Ein Handwerk lebt neu auf: Erstmals seit 17 Jahren haben wieder zwei Jung-Schuhmacher die Meisterprüfung in Hamburg abgelegt.

Hamburg. 17 Jahre lang hatte es in Hamburg keinen Meisterprüfungsausschuss für Schuhmacher mehr gegeben. Im März dieses Jahres änderte sich das: Nachdem sich der Gewerbeschullehrer Jörg Trabert, 58, für das Wiederaufleben des Handwerks eingesetzt hatte, legten gleich zwei Schuhmacher ihre Meisterprüfung ab.

Einer von ihnen ist Thomas Keil, 35, der an der Keplerstraße maßgefertigte Schuhe per Hand herstellt. Nach modernen Maschinen sucht der Kunde im Laden des jungen Schuhmachermeisters vergeblich. An einer alten Holzbank stehen und hängen Feilen, Hämmer und chemische Tinkturen, die der Schuhmacher zur Bearbeitung des Leders benutzt. Für ein Paar braucht Keil ungefähr 40 Stunden. "Zuerst wird ein individueller Leisten für den Kunden angefertigt, der die Form des Schuhs nach orthopädischen Gesichtspunkten vorgibt", sagt Keil. Dafür müssen die Maße des jeweiligen Kunden genommen werden. Der Leisten garantiert, dass der Schuh später die perfekte Passform hat.

Für ein von Thomas Keil gefertigtes Paar Schuhe muss man in der Regel mindestens 1200 Euro bezahlen. Der Preis setzt sich aus der Handarbeit, der Arbeitszeit und dem verwendeten Leder zusammen. "Bis zum fertigen Paar sind es über 300 Arbeitsschritte. Meine Schuhe sind wie ein maßgeschneiderter Anzug, sie haben eine perfekte Passform und eine längere Haltbarkeit als ein Konfektionsschuh", sagt Keil. Mittlerweile produziert er auch maßgefertigte Konfektionsschuhe, deren Preis bei 350 Euro beginnt.

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Der Großteil seiner Schuhe sind Auftragsarbeiten. Vor allem Männer lassen sich ihre Schuhe gerne nach Maß anfertigen. Thomas Keil hat jedoch auch schon Schuhe für Frauen hergestellt. Jeder seiner Kunden hat unterschiedliche Vorstellungen davon, wie der gewünschte Schuh aussehen soll. "Manche bringen einen Schuh mit und sagen: ,Ich möchte noch einmal genau den gleichen', andere haben nur eine vage Idee. Dann zeichne und gestalte ich einen Schuh für den Kunden", sagt er. "Mein Stil ist eher klassisch angelehnt, aber ich probiere, jedem Schuh noch ein besonderes Detail zu geben. Deshalb habe ich noch kein Exemplar zweimal angefertigt", sagt Keil.

Was ihm besonders gefällt, ist die Vielschichtigkeit seiner Arbeit. "Ich bin sehr froh, dass ich meine Zeit mit etwas verbringen kann, das mir gefällt. Der Beruf ist sehr abwechslungsreich. Ich mag die Arbeit mit Leder und das Handwerk an sich", sagt Thomas Keil. "Ich übe meinen Beruf mit Leidenschaft aus und habe Spaß an dem, was ich mache."

Vincent Klemann, 26, ist der zweite Neu-Schuhmachermeister aus Hamburg. "Den Brief zu machen war für mich Ehrensache und ein Stück weit auch eine Familientradition", sagt er. Denn auch sein Vater, seine Mutter und sein zwei Jahre älterer Bruder sind Schuhmachermeister. Gemeinsam betreiben sie ein Geschäft an der Poolstraße in der Neustadt. Ein anderer Beruf kam für den Nachwuchs nicht infrage. Klemanns Bruder musste die Schuhmachermeisterprüfung noch in Osnabrück ablegen. "Und ich habe auch schon überlegt, woanders hinzugehen", sagt Vincent Klemann. "Aber dann gab es zum Glück die Initiative von Herrn Trabert und der Innung, und so konnte ich doch in Hamburg bleiben." Als Vertreter einer neuen Schuhmachergeneration bringt Klemann moderne Ideen in den Familienbetrieb ein. "Ich fertige als eigenständiger Subunternehmer auch Sneakers", sagt er. Neben klassischen Lederschuhen bräuchten junge Männer eben auch Turnschuhe. Klemann selbst hat insgesamt 20 Paar Schuhe - den Großteil davon hat er angefertigt.

Als Meister können er und Thomas Keil nun auch Lehrlinge ausbilden. "Sehr gerne würde ich das Handwerk weitergeben", sagt Keil. "Es hieß ja immer, der Beruf sei auf dem absteigenden Ast", sagt Klemann. "Und es ist mittlerweile tatsächlich eine kleine Nische, aber in der ist trotzdem noch Platz."

Bei Gewerbelehrer Jörg Trabert haben sich fürs kommende Jahr bislang noch keine Meister-Interessenten angemeldet. "Wir von der Schuhmacherinnung würden uns sehr freuen, wenn sich das noch ändern würde. Es war ein sehr großer Aufwand, den Prüfungsausschuss zusammenzustellen", sagt Trabert. Hauptsache, es dauert nicht noch einmal 17 Jahre, bis in Hamburg wieder ein Schuhmacher seine Meisterprüfung ablegt.