Bis Ende dieses Monats müssen beide Städte 13 Fragen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB} zu einer möglichen Bewerbung um die Sommerspiele für 2024 und 2028 beantworten. Der DOSB trifft seine Entscheidung auf seiner Mitgliederversammlung am 6. Dezember. Da sich die Städte zurzeit nicht offiziell äußern dürfen, beantworten Rainer Grünberg (Hamburger Abendblatt) und Jens Anker (Berliner Morgenpost) die Fragen schonmal vorab

1. Warum will Ihre Stadt Olympische und Paralympische Spiele ausrichten? Wie sollen die Bürger davon profitieren? Was wäre der Gewinn für die olympische Bewegung und den deutschen Sport?

Hamburg ist eine sportbegeisterte Stadt. Das bewies zuletzt der Empfang der deutschen Olympiamannschaft im August 2012, als Zehntausende das Team wie Popstars feierten. Der Sport schafft Begegnungen, kann Menschen außerhalb des virtuellen Raums zusammenzubringen, die sonst nicht ohne Weiteres zusammenkommen würden; Wilhelmsburger mit Wellingsbüttlern, Billstedter mit Blankenesern, wie Sportsenator Michael Neumann (SPD) gerne sagt. Olympische Spiele wären die Krönung der Dekadenstrategie Sport, die Hamburgs Sport von der Breite bis zur Spitze fit machen soll für Herausforderungen.

Berlin hat sich zu einer Welt-Sportmetropole entwickelt. Sechs Spiele der Fußball-WM, Leichtathletik-WM 2011, Marathon, Pokalfinale, im kommenden Jahr Finale der Champions League – Berlin kann große Sportveranstaltungen austragen. Bei den internationalen Sportranking-Agenturen schneidet Berlin regelmäßig mit einem Spitzenplatz ab. Mit Olympischen Spielen könnte die Stadt die Entwicklung fortsetzen. Der Senat sieht Berlin mit seinem internationalen, toleranten und jungen Flair als idealen Gastgeber, der nicht nur das Ansehen der Stadt sondern ganz Deutschlands nachhaltig verbessern würde.

2. Wie passt das olympische Programm (35 Wettkampf- und 30 Trainingsstätten) in die nachhaltige und unabhängig von den Spielen geplante langfristige Entwicklung Ihrer Stadt?

Mit Olympischen Spielen in Hamburg würde auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook ein neuer Stadtteil entstehen und dieser den seit Jahrzehnten geplanten Brückenschlag über die Elbe vollenden. Die Stadt, durch den Fluss in Nord und Süd getrennt, könnte baulich und in den Köpfen der Menschen zusammenwachsen. Die bisherige Verbindung über die Elbbrücken auf die Veddel hat dies nicht geschafft, ein zweiter Strang würde den Prozess befördern. Die zusätzlichen Sportflächen würden die Infrastruktur der Stadt verbessern und damit dem Wunsch der Bevölkerung nach weiteren Stätten der Bewegung nachkommen.

Berlin ist eine wachsende Stadt. Der Bau eines barrierefreien olympischen Dorfes würde einen Beitrag dazu leisten, den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten. Geplante Neubauten wie zwei Schwimmbecken auf dem Gelände des Flughafens Tegel würden zu einem regulären Schwimmbad der Bäderbetriebe zurückgebaut. Der Ausbau der sportlichen Infrastruktur würde den Sportlern zugutekommen. Die Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhofs und das Messegelände werden schon jetzt für verschiedene Veranstaltungen genutzt. Die Austragung olympischer Wettkämpfe würde nur eine Zwischennutzung darstellen.

3. Wo würden Sie das olympische und das paralympische Dorf mit der notwendigen Kapazität planen?

Auf dem Kleinen Grasbrook zwischen HafenCity und Wilhelmsburg soll das olympische Dorf mit Unterkünften für 10.500 Sportler und 6500 Trainer und Betreuer als Teil des Olympiaparks entstehen, fußläufig zu den zentralen Wettkampfstätten wie Olympia-, Schwimm- und Radstadion wie zu der Mehrzweckhalle. Im benachbarten Wilhelmsburg könnten Familien und Freunde nur eine U-Bahn-Station entfernt unterkommen. Das entspräche dem Wunsch vieler Sportler, die wichtigsten Bezugspersonen ganz in ihrer Nähe zu wissen. Ein solches familienfreundliches Konzept gab es bislang bei Olympischen Spielen nicht.

