Die Michel-Uhr scheint so nah, als könnte man sie mit der Hand auf Sommerzeit stellen. Und dem alten Bismarck schaut man endlich mal in die Augen. Fotografieren mit einem Flugroboter bietet völlig neue Perspektiven – und zwar aus so geringer Höhe, wie es vom Hubschrauber oder Flugzeug aus nicht möglich war. Eine Premiere von Fotoredakteur Thorsten Ahlf

Ein neues Wort hält Einzug in die Medienlandschaft: der Drohnenjournalismus. Gemeint ist die Aufnahme von Fotos und Videos mithilfe von kleinen, unbemannten Fluggeräten. Diese maximal fünf Kilogramm schweren, von bis zu acht Rotoren angetriebenen ferngesteuerten Multikopter fliegen dort, wo Helikopter nicht fliegen dürfen oder können.

An dieser neuen Entwicklung wollte ich unbedingt und frühzeitig teilhaben. Einmal mit dabei sein, wenn sich die Fotografie in neue Dimensionen begibt. Gebäuden und Landschaften in einer so geringen Flughöhe näherkommen, dass bisher ungekannte Ansichten und Perspektiven möglich sind.

Nach langer Recherche fiel meine Entscheidung auf ein Gerät, das im nordrhein-westfälischen Bielefeld gebaut wird. Der Oktokopter (Okto wegen der acht Propeller) meiner Wahl liegt preislich im oberen Segment, jenseits der 16.000 Euro, die man für einen brauchbaren, fertig montierten Flugroboter aufwenden müsste. Dazu kommt die Kamera: Meine Panasonic GH3 mit 24–70 mm oder 15 mm Fisheye-Objektiv bringt hervorragende Ergebnisse und ermöglicht wegen des geringen Gewichtes längere Flugzeiten. Aber auch schwerere Spiegelreflexkameras sind möglich. Das hebt den Gesamtwert des Flugobjektes noch einmal ordentlich an.

Auch nach über 150 geglückten Landungen verursacht mir jeder Flug noch ein wenig feuchte Hände, wenn mein achtmotoriges Fluggerät bis zu 100 Meter über der Erde kreist. Gerade die Bilder für diese Serie entstanden zum Teil im Grenzbereich dessen, was der fliegende Fotoapparat zu leisten in der Lage ist. Starker, böiger Wind brachte die Motoren ein ums andere Mal zum Aufheulen. Probleme gab es allerdings nie.

Einiges hat der „Pilot“ eines Flugroboters zu beachten, bevor er startet. Zuerst muss er einen geeigneten Aufstiegsort in der Nähe des Fotomotivs finden, denn er darf nur auf Sicht fliegen. Der Eigentümer des Grundstücks muss sein Okay zum Start von seinem Areal geben. Da es in Hamburg, anders als beispielsweise in Schleswig-Holstein, keine allgemeine Aufstiegserlaubnis gibt, muss jeder Flug durch die Luftaufsicht genehmigt werden. Vor Abflug sind das für den Aufstiegsort zuständige Polizeikommissariat und, falls der Flug in kontrolliertem Luftraum stattfinden soll, der Tower der Flugsicherung am Flughafen zu informieren. Ferner muss man gut zwei Din-A4-Seiten mit Nebenbestimmungen lesen (und einhalten), die man zusammen mit der Aufstiegsgenehmigung bekommt. Vielleicht lag es an diesem Aufwand, dass im ganzen Jahr 2013 nur 179 und in diesem Jahr bisher nur 43 Anträge auf Drohnenflug gestellt wurden.

Sind alle Formalitäten erledigt, kann ein Flugangsthase wie ich Luftaufnahmen machen, ohne in einen Helikopter klettern zu müssen. Auch fliegen die ferngesteuerten akkugetriebenen Kopter natürlich erheblich günstiger als ein Hubschrauber.

Die Technik, die unter der Haube der Multikopter steckt, ist beeindruckend. Bis zu 70 Stundenkilometer schnell können sie fliegen und mit zehn Metern pro Sekunde senkrecht steigen. Mithilfe von GPS-Empfängern kann der Multikopter auf einer Position am Himmel geparkt werden, und man kann sich etwas mehr auf die Fotos konzentrieren. Damit man weiß, was die Kamera gerade ablichtet, wird das Videosignal von der fliegenden Kamera direkt auf einen Monitor an der Fernsteuerung übertragen.

Der Drohnen-Steuerer darf aber nicht nur Augen fürs Fotografieren haben. Er muss auch jederzeit in der Lage sein, bei Problemen einzugreifen. Zur Sicherheit des Roboters und um Gefährdungen von Menschen und Sachwerten auszuschließen, gibt es Notfallsysteme. Fällt zum Beispiel die Fernsteuerung aus, geht die Drohne selbstständig auf eine bestimmte Höhe, kehrt zum Startplatz zurück und landet dort automatisch. Optische und akustische Warnsignale melden rechtzeitig niedrige Akku-Ladestände, und Telemetriedaten geben Auskunft über Flugzeit (maximal etwa 20 Minuten), Flugrichtung, die Anzahl der zur Verfügung stehenden GPS-Satelliten oder die Temperatur der Antriebe.

Das fotografische Ergebnis ist aber all die Mühen und Ängste wert. Beeindruckend an den Fotos ist der besonders nahe Blick auf die Motive, die diese Fluggeräte eröffnen. Ob man praktisch auf Augenhöhe mit der Michel-Uhr schwebt, am Knick der Tanzenden Türme vorbei die Reeperbahn überblickt oder über das Dach des HSV-Stadions lugt – solche Aufnahmen sind jetzt möglich dank Fotodrohnen.