Carola Veit über arbeitende Mütter, Schulbrote und die Kinderfreundlichkeit unserer Stadt. Die Bürgerschaftspräsidentin sagt: „Ich liebe meinen Beruf und meine Familie.“

Hamburg. Im Rathaus regiert seit Anfang Mai, wenn auch nur stundenweise, ein Herr Johann Jacob. Ein sehr freundlicher und entspannter Hamburger, dessen Stimme allerdings auch mal lauter werden kann. Wie in Bürgerschaftssitzungen nötig. Und bei Babys üblich. Sechs Tage, nachdem Johann Jacob – 3110 Gramm leicht und 49 Zentimeter klein – im AK Barmbek geboren wurde, erblickte er erstmals das Licht des prächtigen Amtszimmers seiner Mama, der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit. Ist sie vorbildlich oder war sie vorschnell, diese zügige Rückkehr an den Schreibtisch im ersten Stock des Rathauses?

In Fragen der Kindererziehung habe ja jeder, auch unter „Politikfreunden“, ein vermeintliches Patentrezept, eine eigene Meinung, die auch leider nicht immer privat bleibe. „Wobei sich die Männer raushalten. Die gucken wahrscheinlich eher, ob die Figur wieder stimmt“, sagt die zierliche 40-Jährige lachend, die sich in dieser Hinsicht ohnehin keine Gedanken machen muss. Und die Frauen, die hätten doch meist die Einstellung, dass jede Mutter selbst entscheiden müsse, was das Beste sei. „So halte ich es auch. Für mich und meine Familie war es richtig so“, sagt die SPD-Politikerin, die mit ihrem Lebensgefährten, dem freiberuflichen Architekten Michael Hartwig, auch den zwölfjährigen Sohn Paul Sebastian und die achtjährige Tochter Marie Helene hat. „Hätte ich fragen sollen: Wie hätten Sie es denn alle gerne?“ Recht machen könne man es ohnehin nur sich selbst, nicht den anderen. „Wäre ich im Oktober erst zurückgekehrt, hätte es wahrscheinlich geheißen: Guck mal, die lässt ihr Amt schleifen. Dabei ist sie doch der Stadt verpflichtet.“

Sie fühlt sich Hamburg verpflichtet, aber auch ihrer Familie

Natürlich sei sie Hamburg verpflichtet, aber ihren drei Kindern und ihrem Mann eben auch. „Ich liebe meinen Beruf und meine Familie“, sagt die Juristin, die in Billstedt als Tochter eines Malermeisters und einer Sozialpädagogin aufgewachsen ist. Ihre Mutter habe zwei Jahre nach der Geburt der Tochter auch wieder angefangen zu arbeiten. „Ob das etwas Besonderes war damals? Ich weiß es nicht. Für mich war es normal“, sagt die gebürtige Hamburgerin und streicht über die blau-weiße Kuscheldecke, die auf dem eleganten grünen Ledersofa liegt. „Die verschwindet natürlich im Schrank, wenn – wie am Mittwoch – der israelische Botschafter kommt.“ Genau wie das Stillkissen. Und auch Johann Jacob, den sie gern auf dem Schoß hat, wenn sie Akten studiert, ist bei offiziellen Terminen nicht dabei. „Dann bleibt er zu Hause oder die Oma geht mit ihm spazieren.“ Auch nach den Geburten ihrer ersten beiden Kinder habe sie schnell wieder gearbeitet, sagt Carola Veit.

Manchmal, das gibt Carola Veit ganz ehrlich zu, hätte sie gern mehr Zeit für die Kinder, mehr Ruhe mit dem Baby. „Ein Gewissenskonflikt, den jede Mutter kennt“, sagt sie. Und auch die beiden Großen, die in die dritte und siebte Klasse gehen und gern stolz erzählen, dass die Mama im Rathaus arbeitet, „die fänden es schon noch cooler, wenn ich abends regelmäßig um 19 Uhr zu Hause wäre“. Die Nächte mit Baby sind kurz, die Tage mit der Bürgerschaft lang, insbesondere in Wochen mit Doppelsitzungen. Morgens um sechs Uhr klingelt der Wecker daheim in Spadenland. Dann wecke sie die beiden älteren Kinder, bereite das Frühstück zu, schmiere Schulbrote. „Ja, wer soll es denn sonst machen?“, fragt sie erstaunt, während sie in einem eleganten Kostüm und Pumps auf dem Sofa sitzt und den „morgendlichen Wahnsinn“ schildert, von dem doch jede Familie berichten könne. Sie habe bisher keine Kinderfrau, kein Au-pair-Mädchen. „Aber Hilfe habe ich natürlich schon, sonst geht es nicht.“ Ihr Mann könne von zu Hause aus arbeiten, das sei eine Erleichterung. Ihre Eltern helfen, mit den Nachbarn wechselt man sich ab, wenn es darum geht, die Kinder von der Schule abzuholen. „Und mein großer Sohn ist ein super Babysitter für seinen kleinen Bruder.“ Im Prinzip seien sie ein gut geführtes Familienunternehmen, Telefonkonferenzen mit Oma inklusive. „Geplant wird bei uns von Tag zu Tag. Mal klappt es gut, mal noch besser.“

Als Vorbild für andere sieht sich Veit nicht, dazu tauge ihr Beruf nicht

Als Vorbild sieht sich Carola Veit nicht. Dazu tauge ihr Beruf nicht. Der sei nicht anspruchsvoller als andere, aber besonders. Die Arbeitszeiten seien mitunter flexibel. „Mal bin ich fünf Abende in Folge eingespannt, dann kann ich dafür vielleicht an zwei Nachmittagen frei nehmen.“ Dass sie die Amtsgeschäfte schnell wieder aufgenommen habe, sei bei ihren direkten Mitarbeitern und auch im Freundeskreis keine Überraschung gewesen. „Eine meiner Bekannten ist auch vier Tage nach der Geburt wieder raus aufs Feld, weil der Salat geerntet werden musste.“ Bescheiden, bodenständig, pragmatisch, geerdet und geradeaus. Eigenschaften, die durch das Muttersein noch verstärkt würden. „Wissen Sie, ich habe gar nicht die Zeit oder die Chance, mich 24 Stunden nur ums Rathaus zu drehen.“ Ein Vorteil? „Man weiß dann, wie der Alltag aussieht, und für wen und welche Bedürfnisse man Politik macht.“

Kinderfreundlich sei Hamburg, für eine Großstadt sogar „überdurchschnittlich“, und stehe beim Ausbau des Kita-Angebots sehr gut da. Natürlich könne immer noch mehr passieren. Aber das Kinderkriegen sei in Deutschland einfach „zu verkopft“, habe sie im Gefühl. Die aktuelle Studie darüber, dass viele Paare vor Nachwuchs zurückschrecken, weil sie finanzielle Einbußen fürchten, habe sie „ernsthaft erschreckt“. „Man kann nicht alles planen. Manchmal muss man die Dinge einfach passieren lassen“, sagt Veit, die seit 1991 SPD-Mitglied ist und seit 2011 Oberhaupt der Bürgerschaft. Die Entscheidung für Kinder habe sie nie bereut. Den Frauen rät sie deshalb: „Mädels, traut euch. Das klappt schon.“

Ab Herbst schaut übrigens nicht nur Carola Veits Nachwuchs ab und zu im Rathaus vorbei. Dann stehen nämlich Führungen für Kinder auf dem Programm, ein Herzensprojekt der Bürgerschaftspräsidentin. Wenn Johann Jacob zu Besuch ist, zieht es ihn übrigens ab und zu auf die Damentoilette. Da hängt nämlich der Wickeltisch.