Das olympische Dorf könnte auf dem Gelände des Flughafens Tegel entstehen, der stillgelegt wird, wenn der neue Großflughafen eröffnet. An der Ostseite des Flughafens sollen rund 4000 Wohnungen – 2000 davon barrierefrei – entstehen, die nach Beendigung der Spiele dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Vom zentralen Standpunkt Tegel aus sind die geplanten Sportstätten innerhalb kurzer Zeit zu erreichen. Die Planung gefährdet nicht die vorgesehene Umwidmung des Flughafengeländes in ein Wissenschaftszentrum, inklusive des Umzugs der Beuth-Hochschule an die Südseite des Flughafens.

4. Geben Sie einen Überblick über die Anordnung der olympischen Sportstätten: Wo könnten Sie auf bestehende Anlagen zurückgreifen, wo müssten neue gebaut werden? Wie teuer wird das?

31 der 35 für Olympia benötigten Sportstätten existieren in Hamburg und Umgebung. Sie müssten aber renoviert, instand gesetzt oder modernisiert werden. Von den 30 geforderten Trainingsplätzen müssten wahrscheinlich viele neu errichtet werden. Hamburg fehlen ein Olympiastadion für die Leichtathletik-Wettbewerbe, ein Schwimm- und ein Radstadion. Sie sollen im Olympiapark auf dem Kleinen Grasbrook entstehen. Ein Wildwasserparcours ist in Allermöhe geplant. Die Kosten sind momentan schwer abzuschätzen. Ein Olympiastadion dürfte nach heutigen Preisen nicht unter 300 Millionen Euro zu bauen sein.

Die Spiele sollen dezentral in Sportstätten stattfinden, die weitgehend bereits bestehen. Mit dem Gelände am Olympiastadion und dem Olympia-Stützpunkt in Hohenschönhausen verfügt die Stadt über für viele Sportarten geeignete Anlagen. Dazu kommen die O2 World und die Schmeling-Halle. Provisorisch für den Sport genutzt werden sollen das Messegelände und die Hangars des Flughafens Tempelhof. Geplant ist die barrierefreie Sanierung des Jahn-Sportparks in Prenzlauer Berg. Durch weitgehenden Verzicht auf Neubauten sollen die Investitionen unter den zwölf Milliarden Euro liegen, die London investierte.

5. Gibt es Sportarten, deren Wettbewerbe nicht in Ihrer Stadt durchgeführt werden können? Wenn ja, was wäre Ihre bevorzugte Option für diese Wettbewerbe?

Segeln und Vielseitigkeitsreiterei. Für Segeln kämen die renommierten Reviere in der Ostsee vor Lübeck-Travemünde, 70 Kilometer von Hamburg entfernt, und Kiel, rund 100 Kilometer entfernt, infrage. In Kiel wurden bereits die olympischen Segelwettbewerbe 1936 und 1972 ausgetragen. Die Vielseitigkeitsreiterei hätte mit Luhmühlen, westlich von Lüneburg, eine international erprobte Austragungsstätte, rund 45 Kilometer von Hamburg gelegen. Die Fußballturniere der Frauen und Männer könnten in ganz Norddeutschland ausgetragen werden, Handballspiele auch in den Hochburgen Flensburg und Kiel.

Berlins Konzept sieht vor, auch außerhalb der Stadt bestehende Sportanlagen zu nutzen. So ist für die Ruderwettkämpfe der Beetzsee in Brandenburg vorgesehen, das Golfturnier soll auf zwei Anlagen im Umland stattfinden, die Kanuwettkämpfe sind in Markkleeberg bei Leipzig geplant, einer von zwei olympiatauglichen Wildwasseranlagen in Deutschland (neben Augsburg). Das Fußballturnier soll außer in Berlin in Cottbus, Leipzig, Dresden, Magdeburg und Potsdam stattfinden. Für das Dressurreiten ist eine provisorische Anlage vor der Kulisse des Schlosses Sanssouci geplant. Gesegelt werden soll in Rostock/Warnemünde.

6. Der DOSB sieht sich in besonderer Weise der Nachhaltigkeit verpflichtet. Wie würden Sie eine vernünftige und das Stadtleben bereichernde Nachnutzung der Olympia-Anlagen sicherstellen?

