Christina Görling über neue und alte Hochzeitsbräuche. Und warum kein Reis mehr geworfen wird

Lokstedt. Christina Görling, 30, hat im vergangenen Jahr in Lokstedt das Maison Mariée eröffnet - eine Anlaufstelle für Paare, die ihre Hochzeit zwar selbst planen wollen, sich aber beraten lassen möchten.

Hamburger Abendblatt:

Welche Rolle spielen Bräuche heutzutage noch bei Hochzeiten?

Christina Görling:

Bräuche sind noch immer ein großes Thema. Das hängt mit einem gewissen Aberglauben zusammen. Man will den neuen Lebensabschnitt schließlich auf besonders sichere Füße stellen. Es gibt viele alte Bräuche, die zunehmend wieder neu entdeckt werden. Andere dagegen sind in Vergessenheit geraten.

Welche Klassiker gehören noch heute zur Hochzeit dazu?

Görling:

Etwa, dass der Bräutigam seine Braut über die Schwelle der Wohnungstür trägt - das hat seinen Ursprung in dem Glauben, dass unter der Schwelle Geister lauerten. Oder der Brauch, den Brautstrauß zu werfen. Früher durften ihn allerdings wirklich nur Jungfrauen fangen. Seit es Tiefkühltruhen gibt, wird auch gerne ein Stück Hochzeitstorte eingefroren, um es am ersten Hochzeitstag zu essen.

Gibt es Hochzeitsbräuche, die aus anderen Ländern stammen?

Görling:

Durchaus. Beispielsweise, dass die Braut "etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues" trägt. Das ist ein englischer Brauch. Das Alte steht dabei für das Leben, das man hinter sich lässt, das Neue für das, was man vor sich hat, das Geliehene symbolisiert Freundschaft und Verbundenheit und die Farbe Blau Treue. Aus Amerika stammt die Sitte, der Hochzeitsgesellschaft kleine Geschenke zu machen. Seinen Ursprung hat dieser Brauch allerdings in Frankreich, am Hof des Sonnenkönigs. Ein Import aus den USA ist auch das Ritual des Junggesellenabschieds - ebenso wie der Brauch, dass die Brautjungfern gleiche Kleider tragen. Das sollte die Geister verwirren und sie von der Braut ablenken.

Sie erwähnten alte Bräuche, die wiederentdeckt werden. Welche sind das?

Görling:

Da ist der wunderschöne Brauch, den Brautschleier später über die Wiege des Kindes zu hängen. Oder von Generation zu Generation etwas weiterzugeben: den Brautschleier an die Tochter, die Manschettenknöpfe an den Sohn. Auch das Ritual, dass die Braut die letzte Nacht vor der Hochzeit bei ihren Eltern im früheren Kinderzimmer wohnt, lassen viele Paare wieder aufleben. Die einen tun das aus romantischen Gründen, die anderen, damit der Bräutigam das Brautkleid nicht vorzeitig zu Gesicht bekommt - was übrigens ebenfalls ein ganz klassischer Brauch ist.

Und welche Bräuche sterben leider zunehmend aus?

Görling:

Na ja, beispielsweise die Verschleierung der Braut. die ihre Jungfräulichkeit symbolisierte. Früher war das ein Muss, heute heiraten viele unverschleiert. Der Polterabend hat ebenfalls an Bedeutung verloren. Stattdessen gibt es Junggesellenabschiede oder Hochzeitsfeiern, die das ganze Wochenende dauern. Verzichtet wird auch darauf, Reis zu werfen - aus Respekt vor den vielen Hungernden dieser Welt nimmt man heute Blütenblätter. Auch Brautentführungen finden so gut wie nicht mehr statt. Erstens will die Braut ihre Hochzeit nicht verpassen. Außerdem hat dieser Brauch keinen schönen Ursprung. Er stammt nämlich aus dem Mittelalter, als dem Adel das Recht auf die erste Nacht gebührte.