Die ehemalige Boxweltmeisterin Ina Menzer über Karriereknicks, neue Chancen und ihr zweites Standbein, das Projekt “Eventboxen“.

Lohbrügge. Wer Ina Menzer sehen möchte, muss dieser Tage in den Supermarkt gehen. Aus gut sortierten Kühltruhen lächelt dem Verbraucher das Gesicht der Profiboxerin entgegen. Die gebürtige Kasachin wirbt im Auftrag eines russischen Lebensmittelkonzerns bis Jahresende für tiefgefrorene Teigtaschen. Einerseits hat die 32-Jährige ihr Engagement mit Augenmaß ausgewählt, immerhin hat sie ein Faible für gutes Essen aus der Heimat ihrer Eltern. Andererseits ist ihr zum Lachen nicht so richtig zumute, denn das, wofür sie in Deutschland bekannt geworden ist, ihre Karriere im Ring, stockt.

Im Juli 2010 verlor Ina Menzer ihre drei WM-Titel im Federgewicht, der Klasse bis 57,153 Kilogramm, an die Kanadierin Jeannine Garside. Es war die erste Niederlage ihrer Karriere, und obwohl sie nur nach Punkten verlor, fühlte sich die Pleite wie ein Niederschlag an. Seitdem hat sie für den Hamburger Universum-Stall vier Kämpfe bestritten, allesamt gegen Gegnerinnen unter ihrem Niveau.

Sie hat gehofft, dass die Chance zur Revanche gegen Garside kommt und sie doch noch einmal zurückkehren könnte auf den WM-Thron. Doch nun, da ihr Arbeitgeber vor zwei Wochen einen Insolvenzantrag stellen musste, dämmert es der 1,65 Meter großen Athletin, dass die beste Zeit ihrer aktiven Sportlerkarriere hinter ihr liegt. Ina Menzer war darauf vorbereitet. Anders als mancher Leistungssportler, der erst an die Zeit nach der Karriere denkt, wenn diese längst angebrochen ist, hat sie früh angefangen, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Als klar war, dass sie in ihren Lehrberuf als Fremdsprachenassistentin nicht zurückkehren wollte, sah sie sich nach Alternativen um, die ihr ein Weiterleben mit ihrem Sport ermöglichen könnten.

Gemeinsam mit ihrer Managerin Frauke Constantin und ihrem Mann Denis Moos rief sie deshalb das Projekt "Eventboxen" ins Leben. Die Idee dahinter: Das Trio bietet Firmen in ganz Deutschland ein umfassendes Boxtraining an, das diese ihren Mitarbeitern zugutekommen lassen können. Constantin stellt die Kontakte zu den Unternehmen her, Ex-Weltmeisterin Menzer übernimmt in Gruppen von zehn bis zwölf Personen das Training. Die Erlebnisse, die sie in den vergangenen Monaten gesammelt hat, bestärken sie in der Überzeugung, das richtige Betätigungsfeld gefunden zu haben. "Manche Menschen lernen in diesen eineinhalb Stunden ihren Körper neu kennen", sagt sie. Besonders Frauen seien sehr wissbegierig und auch erstaunlich erpicht darauf, sich im Duell zu messen.

Am Ende jedes Trainings erlaubt Menzer ihren Schützlingen, eine Minute gegeneinander zu boxen, wenn sie es wollen. "Neulich hatte ich vier Frauen, die haben sich richtig verprügelt", sagt sie. Das sei allerdings nicht das, was sie vermitteln will. Für sie steht im Vordergrund, Menschen darin zu bestärken, Sport zu treiben und sich an Regeln zu halten. Sie will ihre Bekanntheit nutzen, um für Dinge einzutreten, die ihr wichtig sind. Deshalb engagiert sie sich in Mönchengladbach, wo sie im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern nach der Ausreise aus Kasachstan gelandet war und bis heute eine Wohnung besitzt, gegen häusliche Gewalt, Deshalb spendet sie viel Geld an Tierheime, und sie gibt im Altonaer Kinderkrankenhaus Trainingseinheiten für schwer kranke Patienten.

Ina Menzer hat, seitdem ihre Kämpfe nicht mehr einem Millionenpublikum im ZDF gezeigt werden, gespürt, dass sie das Rampenlicht vermisst. "Man will diese Präsenz nicht verlieren", sagt sie. Deshalb freut sie sich auch, dass sie noch immer häufig zu Benefizveranstaltungen eingeladen wird, dass sie Gast bei öffentlichen Events wie der Premiere des "Rocky"-Musicals sein darf oder in Talkrunden gebeten wird - wie gestern Abend, als im Eppendorfer Dorint-Hotel die Veranstaltungsreihe "Anstoß" Sportler und Funktionäre aus Hamburger Klubs und Institutionen zusammenbrachte. Dennoch achtet sie darauf, nicht jede Einladung anzunehmen, um nicht beliebig oder gar verzweifelt zu wirken.

Auf die Weihnachtstage freut sie sich sehr, umso mehr, weil kein bevorstehender Kampf sie am Schlemmen hindern kann. In ihrer Wohnung in Lohbrügge wird sie Familie und Freunde klassisch mit Ente oder Gans bekochen, es wird selbst gebackene Plätzchen geben, die wie immer bis zu Silvester reichen. Wo sie den Jahreswechsel verbringt, ist noch unklar. Ihren Wunsch für 2013 hat sie dagegen längst im Kopf. Sie kann es nicht Vorsatz nennen, da die Umsetzung nicht in ihrer Macht liegt. "Ich will unbedingt noch eine WM-Chance bekommen", sagt sie. Auch wenn es bisweilen so wirkt: Ina Menzer hat noch nicht abgeschlossen mit ihrem Leben als Profiboxerin.