Für die Nachnutzung des heutigen rund 110 Hektar großen Hafengeländes mit Fruchtterminal und Autoverladung – das die Hafenwirtschaft bereit ist, nach Westen zu verlagern – gibt es verschiedene Konzepte. Ein Modell wäre, den Olympiapark auf dem Kleinen Grasbrook in ein Sportcluster umzuwandeln. Der Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein würde aus dem Stadtteil Dulsberg in den Hafen verlagert, Sportgewerbe, -agenturen, -verbände (städtische, nationale wie internationale) könnten hier eine neue Heimat finden. Die Schwimmhalle würde die Alsterschwimmhalle an der Sechslingspforte ersetzen, die in zehn Jahren baufällig ist. Es wäre das einzige Schwimmbad im Bereich des gesamten Rings eins.

Im olympischen Dorf könnten 6000 Wohnungen entstehen, Sozial-, Miet- und Eigentumswohnungen. Das Olympiastadion würde von 70.000 auf 20.000 Plätze zurückgebaut werden und als Leichtathletik-Anlage, Eventfläche und im Mantel für Büroräume zur Verfügung stehen. Denkbar wäre, das Stadion von vornherein als Wohn- und Gewerbeanlage zu konzipieren – oder es später dem HSV als Fußball- und Multifunktionsarena zu überlassen, wenn in 15 Jahren die jetzige Imtech Arena im Volkspark nicht mehr modernsten Anforderungen entsprechen sollte. Auch ein weiteres Kreuzfahrtterminal wäre möglich.

Der Berliner Senat stellt bei seinem Entwurf eines Olympiakonzepts mit dem weitgehenden Verzicht auf den Neubau großer Sportstätten die nachhaltige Investition in die Infrastruktur in den Mittelpunkt seiner Bewerbung. Die Spiele sollen, so weit wie möglich, in das bestehende Stadtbild integriert und vorhandene Anlagen um- und ausgebaut werden.

Mit dem vorhandenen Olympiastadion entfällt der neben dem olympischen Dorf größte Investitionsposten für die Spiele in Berlin. Die geplante dezentrale Organisation erfordert kaum Investitionen in die verkehrliche Infrastruktur. Mit der Nutzung des stillgelegten Flughafens Tegel werden für die benötigten Neubauten keine Anwohner beeinträchtigt oder die Interessen anderer berührt. Einziger Nachbar hier ist die Bundeswehr mit der Julius-Leber-Kaserne.

Die dezentrale Organisation der Spiele bedeutet zudem, dass die Sportanlagen nach dem Ende der Olympischen Spiele einer großen Zahl der Berliner zur Nachnutzung bereitstehen. Die Berliner Sportvereine beklagen ohnehin einen riesigen Investitionsstau. 600.000 Berliner sind Mitglied in einem der 2400 Vereine, dazu kommen zahlreiche Sportler, die nicht in einem Verein organisiert sind. Insgesamt stehen in der Stadt rund 1900 Sportanlagen, Hallen und Schwimmbäder zur Verfügung.

7. Eine gesicherte Finanzierung der Bewerbung von Anfang an ist eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg. Mit welchen Kosten rechnen Sie, welches Finanzkonzept streben Sie an?

Die Kosten für Olympische Spiele sind zehn Jahre im Voraus schwer zu kalkulieren. Zu unterscheiden gilt es zwischen den Kosten für die Durchführung der Spiele und denen für den Bau der sportlichen und der allgemeinen Infrastruktur. Die Durchführung der Spiele warf in den vergangenen Jahrzehnten für die Ausrichterstädte stets Gewinne ab. In London waren es 2012 rund 30 Millionen Euro, bei den Winterspielen im Februar 2014 in Sotschi (Russland) etwa 180 Millionen.

Das IOC zahlt dem Ausrichter bislang 1,5 Milliarden Euro, der sich zudem aus dem Verkauf der Eintrittskarten und dem Merchandising finanzieren kann. Weitere Zuschüsse des IOC scheinen möglich, wenn die geplanten Reformen umgesetzt werden. Die Ausgaben für die allgemeine Infrastruktur (Autobahnen, Eisenbahngleise, Brücken) wären Aufgaben des Bundes, an dem Bau der Sportstätten müsste sich Hamburg beteiligen. Die Handelskammer rechnet mit Gesamtkosten von 6,5 Milliarden Euro, von denen etwa eine Milliarde auf Hamburg entfiele. Über zehn Jahre verteilt wären das 100 Millionen Euro im Jahr und selbst angesichts der Schuldenbremse machbar, ohne andere Projekte zu vernachlässigen. Die Spiele in London kosteten 11,33 Milliarden Euro: 6,6 Milliarden die Infrastruktur, 2,7 Milliarden die Durchführung, 1,29 Milliarden der Bau der Sportstätten, 743 Millionen waren Folgekosten.

