Er ist unaufgeregt und zurückhaltend wie die Stadt, die er so sehr schätzt: Weltstar Mario Adorf zu Besuch in Hamburg. Ein Mann mit Charisma.

Blankenese. Mario Adorf wirkt. Nachhaltig. Einer der wenigen deutschen Weltstars, ein Mann, der Schurken, Banditen und Bösewichte bravourös verkörperte. Jetzt sitzt dieser Mann in der Bibliothek des Hotels Louis C. Jacob in einem braunen Ohrensessel, reibt seine gebräunten Hände aneinander. Er streckt die Beine aus.

Adorfs Leben war und ist bewegt, heute jedoch sicher nicht mehr in der Form wie noch vor 20 Jahren. Das betont der charmante 80-Jährige im Abendblatt-Gespräch. Gern denkt er an seine vielen Wochen, die er für Dreharbeiten in Hamburg verbrachte.

Oftmals ist er um die Alster gelaufen, liebt noch immer den Blick über diese vom Hotel Atlantic aus. Erstmals kam er Mitte der 50er-Jahre mit den Münchner Kammerspielen in die Stadt, 1986 verbrachte er gleich ein paar Monate am Ernst-Deutsch-Theater, drehte später für den Film "Die Affäre Semmeling" sogar im Hamburger Rathaus, da er einen Senator spielte.

Hier lernte er das unaufgeregte Hanseatentum zu schätzen. "Die Stadt hat Eleganz und Weltläufigkeit. Außerdem beeindruckt mich die Kraft der Tradition." Er spricht langsam und überlegt, nimmt sich Zeit, um seine Gedanken präzise zu formulieren. "Anders als früher", sagt er oft.

Das uneheliche Kind einer deutschen Röntgenassistentin und eines verheirateten italienischen Chirurgen wächst in der Eifel bei der Mutter auf, diese gibt ihn in den Kriegswirren zeitweise zu Nonnen ins Kloster. Ein frecher Junge, der zum Fußballspielen als Torwart mit rosafarbenen Knieschützern aufläuft - aus alten Hüfthaltern genäht. Bekannt geworden durch seine Darstellung eines psychopathischen Frauenmörders im Film "Nachts, wenn der Teufel kam", gefeiert für seine Rolle des Schurken Santer in "Winnetou", der Nscho-tschi, die Schwester des edlen Apachenhäuptlings, ermordet. Überhäuft mit Auszeichnungen, Preisen, Ehrerbietungen.

Mario Adorfs Erfahrungen zeigen sich gottlob in seinem Gesicht, von Falten durchzogen, charismatisch. Seine braunen Augen sind klar, er lächelt verträumt, wann immer er auf seine Frau zu sprechen kommt. Monique Adorf, an seiner Seite seit 40 Jahren. Mit Unterbrechungen, darüber hat er sich schon geäußert.

Sie ist seine Konstante, mit der er in München, Rom und ihrer Heimat St. Tropez lebt. Den Jetset der Cote d'Azur zur warmen Jahreszeit meidet das Paar. "Wir wohnen dort sehr zurückgezogen, gehen ab und zu aus oder essen mit Freunden", erzählt Adorf, "aber wir sind viel zu Hause, dann kocht meine Frau." Er sei fürs Abspülen zuständig, immer sofort nach dem Essen. "Übrigens schäme ich mich nicht fürs Abwaschen."

Er wirkt geerdet, muss kein Image mehr pflegen. Früher, da galt er als Macho. Heute betont er gern, dass Frauen die besseren Gesprächspartner für ihn seien, aufmerksamer als Männer. Die freien Abende des Sommers verbringt der Frauenfreund deshalb mit seiner Monique. Bevor er auf die Fragen antwortet, muss er gelegentlich nachfragen. Das Alter, es habe ihn verändert. Nicht nur, was sein Hörvermögen betrifft. "Ich bin nicht mehr so theaterversessen, früher reiste ich für Premieren nach New York oder London, heute kommt es mir nicht mehr drauf an, ich lese die Kritiken." Sein Luxus heute: gutes Essen und Wein, "aber in Maßen", wegen der Figur. Für die Fitness steigt er ins Meer oder den Swimmingpool. Luxus, das ist auch, Zeit mit Monique zu verbringen, die er gern beschenkt. "Nicht zu bestimmten Anlässen wie Weihnachten, sonder eher, wenn wir etwas gemeinsam sehen."

Sobald er mehrere Drehtage habe, fliegt sie mit ihm. "Ich möchte mich nicht mehr so lange trennen." So reist das Ehepaar viel, denn Rollenangebote gibt es genug. Adorf wirkt in jedem Alter. Kein Denken an die Rente: "Ich arbeite eben lieber, als dass ich Rosen züchte."

Vor dem Abendblatt-Gespräch war Mario Adorf Gast in der Sendung "Tischgespräch" von Susan Stahnke, deren Sendereihe bei Hamburg 1 in die fünfte Staffel geht. (Vom 29. September an werden donnerstags um 21.15 Uhr alle zwei Wochen zwölf neue Folgen ausgestrahlt.) Stahnke begrüßt im Hotel Louis C. Jacob bei einem Menü von Spitzenkoch Thomas Martin immer prominente Gäste, die von magischen Momenten in ihrem Leben erzählen. Leute wie Adorf.