Im Völkerkundemuseum kann man mit Feuer, Bisonjagd und Großem Geist Geburtstag feiern.

Wer in den Stamm des Morgensterns aufgenommen werden möchte, muss die Pfeife der Wahrheit rauchen und braucht einen Indianernamen. So wird aus Finja „Regenbogen“ und aus ihren Freundinnen „Schmaler Pfeil“, „Dünne Feder“ und „Schnuppe“.

Vor einem gemalten Hintergrund mit blauem Himmel der Prärie, grasenden Bisonherden und einem Tipidorf sitzt Geburtstagskind Finja aus Sasel mit ihren Gästen in einem Familientipi. Sie haben sich als Indianer verkleidet und ihre Gesichter bemalt. Das Tipi, also das Indianerzelt, ist aber nicht aus Büffelhaut wie bei den richtigen Indianern, sondern aus Stoff. In der Mitte leuchtet ein elektrisches Lagerfeuer, auf dem Fußboden liegen Bison-, Bären- und Kuhfelle. Gemütlich ist es hier. Mittendrin sitzt Renate Schukies und erzählt von den Geheimnissen der Indianer. Die achtjährige Finja feiert Indianergeburtstag.

Renate Schukies weiß genau, wovon sie erzählt. Sie hat sich ihr Wissen über die Indianer Nordamerikas nicht nur in Büchern angelesen – sie hat zwei Jahre lang mit den Cheyenne in Oklahoma gelebt, der Medizinmann „Hüter der heiligen Pfeile“ hat sie in seinem Haus wohnen lassen. Richtig, in seinem Haus. Denn in Tipis wohnen die Indianer schon lange nicht mehr. Sie leben in Reservationen, also kleinen Gebieten, die ihnen zugewiesen worden sind.

Es gibt wohl kaum jemanden im Völkerkundemuseum, der sich mit Indianern besser auskennt. Und das merkt man der 51 Jahre alten Wissenschaftlerin auch an. Sie wird von vielen Eltern als „Kinderflüsterin“ bezeichnet, weil sie so toll erzählen kann. Sie spielt mit den Kindern während der Indianergeburtstage das nach, was sie bei den echten Indianern auch erlebt hat. Frau Schukies findet, dass es eine sehr wichtige Aufgabe ist, ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Aber nicht wie in der Schule. Es geht bei ihr darum, bei den Jungen und Mädchen das eigene Denken zu wecken in einer liebevollen Atmosphäre.

Finja und ihre Freundinnen trinken Wasser aus einer Holztasse, reinigen sich mit dem Rauch von sweetgrass, einem Grasbüschel, das angezündet wird und süßlich duftet. Bei den Indianern segnet der Medizinmann mit dem Rauch die Menschen. Mit der Pfeife der Wahrheit beten die Kinder zum Großen Geist – das gehört alles zur Friedenspfeifen-Zeremonie. Die Kinder dürfen sich oder ihren Mitmenschen etwas wünschen, im Stillen. „Die Indianer haben mir das so erklärt: Wenn man anderen etwas wünscht, ist das höherwertiger, als wenn man sich selbst etwas wünscht. Man soll nicht nur an sich denken“, sagt Renate Schukies.

Sie zeigt Fotos von ihren Freunden, den Indianern. Darauf sind Kinder mit großen dunklen Augen und schwarzen Haaren zu sehen. Viele Indianer, sagt sie, tragen auch heute noch lange Haare. Sie zeigt auch Bilder der Prärie, in der die Indianer leben. „Die Prärie ist Grasland. Die Indianer hatten dort ein schönes Leben, bis der weiße Mann kam. Jetzt leben sie auf Reservationen.“

Bevor die Weißen kamen, gab es in der Prärie mehr als 60 Millionen Bisons. Innerhalb von 50 Jahren, sagt Frau Schukies, haben weiße Jäger die meisten erschossen. Dann waren es nur noch 500 Bisons. „Die weißen Leute haben das mit Absicht überlegt: Wenn sie die Bisons erschießen, haben die Indianer keine Nahrung mehr.“

Das, was Renate Schukies über die Indianer erzählt, ist manchmal traurig. Aber Finja und ihre Freundinnen sind ja hier, um die Wahrheit zu hören. Denn das wirkliche Indianerleben ist nicht so wie bei Yakari und Winnetou. Frau Schukies schildert das Leben von damals und von heute. Die Indianer jetzt haben meist kein Geld und leben in ärmlichen Verhältnissen in heruntergekommenen Häusern.

Früher aber, als es noch genügend Bisons gab und die Indianer von der Jagd lebten, haben sie sich, wenn sie einen Bison getötet hatten, bei den Tieren bedankt. „Sie haben etwas von ihrem Essen auf einen Teller gelegt für die Geister und haben diesen vor das Tipi gestellt.“ Zwar haben die Hunde diese Teller leer gegessen und nicht die Geister, „aber die Geister haben sich am Duft des Essens erfreut“. Die Indianer glauben daran. „Wer stirbt, wird zu einem kleinen Geist und geht in die Natur über, lebt in den Tieren weiter“, erzählt Frau Schukies. Bei uns glauben die Erwachsenen meist nur das, was sie sehen. „Ihr wisst ja, der Indianerjunge Yakari, den ihr aus dem Fernsehen kennt, hat einen Schutzgeist. Glaubt ihr, wir haben das auch?“ „Ja, wir haben Schutzengel“, ruft ein Mädchen.

Dann dürfen die Mädchen Feuer machen. Na ja, kein großes. Aber sie benutzen einen Feuerstein und einen Eisenhaken. Wenn sie den Haken gegen den Stein schlagen, entstehen Funken. Zu einem Indianergeburtstag gehört auch eine Bisonjagd. Das spielen sie draußen nach beim Bogenschießen. Später tanzen Finja und ihre Freundinnen den Freundschafts- und Schlangentanz und bemalen Lederarmbänder mit indianischen Kraftzeichen. Nach drei Stunden ist der Ausflug zu den Indianern vorbei.