Auf diese Frage lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine verlässliche Aussage treffen. Zwar verzichtet Berlin auf den Neubau großer Sportanlagen, aber wie viel Geld es kostet, die bestehenden Wettkampfstätten olympiatauglich zu sanieren, ist unklar.

Die Antwort auf die Frage hängt auch entscheidend davon ab, ob das IOC sich im Dezember dieses Jahres wie vorgesehen tatsächlich zu weitgehenden Reformen verpflichtet und nachhaltige Kriterien für die Vergabe der Olympischen Spiele verabschiedet. Weil die endgültige Planung mit den Berlinern und den Sportvereinen abgestimmt werden soll, gibt es noch keine endgültige Verteilung der Wettkämpfe auf die Stadt.

Der Sportbund verweist auf eine dreigeteilte Kostenrechnung. Erstens: die Bewerbungskosten. Sie werden auf 60 Millionen Euro geschätzt, der Sportbund hält die Zahl für zu hoch. Zweitens: die Durchführung der Spiele. Alle Städte, auch London und Sotschi, erzielen nach Angaben des Sportbundes hier einen Gewinn. Drittens: die Kosten für die sportliche Infrastruktur, die den Haushalt belasten.

Andere Ausgaben, wie etwa für den Bau des olympischen Dorfes, können nach Ansicht des Sportbundes nicht als Kosten für olympische Spiele deklariert werden, weil die Gebäude danach in öffentliche Nutzung fallen.

8. Wie stehen Parlament und Regierung Ihrer Stadt zu einer möglichen Bewerbung?

Die Hamburgische Bürgerschaft hat am 21. Mai den Senat aufgefordert, vor einer Olympiabewerbung die Chancen, Risiken und Umweltverträglichkeit prüfen zu lassen. Die geforderte Machbarkeitsstudie wird von den Behörden parallel zur Beantwortung dieser 13 Fragen erstellt. Sie soll im Oktober fertig sein.

Der SPD-Senat befürwortet grundsätzlich Spiele in Hamburg, wenn sie nachhaltig und zum Nutzen der Bevölkerung gestaltet und ohne Schuldenaufnahme finanziert werden können. Eine offizielle Entscheidung über eine Olympiabewerbung soll erst getroffen werden, wenn Hamburg vom DOSB zum Kandidaten gekürt wird.

SPD, CDU und FDP stehen in großen Teilen hinter der Kampagne, die Grünen sind gespalten. Die Linke ist dagegen, weil die Kosten ihrer Meinung nach nicht im Verhältnis zum Ertrag für die Stadt stehen. Sie warnt vor Gentrifizierung und Mietsteigerungen. Eine außerparlamentarische Protestbewegung hat sich bislang in Hamburg nicht formiert. Der Bund der Steuerzahler hat seine Bedenken geäußert.

Der Senat unterstützt die Interessenbekundung ausdrücklich. Von der Opposition hat sich bislang nur die Linksfraktion gegen eine Bewerbung ausgesprochen. Die Grünen halten die Austragung für möglich, wenn das IOC die geplante Reform verabschiedet und die Vergabe der Spiele an Kriterien der Nachhaltigkeit knüpft. Erst dann hätte eine Bewerbung tatsächlich Erfolgsaussichten. Die Piraten sind skeptisch, haben sich aber bisher nicht dem NOlympia-Bündnis angeschlossen, das gegen eine Bewerbung ist. Größtes Manko in Berlin ist derzeit die fehlende Vision und das fehlende Gesicht einer möglichen Bewerbung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich zwar öffentlich für die Sommerspiele ausgesprochen, gilt aber wegen des andauernden Flughafendesasters als schwer vermittelbare Galionsfigur.

