Rialto-Gastronomen Tim Seidel und Sebastian Libbert übernehmen Traditionskneipe in der OberhafenCity. Motto: “Erhaltet, was ihr liebt.“

HafenCity. Es sind Aussagen, Sätze, Bekenntnisse, die man nicht unbedingt von Gastronomen erwartet. Umso mehr fallen sie ins Gewicht, wenn Tim Seidel und Sebastian Libbert von ihrem Gastronomie-Verständnis sprechen. Zum Beispiel: "Erhaltet, was ihr liebt." Oder: "Der Geist der Tradition soll weiterleben." Deshalb passen die beiden Wahl-Hamburger und die Oberhafen-Kantine so gut zusammen. Denn hier, an diesem Ort der hanseatischen Geschichte, können sie ihr Konzept umsetzen. Als neue Betreiber. Seit dem 23. Dezember steht die schräge Kneipe leer, ihr Vorgänger, "Artisan"-Chef Thorsten Gillert, konzentriert sich auf sein Restaurant in der Schanze.

Die zwei "Neuen" sind Altbekannte der Hamburger Gastro-Szene. Gemeinsam führen sie das Restaurant Rialto an der Michaelisbrücke 3 auf der Fleetinsel. Ebenfalls eine besondere Gegend: früher abends komplett unbelebt, heute beliebter Treffpunkt. Mittags kommen die ansässigen Rechtsanwälte und Werber, abends schauen die Galeristen, Künstler und Schauspieler wie Peter Jordan, Ulrich Tukur und Maren Eggert, Wim Wenders, Designer Bent Angelo Jensen (Herr von Eden) und Kunstvereinsdirektor Florian Waldvogel vorbei. "Die ersten drei Jahre waren keine einfache Zeit, da hatten wir schon mal den Angstschweiß auf der Stirn. Doch dann haben die Menschen den Ort wieder angenommen", erklärt Libbert. Ähnlich geartet sehen sie auch ihr Vorhaben mit der Oberhafen-Kantine, die sie von Immobilien-Investor Klausmartin Kretschmar gepachtet haben: "Wir wünschen uns, dass dieser Ort wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt. Von hier aus ist man in wenigen Minuten auf der Mönckebergstraße und beim Hauptbahnhof", so Seidel. Einige Neuerungen soll es auch geben, die allerdings die Tradition des Hauses aufnehmen. Weiterhin typisch norddeutsche Gerichte, allerdings verfeinert und weiterentwickelt, dazu das Konzept vom offenen Haus, kein Ruhetag, Küchenzeiten von 12 bis 22 Uhr. Oder auch mal länger. Weitere Pläne für die Terrassenbespielung und Kunstprojekte haben die beiden im Kopf. "Wir werden optisch fast nichts verändern, es ist ja auch denkmalgeschützt, aber wir werden vor allem nebenan im alten Zollamt Ausstellungen haben", so Libbert. Zudem wird es ein Andenken an Anita Haendel geben. Sie übernahm 1945 den Betrieb von ihrem Vater, schälte hier schon als Kind Kartoffeln und tat dies bis zu ihrem Tod mit fast 84 Jahren. "Wir werden die Tradition der Kaffeeklappe wiederaufleben lassen", so Libbert, "Taxifahrer und Hafenarbeiter sollen wie damals vergünstigte Preise bekommen." Einen Euro pro Pott. Die Eröffnung ist am 7. Februar, kurz zuvor wird es einen bunten Neujahrsempfang mit Stammgästen und Freunden geben.

Beide schätzen die Atmosphäre der OberhafenCity. "Ein Paradies für kreative Menschen", sagt Seidel. Unverständnis haben sie für Menschen, die nach Berlin gehen, dabei auf Hamburg schimpfen: "Hier finden sie alles, was sie dort einmal gesucht haben. Raum für Kunst. Weggehen und schimpfen, das ist einfach."