut, springt für die bekannte Person noch ein Foto mit süßen Tieren heraus, denn Tiere – so eine alte Medienweisheit – gehen immer. Nicht so gut gehen hingegen die Themen Sterben und Tod. Trotzdem hat sich NDR-Moderatorin Bettina Tietjen dafür entschieden, die Schirmherrin des Hospizes Harburg zu werden.

Anfang Dezember öffnet das Haus, das Menschen einen persönlichen und zeitgleich medizinisch sicheren Rahmen zum Sterben bietet, seine Pforten. Aber bereits jetzt gibt es in der Nachbarschaft neben Unterstützern auch ein paar Kritiker, die den Tod nicht direkt vor der eigenen Haustür haben wollen.

Vor ein paar Monaten wurde der Konflikt öffentlich. Bettina Tietjen, 53, war zu dem Zeitpunkt bereits als Schirmherrin der Einrichtung angefragt und überlegte noch, ob sie das Angebot annehmen solle. „Der Protest war sozusagen der Auslöser dafür, dass ich zugesagt habe“, sagt sie. „Ich fand diese Reaktionen einfach unmöglich.“

Außerdem war es der Moderatorin wichtig, dass sie das Team hinter dem Hospiz – der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes Hamburg-Harburg – sympathisch fand und sie nicht nur „ein kleines Rädchen in einem Riesenapparat“ ist. Zudem ist der stolzen Harburgerin die Entwicklung der Hansestadt südlich der Elbe wichtig. Derzeit steht sie vor allem mit ihrem Namen für das Projekt und arbeitet, wann immer es nötig ist, ehrenamtlich als Moderatorin für das Hospiz. Später will sie die Bewohner auf Wunsch besuchen.

Die Kosten für den Hospiz-Aufenthalt werden zum Großteil von der Krankenversicherung übernommen. Nur ein Teil – immerhin 250.000 Euro pro Jahr – muss durch Spenden finanziert werden. Außerdem fehlen noch eine Millionen Euro für die Renovierung des früheren Gemeindehauses.

„Man verdrängt die Themen Sterben und Tod ja ganz gerne“, sagt Bettina Tietjen. „Aber Verdrängung ist keine Lösung.“ Das musste sie selbst in ihrem Leben bereits lernen. Tietjen wuchs mit zwei Schwestern auf, aber es gab noch eine dritte Schwester, die im Alter von zwei Jahren an einem Tumor starb.

Die Moderatorin selbst war damals neun Jahre alt. Ein Alter, in dem man zwar merkt, dass etwas nicht stimmt, aber noch nicht richtig versteht, was und warum. Hauptsächlich bemerkt das Mädchen damals, dass seine Mutter nicht da war, da die mit der Schwester fast ein Jahr im Krankenhaus verbrachte. „Damals durften Kinder noch nicht auf die Station“, sagt Tietjen. „Und so war unsere Familie zerrissen.“ Als die Schwester starb, freuten sich die anderen Kinder fast ein wenig, dass sie nun ihre Mutter wieder für sich hatten. Trotzdem versteht natürlich auch ein Kind, dass ein Familienmitglied gestorben und für immer weg ist. Bis heute wird der Schwester, die Tietjen nie richtig kennenlernte, häufig gedacht.

Das nächste Mal in ihrem Leben beschäftigte sich die Moderatorin mit dem Thema Tod, als ihre Mutter an Krebs erkrankte. Tietjen war damals 28 Jahre alt. „Da ist man gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt sie. Und anders als bei einem tödlichen Unfall habe man dafür bei einer schweren Krankheit viel, viel Zeit. Zwei Jahre kämpfte die Mutter gegen den Krebs, bis sie verlor. „Ich glaube, der Gedanke daran, wie es sein wird, wenn jemand stirbt, ist fast schlimmer als der Moment, in dem es dann passiert.“ Natürlich habe man Angst. „Aber wenn es soweit ist, erlebt man es einfach.“ Tietjens Mutter starb zu Hause. Die ganze Familie war bei ihr.

„Es ist ganz wichtig, dass man nicht im Krankenhaus sterben muss, wenn man es nicht will“, sagt die gebürtige Wuppertalerin. Zu anonym und klinisch sei die Atmosphäre. Tietjens Vater ist 90 Jahre alt und leidet an Demenz. Vor einiger Zeit holte sie ihn zu sich in die Nähe und brachte ihn in einem Altenheim in Harburg unter, auch um ihre Schwester in Wuppertal, die sich vorher um ihn gekümmert hatte, zu entlasten. „Das Lebensende ist eine sehr wichtig Phase, in der man sich geborgen fühlen sollte. Eigentlich gehört mein Vater in die Familie, aber wie soll man das als berufstätige Mutter leisten?“ So oft es geht, besucht sie ihn. „Ich will ihn auf seinem Weg begleiten.“ Auch über ihren eigenen Tod macht sich Tietjen Gedanken. „Ich will hier begraben werden“, sagt sie. „Hier ist meine Familie. Hier bin ich zu Hause.“