Der Bund der Steuerzahler Berlin erinnert an die Verschwendung von öffentlichen Geldern bei der Bewerbung um die Sommerspiele 2000 und forderte im Falle einer erneuten Bewerbung ein „Höchstmaß an Transparenz“.

9. Eine Olympiabewerbung braucht die Akzeptanz der Mehrheit der Menschen. Wie steht Ihre Bevölkerung zu Olympia? Wie würden Sie sich der Zustimmung in Ihrer Stadt versichern?

Laut der jüngsten Umfrage im Juli würden 73 Prozent der Hamburger eine Olympiabewerbung der Stadt begrüßen und unterstützen. Eine von der Handelskammer initiierte repräsentative Befragung im vergangenen Dezember hatte eine Zustimmung von 59 Prozent ergeben. Seitdem scheint die Zahl der Befürworter gewachsen zu sein. Die Bedenken wegen zu hoher Kosten und zu geringer Nachhaltigkeit sind allerdings geblieben. Auch meinen viele, die für Olympia benötigten Milliarden sollten besser für andere, vor allem soziale Projekte ausgegeben werden. Zudem besteht unverändert großes Misstrauen gegenüber Organisationen wie dem IOC und dem Fußballweltverband Fifa.

Der Senat plant bei einem Zuschlag seitens des DOSB ein Referendum im Mai 2015. Dafür müsste noch die Hamburgische Verfassung geändert werden. Entsprechende Vorbereitungen zur Ermöglichung von Volksbefragungen laufen. Die CDU hatte im Mai eine diesbezügliche Gesetzesinitiative in die Bürgerschaft eingebracht. Sie wird wohl eine Mehrheit im Parlament finden.

Nach der jüngsten Forsa-Umfrage gibt es derzeit eine knappe Mehrheit pro Olympia (52 Prozent). Drei Viertel der 18- bis 29-Jährigen begrüßen eine Austragung der Spiele, die Älteren sind eher skeptisch. Der Senat verzichtet in seiner Online-Befragung auf eine Frage nach dem Pro oder Kontra. Die zunächst verschämte Platzierung der Umfrage auf der Internetseite Berlins und die tendenziöse Fragestellung haben Kritik hervorgerufen. Verschiedene Umwelt-Organisationen und die Linkspartei haben sich zu einem NOlympia-Bündnis zusammengeschlossen. Der Senat plant ab September mehrere Instrumente der Beteiligung. Insgesamt hat sich die Stimmung in der Stadt für oder gegen Olympische Spiele noch nicht endgültig geformt. Zweifel richten sich vor dem Hintergrund des Flughafen-Desasters grundsätzlich gegen die Fähigkeit, Großprojekte wie Olympische Spiele bewerkstelligen zu können. Vorbehalte bestehen auch gegen das Gebaren des internationalen Sportverbandes IOC – auch wenn mit Thomas Bach inzwischen ein Deutscher an der Spitze steht.

10. Das IOC verlangt Hotelkapazitäten von mindestens 42.000 Zimmern für die olympische Familie. Wie können Sie diese Anforderungen in Ihrer Stadt gewährleisten?

Die aktuelle Bettenzahl in Hamburg beläuft sich auf 54.237 in 344 derzeit geöffneten Beherbergungsstätten. Bis Ende des Jahres sollen in der Stadt neun weitere Hotels mit insgesamt 3228 Betten entstehen, vier weitere im nächsten Jahr mit zusammen 1122 Betten. Zurzeit entfallen rund zehn Prozent der Betten auf Fünf-Sterne-Häuser.

Weitere Unterbringungsmöglichkeiten sind für Olympia auf Kreuzfahrtschiffen geplant, bis zu 20 könnten während der Spiele im Hafen festmachen. Auf den Kreuzfahrtschiffen sollen vor allem Medienvertreter unterkommen. Bis zu 16.000 Reporter und technische Mitarbeiter der Fernsehanstalten werden bei Olympia erwartet.

Im vergangenen Jahr zählte Hamburg 11,6 Millionen Übernachtungen, 9,1 Prozent mehr als 2012. Für dieses Jahr wird mit 12,2 Millionen gerechnet, 2020 sollen es dann 18 Millionen sein. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt bislang zwei Tage. Die überwiegende Zahl der Gäste kommt aus Deutschland, 21 Prozent aus dem Ausland, die meisten aus Dänemark.

