Sie ist die wohl facettenreichste Bezirkspolitikerin der Hansestadt. Sie unterrichtet Senioren und hilft Ökobauern in Südamerika.

Hamburg. Sie unterrichtet Senioren am Computer. Sie tritt als professionelle Sängerin auf. Und weil das noch nicht reicht, kümmert sich Angela Westfehling auch noch als Chefin der FDP in Hamburg-Mitte um die Belange der Menschen in ihrem Bezirk. Wahrscheinlich ist sie sogar die facettenreichste Bezirkspolitikerin Hamburgs. Denn mehrmals im Jahr engagiert sich Angela Westfehling auch in der Ferne. Sie berät nach eigenen Angaben die Regierung des südamerikanischen Staates Surinam.

Gerade erst habe sie in dem kleinen Land zwischen Brasilien, Guayana und Französisch-Guayana mit dem Minister für Arbeit, Technologische Entwicklung und Umwelt ein Konzept für erneuerbare Energien erstellt. Ihre Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium habe bereits erste Früchte getragen: Chilis aus Suriname, die demnächst auch auf dem Hamburger Großmarkt verkauft werden sollen - angebaut von Farmern, die auf Initiative der Politikerin im ökologischen Landbau unterrichtet wurden. Eine erste Probelieferung ist bereits in Hamburg angekommen, demnächst soll in Surinam für den Chili-Transport eine Verpackungsindustrie aufgebaut werden. Mit deutscher Hilfe, sagt Frau Westfehling.

Dass sie die Abwechslung liebt, zeigt schon ein Blick in ihren Lebenslauf. Zunächst Sozialpädagogikstudium in Deutschland, dann Marketing- und Businessmanagement an der Universität von Michigan, seit 1980 zehn Jahre Indonesien mit Jobs bei mehreren großen Entwicklungshilfe-Firmen, darunter die Weltbank. Zurück nach Deutschland wegen ihres kleinen Sohnes, seit 2008 Chief Consult (Chef-Beraterin) der Ministerien in Surinam und fast ebenso lange aktiv in der Bezirksfraktion ihrer Partei.

Hinzu kommt die Leidenschaft für Musik und das Singen in mehreren Bands sowie ihr Senioren Internet Service, den sie vor gut zehn Jahren gegründet hat. "In der Firma muss jetzt mein Sohn einspringen", sagt Angela Westfehling und lacht, "dafür habe ich keine Zeit mehr." Die politischen Aufgaben nehmen zu, ihr Terminkalender ist voller Verpflichtungen - Ausschüsse, Jurysitzungen, Bezirksversammlungen, Bürgersprechstunden und die Reisen nach Surinam.

Wäre nicht ihr Wilhelmsburger Kleingarten von dem Gift bedroht worden, das 2007 aus der Deponie in Georgswerder auszutreten drohte, hätte sie das südamerikanische Land nie kennengelernt. "Ich habe mich damals sehr geärgert. Die Einzigen, die mir zugehört haben, waren die von der FDP", sagt Angela Westfehling. Sie beschloss, der Partei beizutreten, und lernte dort den Unternehmer Rolf Salo kennen. Er engagierte sich schon damals in dem Pazifik-Staat mit einer Holding, die sich dafür einsetzte, Behinderte auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. "Da er von meinem Auslandsaufenthalt in Indonesien wusste, fragte er mich, ob ich ihm in Surinam helfen könne", sagt die Politikerin. Was mit einem Workshop anfing, habe sich zu einem zweijährigen Projekt entwickelt, das sie als Leiterin betreut habe, nachdem Salo Landesvorsitzender der FDP in Hamburg geworden war.

Längst gehe es nicht nur um Behinderte, denen in dem südamerikanischen Land Arbeit verschafft werden solle. Mittlerweile habe Angela Westfehling das Regierungskonzept "Prospect and Prosperity for Suriname" entwickelt, das den gesamten Arbeitsmarkt in dem armen Staat nachhaltig nach vorne bringen solle - mit einer Datenbank, auf die alle Ministerien zugreifen können. "Um der Armut Herr zu werden, muss Surinam gut vernetzt sein", sagt die Wirtschaftsstrategin. Und so verhandele sie mit allen Regierungsmitgliedern, treffe Präsident Desi Bouterse oder esse mit seiner Gattin zu Mittag. Auch in musikalischer Hinsicht sei sie mit dem Land verbandelt. Sie spielt dort in einer Band, einer ihrer Songs sei sogar im Radio gespielt worden. In Hamburg ist sie dagegen meist live zu hören - auf Stadtteilfesten, Parteitagen oder Empfängen, etwa am 8. Februar im Wilhelmsburger Rathaus.

Zu Hause ist Angela Westfehling in beiden Welten - in einer kleinen Wohnung in Wilhelmsburg und in einem Apartment in der surinamischen Hauptstadt Paramaribo, dicht an der Atlantik-Küste. "Wilhelmsburg ist schon auf einem guten Weg", sagt sie. "Doch wenn sich das fröhliche gemeinschaftliche Miteinander der Surinamen importieren ließe, wäre es das Nächste, was ich mit nach Deutschland brächte."

Schon packt sie die Koffer, morgen will sie wieder losfliegen. In Surinam herrschen Temperaturen von mehr als 20 Grad. Doch sie wolle ja keinen Urlaub machen, sondern letzte Vorbereitungen für ein weiteres Projekt treffen. Im März will sie mit Arbeitsminister Michael Miskin die erste für Surinam entwickelte Arbeitsagentur, das Jobcoach- and Diagnose-Center, eröffnen.