Die Unterbringung der Sportler, Funktionäre und der Gäste bei Olympischen Spielen gehört zu den geringsten Problemen Berlins. Die Stadt verfügt bereits jetzt nach Angaben des Gaststätten- und Hotelgewerbes über 140.000 Hotelbetten in 817 Beherbergungsbetrieben. In zehn Jahren könnten es nach Prognosen von Tourismusexperten 160.000 sein. Elf Millionen Gäste werden in diesem Jahr in der Stadt erwartet, die 27 Millionen Übernachtungen buchen.

Der internationale Berlin-Boom der vergangenen Jahre ist nach Ansicht der Landesregierung ein wichtiger Pluspunkt Berlins. In den vergangenen Jahren hat das Hotel- und Gaststättengewerbe jeweils zweistellige Zuwachsraten verzeichnet. In keiner anderen europäischen Metropole wächst der Tourismus derzeit so stark wie in Berlin. So entsprach bereits in den ersten sechs Monaten dieses Jahres die Übernachtungszahl mit 13,2 Millionen der des gesamten Jahres 2004. Kamen die Besucher vor zehn Jahren zu gut einem Drittel aus dem Ausland, so sind es derzeit 43 Prozent.

11. Wie sieht in Grundzügen Ihr Transportkonzept für die Olympischen und Paralympischen Spiele aus?

Hamburg plant Olympische Spiele am Wasser und der kurzen Wege. Alle Sportstätten der Stadt liegen in einem Radius von 15 Kilometern. Der Olympiapark auf dem Kleinen Grasbrook kann bequem zu Fuß oder per Fahrrad aus der Innenstadt erreicht werden. Die U-Bahn-Linie 4 in die HafenCity würde über den Kleinen Grasbrook mit der Station Olympiapark nach Wilhelmsburg fortgeführt, die S-Bahn nach Harburg an einer neuen Station an den Elbbrücken haltmachen. Von dort sind es zehn bis 15 Minuten zu Fuß in den Olympiapark.

Zudem könnte ein Teil des olympischen Verkehrs aufs Wasser verlagert werden – wie es auch für die Bauphase vorgesehen ist. Das hätte besonderen Charme. Gedacht ist daran, die Olympiamannschaften auf das Airbus-Gelände auf Finkenwerder einfliegen zu lassen und sie von dort mit Schiffen ins olympische Dorf zu transportieren. Auf dem Weg dorthin könnten ihnen die Hamburger einen ersten Empfang bereiten. Auf dem Schiff könnten zeitsparend für die Athleten alle Formalitäten wie Akkreditierungen erledigt werden.

Da fast alle Wettkämpfe in bestehenden Sportstätten oder an historischen Orten (Schloss Sanssouci) stattfinden würden, besteht an den allermeisten Orten bereits eine Verkehrsanbindung. Die geplanten provisorischen Anlagen auf dem Messegelände und dem ehemaligen Flughafen Tempelhof sind ebenfalls bereits verkehrstechnisch erschlossen.

Auch der geplante neue Standort in Tegel, wo das olympische Dorf entstehen und nach derzeitigem Planungsstand unter anderem die Schwimmwettkämpfe stattfinden sollen, ist weitgehend erschlossen, sodass auch dort kaum Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur anfallen. Das olympische Dorf befände sich zudem in unmittelbarer Nähe der Stadtautobahn, die ein problemloses An- und Abreisen der Athleten und Funktionäre ermöglicht.

Berlin verfügt mit U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn und Buslinien zudem über ein ausgeprägtes System des öffentlichen Nahverkehrs, mit dem die innerstädtischen Sportanlagen und die Wettkämpfe in Brandenburg problemlos zu erreichen wären.

12. Mit der Durchführung Olympischer Spiele ist zwingend die anschließende Durchführung Paralympischer Spiele verbunden. Wie würden Sie dieser Anforderung gerecht werden?

Hamburg hat schon jetzt eine beachtliche öffentliche und sportspezifische Infrastruktur für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Der Unternehmer Alexander Otto engagiert sich auf diesem Gebiet auf außergewöhnliche Weise. Die im März eingeweihte Sporthalle auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf ist die erste umfassend behindertengerechte, barrierefreie Einrichtung in Deutschland.

Überhaupt beginnt sich der inklusive Gedanke im Hamburger Sport immer stärker durchzusetzen, alle Sportstätten sollen in den nächsten Jahren behindertengerecht umgerüstet werden, mit in der ganzen Stadt einheitlichen Farbgebungen für Umkleideräume, Duschen und Sanitärbereiche. Als Schwerpunktsportart wird jetzt Rollstuhlbasketball etabliert, mit einer zentralen Trainingsstätte in der neuen Basketball-Arena in Wilhelmsburg, der ehemaligen Blumenhalle der internationalen Gartenschau vor einem Jahr. Hier wird auch das neue Basketballteam Hamburg Towers von Mitte Oktober an seine Heimspiele austragen.

Durch den Neubau des olympischen Dorfes in Tegel können 2000 Wohnungen barrierefrei gestaltet werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wächst der Bedarf an entsprechenden Wohnungen stark, sodass hier ein Modellprojekt für altersgerechtes Wohnen entstehen könnte. Der Berliner Plan sieht auch vor, den sanierungsbedürftigen Jahnsportpark in Prenzlauer Berg zu einem barrierefreien Stadionkomplex umzubauen. Hier soll ein Großteil der Leichtathletik-Wettkämpfe stattfinden. Das Stadion soll langfristig für den Behindertensport bereitgestellt werden. Denkbar ist auch, dass der Behindertensportverband vom Olympiapark in Charlottenburg auf das Gelände zieht und den Standort zu einem nationalen Parasport-Zentrum ausbaut.

Die Stadt ist schon jetzt ein Zentrum des Behindertensports. Hier befinden sich die paralympischen Stützpunkte für Leichtathletik und Schwimmen. In diesem Jahr fanden die Deutschen Torballmeisterschaften und die Internationale Deutsche Schwimmmeisterschaft in Berlin statt.

13. Eine Bewerbung ist oft nicht im ersten Anlauf erfolgreich. Wären Sie im Fall des Scheiterns der Bewerbung grundsätzlich bereit und interessiert, sich erneut zu bewerben?

Eine Olympiabewerbung ist kein 100-Meter-Sprint, sondern kann ein Marathonlauf werden. Hamburg stünde bereit, mehrere Bewerbungsverfahren zu durchlaufen. Für die Sommerspiele 2024 gilt eine Stadt aus den USA als Favorit. Vier Kandidaten gibt es dort. Hintergrund: Die US-Fernsehnetzwerke sind die mit Abstand größten Finanziers des Internationalen Olympischen Komitees, Olympische Spiele wurden aber zuletzt 2002 in den USA ausgetragen, Winterspiele in Salt Lake City. Die bislang letzten Sommerspiele fanden 1996 in Atlanta statt.

Dass das Nationale Olympische Komitee der USA über Jahrzehnte einen überproportional hohen Anteil der TV-Gelder kassierte, führte zum Dauerstreit mit dem IOC. Der ist nun beigelegt. Sollten die USA den Zuschlag erhalten, wäre es Hamburgs Ziel, sich bei der Entscheidung 2017 als beste europäische Stadt eine gute Ausgangsposition für die Vergabe der Sommerspiele 2028 zu verschaffen. Ob spätere Bewerbungen Sinn ergeben, hängt davon ab, wie lange die für Olympia geblockten Hafenflächen zur Verfügung stünden.

Sicherlich. Der Senat legt Wert darauf, dass die Antworten zur Interessenbekundung sich allein darauf beziehen, ob Berlin grundsätzlich bereit ist, Olympische Spiele auszutragen. Auch im DOSB ist noch nicht entschieden, ob Deutschland sich für die Spiele 2024 oder 2028 bewirbt. Grundsätzlich besteht die Bereitschaft, es nach einem Scheitern vier Jahre später erneut zu versuchen – sollte es nicht ähnlich kläglich wie die Bewerbung Berlins für 2000 oder Leipzigs für 2012 verlaufen. Eine endgültige Entscheidung darüber fällt sicher erst, sollte eine Bewerbung in die „heiße Phase“ treten. Dafür spricht auch, dass ein zweiter Versuch deutlich preiswerter ausfallen würde, da sich am Grundkonzept der Spiele nichts ändern würde.

Eine entscheidende Rolle spielt die Frage, ob sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für die Austragung der Europameisterschaft 2024 bewirbt. Das würde die Chancen auf Olympische Spiele im gleichen Jahr deutlich senken, sodass die Bewerbung nur ein Testlauf für die Vergabe vier Jahre später wäre.